von Peter Löcke //
Behind the Scenes! Hinter den Kulissen!
Mich interessieren die Hintergrundgeschichten, das Ironische, Verborgene und Skurrile. Mich interessiert das weggeworfene Filmmaterial, auch Outtakes genannt. Vor allem bei kleinen Dingen, die man erst auf dem zweiten Blick erkennt, handelt es sich nicht selten um Großartiges.
Kennen Sie das? Sie schauen sich ein uraltes Familienfoto an und nehmen erst bei der hundertsten Betrachtung ein wichtiges Detail im Hintergrund wahr. Oder Sie genießen zum xten Mal einen alten Filmklassiker und lachen erst da über eine Pointe, die Ihnen zuvor verborgen blieb. Was für Fotos und Filme gilt, gilt erst Recht für Nachrichten. Der Mensch betrachtet eine Meldung, empört sich kurz und schon springt er zum nächsten Skandal, um sich erneut zu empören.
In der heutigen Kolumne soll es um drei Nachrichten der vergangenen Woche gehen. Statt einem empörten Springen lade ich zum verweilenden Kratzen an der Oberfläche der Meldungen ein. Es folgt ein „Behind the News“ mit interessanten Outtakes und Hintergrundgeschichten.
Haben die etwa gekokst? Hat Emmanuel Macron da peinlich berührt ein Drogentütchen vom edlen Schreibtisch im Kommando-Abteil des Bravery Express verschwinden lassen oder war es nur ein Papiertaschentuch? Nichts könnte mir unwichtiger sein. Das wirklich Wichtige der Szenerie war, dass für den TV-Zuschauer im heimischen Wohnzimmer ein James-Bond-Film inszeniert wurde. Der Plot der Regie? Begleiten Sie die drei Doppel-Null-Agenten Merz, Macron & Starmer in geheimer Mission gen Kiew! Kamera läuft! Bravery Express heißt übrigens übersetzt Tapferkeits-Zug. Mit einem herkömmlichen ICE reist kein Filmheld an. Wie dem auch sei. Es war wohl in der Tat nur ein benutztes Papiertaschentuch, wobei ich mich schon frage, warum der zu teuren Luxusartikeln neigende mächtigste Mensch Frankreichs in ein 10-Cent-Produkt niest und nicht in ein Seidentuch. Schluss mit den Verschwörungstheorien! Selbstverständlich würden sich machtberauschte Menschen