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Alte, weiße Frauen

von Peter Löcke //

Alice Schwarzer, Bette Midler, Gloria von Thurn und Taxis, Elke Heidenreich, Ulrike Guérot, Lisa Fitz. So unvollständig die Liste ist, so offensichtlich ist das Problem. Und dennoch scheint das Offensichtliche ein gesellschaftliches Tabu-Thema zu sein. Das Thema wird totgeschwiegen, niemand redet darüber. Der Club der klaren Worte spricht das Problem an und spricht es aus. Das Problem lautet „alte, weiße Frauen“.

Alice im Wunderland, Schwarzer im Emma-Dilemma. Das Urgestein der Frauenbewegung bewegt sich auf dünnem politischen Eis. Schwarzer zeigt sich auf gleich mehreren Ebenen transfeindlich. Die Feministin kritisiert in offenen Briefen das transatlantische Bündnis, deutsche Waffenlieferungen, sogar den ukrainischen Helden und Friedenskämpfer Selenskyi nimmt Sie sich zur weiblichen Brust. Feindlich steht Alice Schwarzer auch der kunterbunten Trans-Szene gegenüber. Die Kämpferin für Gleichberechtigung steht im Verdacht, Vorurteile gegenüber Auto, Pan- und Intersexuelle zu haben. Was bedeutet das in letzter Konsequenz? Nun. Zurzeit gilt in gut unterrichteten Medienkreisen eine weitere Kooperation zwischen der alten weißen Frau und der bunten BILDzeitung als unwahrscheinlich. Kachelmann ja, Rontzheimer nein.

Doch Transphobie ist mehr als nur ein deutsches Problem. Mit Ihrer Haltung steht Schwarzer nicht allein wie das Beispiel Bette Midler zeigt. Die 76 Jahre alte amerikanische Schauspielerin und Sängerin erntet gerade einen wütenden Shitstorm. Was war geschehen? In einem Tweet kritisierte die große, alte und leider weiße Dame Hollywoods Wortschöpfungen wie „Gebärende“ oder „Menschen mit Vagina“. Bette Midler bevorzugt weiterhin veraltete Begriffe wie Frau. Wer benutzt heute noch den antiquierten Begriff Frau? Also steht Bette Midler exemplarisch für das imperialistische und intolerante Gedankengut einer alten, weißen Frau.

Zurück nach Europa. Genauer gesagt nach Österreich und hinein ins Studio von Servus-TV. Dort sitzt die adelige Unternehmerin Gloria von Thurn und Taxis und kritisiert öffentlich westliche Medien, die bizarre, sich täglich widersprechende Corona-Politik und nennt Inflation wie Energiekrise selbstverschuldet und hausgemacht. Das verwirrt die Menschen, denn schließlich ist doch eindeutig der Russe an allem Schuld. Vor allem kritisiert die alte weiße Frau feuchte grüne Hippie-Träume, die nun endlich wahr werden. Ist das Kritisieren von grüner Politik nicht generell rechtspopulistisch und darf man solchen Frauen eine Bühne bieten? Die Antwort fällt eindeutig aus. Gloria tut und kann nix. Keine Bühne mehr für solche Menschen. Keine Bühne für alte weiße Frauen wie Gloria von Thurn und Taxis.

Etwas in Vergessenheit geraten ist, dass der Schriftstellerin und Literaturkritikerin Elke Heidenreich eine Bühne bereitet wurde, denn das war ein Fehler. Bei Markus Lanz durfte sich die alte weiße Frau über die Sprachlosigkeit und Dummheit der grünen Nachwuchshoffnung Sarah-Lee Heinrich beschweren. „Hauptsache divers, Hauptsache Quote“ so Elke Heidenreich in triefend ironischem Tonfall. Schlimmer noch als die Aussage selbst: Markus Lanz ließ ihr die Kritik durchgehen. Ein Skandal. Schließlich besteht bei Kritik an den Grünen die Gefahr, dass Beifall von der falschen, sprich von der rechten Seite kommt. Heidenreich, Jahrgang 1943, steckte ihr Leben lang im falschen linken Körper und entpuppt sich nun als rechte alte, weiße Frau. So die einhellige Meinung.

Daraus hat Markus Lanz gelernt, als er unlängst die Politologin Ulrike Guérot in seine Arena einlud. Das Holz für die Hexenverbrennung wurde zusammengetragen, die Streichhölzer mit prominenter Unterstützung griffbereit. Lanz wurde unterstützt  von einer Gruppe von Inquisitoren. Doch die Sendung verlief nicht nach Drehbuch. Die Verbrennung der alten weißen Hexe Ulrike Guérot misslang, weil sich die Befürworter der ukrainischen Bewaffnung geistig völlig unbewaffnet zeigten. Trotz numerischer Überlegenheit und Auftreten in Truppenstärke wurde die Sendung zu einem Eigentor.

Das wiederum zeigt, dass die Methode Ausgrenzen & Ignorieren im Zweifel sicherer ist als die Methode Diffamieren nach Drehbuch. So geschehen bei der Kabarettistin Lisa Fitz, einer weiteren alten weißen Frau. Anders als ihre männlichen TV-Kollegen aus dem politischen Kabarett hatte Lisa Fitz Eier respektive Eierstöcke. Statt keine Ahnung zu haben, einfach Nuhr die Fresse zu halten und den hundertsten Witz über Verschwörungstheoretiker zu erzählen, zeigte sich Lisa Fitz unsolidarisch und regierungskritisch. Der Ausgang ist bekannt. Die alte weiße Frau wurde in gegenseitigem Einvernehmen und mit Faktencheck-Gütesiegel vom Bildschirm verbannt.

Vielleicht steht es mir als alter weißer Mann nicht zu über alte weiße Frauen zu urteilen. Daher gehe ich in mich und gehe Duschen. Selbstverständlich solidarisch kurz und kalt und mit energiesparendem neuem Duschkopf. Dabei wasche ich meinen Sarkasmus ab. Nachdem ich das getan habe, möchte ich mich bei all den genannten Frauen bedanken und mich vor Ihnen verneigen. Ich verneige mich altmodisch und respektvoll für Ihren Mut und Ihre Integrität. Und ja. Bei allen alten weißen Frauen. Inklusive Alice ausgerechnet Schwarzer.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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17 Antworten

  1. Für mich mal wieder ein brillanter Artikel, wie vom CdkW nicht anders zu erwarten.
    Trotz der Zerstörungswut, die den genannten Darsteller*innen entgegen schlägt, musste ich schmunzeln über so viel geistreiche Ironie.
    Besten Dank meine Herren Löcke und Langemann.
    Bleiben Sie uns hoffentlich lange erhalten.
    Ich wünsche das Allerbeste.

  2. Diese Damen machen nichts anderes, als die Wahrheit zu sagen, so wie sie sie für sich erkannt haben. Sie nehmen wissend in Kauf, finanzielle Einbußen zu erleiden, nicht mehr eingeladen und verächtlich gemacht zu werden, weil sie ehrlich sind. Alfa Wossen Asserate hat in seinem Buch „Manieren“ geschrieben, dass die Ehre wie auch die Manieren ein gewisser Luxus sind, den man sich leisten wollen muss. Natürlich ist es leichter, ein Untertan als ein Bürger zu sein, sich herumschubsen zu lassen als für sich selbst und andere Menschen, Kinder, Alte und Ausgegrenzte einzustehen – oder vielleicht doch nicht? Dieses Gerede mit Frauen und Männern, egal welcher Farbe und welchen Alters ist mir schon als Jugendlicher komplett egal gewesen, sie waren und sind für mich Menschen. Punkt. Die Frauen sind mir nur ein wenig rätselhafter erschienen.

  3. Guten Abend Peter Löcke,

    es ist schon Alles Gute hier oben gesagt, ich melde mich nur um die Zahl der Bejahenden,
    oder Zustimmenden oder schön Kritisierenden hochzutreiben.
    Lachen ist Medizin, und Ironie tut ebenfalls GUUT!
    Zu wissen, daß man(als Frau) mit Vielen lacht und sich an Ironie ergötzt, ist
    noch Guter!!!
    Herzliche Grüße
    Dorothea, alt weiß und sommersprossig

  4. Erich Kästner lebte in einer Zeit, in der man noch solche Worte sagen durfte.
    Was wäre er wohl heute……….!
    Wie gut, dass es Frauen gibt die sich noch trauen klar und deutlich die Realität zu sehen.

    Und als der nächste Krieg begann
    da sagten die Frauen: Nein
    und schlossen Bruder, Sohn und Mann
    fest in der Wohnung ein.

    Dann zogen sie in jedem Land
    wohl vor des Hauptmanns Haus
    und hielten Stöcke in der Hand
    und holten die Kerls heraus

    Sie legten jeden über’s Knie
    der diesen Krieg befahl:
    die Herren der Bank und Industrie,
    den Minister und General.

    Da brach so mancher Stock entzwei
    und manches Großmaul schwieg.
    In allen Ländern gab’s Geschrei,
    doch nirgends gab es Krieg.

    Die Frauen gingen dann wieder nach Haus
    zu Bruder und Sohn und Mann
    und sagten ihnen: der Krieg sei aus.

    Die Männer starrten zum Fenster hinaus
    und sahen die Frauen nicht an…

    1. Vielen Dank, liebe Frau Krawczyk für Ihre klaren Worte und für das wirklich tolle Gedicht! Ja, so sollte es sein!
      Wo sind die MÄNNER geblieben – heute, wie damals?

  5. unglaublich dass es noch Frauen gibt die zu ihren Werten stehen und sich nicht von der heutigen Welle (rosarote Brille) aufgesetzt und womöglich noch unter Drogen stehendem politischen Klientel (ob weiblich oder männlich) etwas vorgaukeln lassen was viel Luft enthält und der Realität fremd ist, scheissegal! Weiter so ihr gestandenen älteren weis(s)er Frauen.

  6. Sehr geehrter Herr Löcke, etwas mühsam ziehen Sie die alten weißen Frauen aus der Ecke. Doch die kollektive,globale,mediale Wut richtet sich gegen die alten weißen Männer. Dazu hätte ich nun viel zu sagen. Wie soll ich es anstellen? Nicht ,dass ich auf dieser kultivierten Seite mit einem Shitstorm zugeschmissen werde. …Mal diplomatisch so: Richten wir also global, alle Nationen und alle Geschlechter (auch alle der Transfanatiker) betreffend den Fokus auf alle, die nicht zu den alten weißen Männern zählen: Ist von denen Besserung für den desolaten Zustand der Menschheit zu erwarten.? Das Problem sind nicht die alten weißen Männer oder die fehlenden alten weißen Frauen oder die bunten jungen Männer( oder wie oder was?), das Problem sind Neid, Missgunst, Habgier, Machtgier, seit die Menschheit benannt wird, seit Adam und Eva (entstehender Geschlechterneid) und seit Kain und Abel. Akribisch aufgezeichnet und nachzulesen in all den Erzählungen der Bibel und in den Volksmärchen. Und weil das so ist, könnte es in absehbarer Zeit bald gar keinen mehr auf dem Globus geben, keinen alten weißen Mann und alle anderen auch nicht. Game over. Wir haben uns zu dumm angestellt. Lesenswerte Lektüre zum Rahmenthema-ich habe es schon einmal gesagt- ist”Der Wahnsinn der Massen” von Douglas Murray.
    Was ich persönlich als Frau an Männern schätze ,findet man in einem Film, dessen Name ich leider vergessen habe, er lief vor vielen Jahren im Kino. Eine Frau, die von ihrem ganzen Habitus her nicht mit dem Tango-Tanz in Verbindung zu bringen ist, möchte eben diesen lernen. Dann kommt also der Tangolehrer ins Spiel und das ganze Hin und Her beginnt. Sie besucht ihn eines Tages in seiner Wohnung, er ist gerade beim Kochen (Was wäre die Welt ohne kochende Männer?), putzt Salat und tänzelt also während der Unterhaltung mit dem Salatkopf im Tango-Schritt durch die Küche, springt plötzlich auf den Küchentisch, tänzelt weiter, wirft dabei den Salat in die Luft und fängt ihn wieder usw. Das Spielerische, Erfinderische, das Unerwartete, das Ausprobieren, habe ich so bei Frauen nie gesehen. Jedes Geschlecht hat seine eigenen Qualitäten. Im Buddhismus heißt es ja, dass der Vergleich mit allem und jedem die Wurzel allen Übels ist.
    By the way: Da Sie jetzt duschen wollten, werter Herr Löcke, ob nun kalt-wie es uns wohl die illustre Gesellschaft auf Sylt soeben vorgemacht hat- oder warm, ich kann wärmstens für das Duscheputzen den sechseckigen Bad-und Fensterreiniger von Vileda empfehlen (nein, ich bekomme kein Geld für Werbung). Ein sehr nützliches Gerät, von dem ich vermute, dass es ein alter weißer Mann ( wie alt er auch immer tatsächlich sein mag) erfunden hat, wie alle anderen Haushaltsgeräte auch, die von alten und jungen weißen und bunten Frauen tagtäglich gedankenlos benutz werden…………………………………

  7. Beim Lesen Ihrer Worten ist mir die ganze Zeit eine Gänsehaut über den Rücken gelaufen. (Komme auch schon in das Alter). Vielen Dank für die klaren Worte!

  8. “Etwas in Vergessenheit geraten ist”, dass es auch ganz andere, wichtigere Dinge im Leben gibt, denen man sich zuwenden kann, sogar im Jahr 2022.

  9. Sehr geehrter Herr Löcke, auch ich möchte mich Ihren Worten anschließen. Mein Dank und meine Hochachtung gilt ebenfalls den oben genannten mutigen und aufrechten Frauen. Danke für den Mut, danke für den Einsatz, danke für jedes offene Wort, mit dem Sie Widerstand bieten.

  10. auch ich möchte meinen Hut vor Alice Schwarzer, Bette Midler, Gloria von Thurn und Taxis, Elke Heidenreich, Ulrike Guérot und Lisa Fitz ziehen. Für mich gibt es da noch Christine Anderson als Mitglied des Europäischen Parlaments. Immer wenn es um irgendwelche Entscheidungen geht, ist sie diejenige einzige die sich für uns einsetzt. Sie hat Herzblut und vertritt unsere Grundrechte. Ich habe keine Ahnung wo sie soviel Stärke hernimmt um sich vor soviel Irrsinn zu stemmen. Und, was ich ihr sehr hoch anrechne, dass sie sich noch nicht hat kaufen, einschüchtern lassen. Alles Frauen aus meiner Generation. “Wir” haben gesehen was passiert ist, bzw. über unsere Eltern direkt Geschichte erfahren. “Wir” die Nachkriegskinder wissen, dass Krieg niemals Frieden bedeutet. Und wir wissen, dass man einer Staatspropaganda nicht trauen kann. Niemals hätte ich gedacht, dass unsere Medien es fertigbringen uns derart zu verarschen. Ja, so ein bisschen in eine Richtung zu koordinieren, aber unter dem Deckmantel “Demokratie und Freiheit” uns der Demokratie und Freiheit zu berauben, finde ich nun schon, um es mal kleinlaut auszudrücken, (suche nach dem entsprechenden Wort….., finde leider keins.., ) scheiße ( hoffentlich lässt mich dieses Wort der club der klaren Worte, und des feinsinnigen Dialogs durchgehen). Danke Peter für den wieder sehr guten Kommentar. Eva

  11. Ich wünschte, ich könnte meine Gedanken und Emotionen ebenfalls so gekonnt platzieren und es jeden Tag in die Welt hinausschicken… aber GENAU deswegen bin ich ja hier, weil Sie das hier viel besser können!

    Vielen Dank (ganz ohne Neid und Sarkasmus ) für Ihr tun und Schaffen! Bleiben Sie uns sehr lange und sehr gesund erhalten – bis zum nächsten Mal!

  12. Sehr schön. Nicht alle alten Weiss*Innen sind Freund*Innen solcher klarer Worte, aber in unserer Wohnung sind es zwei, also totalitäre 100 Prozent.

  13. Herr Löcke, ich sollte Ihnen danken und das tue ich auch, hiermit, DANKE. Und ich sehe Licht am Ende der Verrufung. Im nächsten Jahr wird sich keine Gebärmuttertragende, kein (potentieller) Samenspender und auch keine weiteren Varianten mit und ohne Transhumanismusgen für alte weiße Frauen und alte weiße Männer interessieren. Die wenigen noch lebenden Exemplare werden wörtlich totgeschwiegen. Um unerwartetem “Besuch” vorzubeugen, folgt keine Begründung meiner Aussage. Gott segne uns alle.

  14. Schließe mich zu 100% in jedem geäußerten Wort Ihrem Artikel an! Haben Sie recht herzlichen Dank, diese ‘jung gebliebenen’ und sehr ‘weisen’ Frauen hier indirekt zu Wort kommen zu lassen.

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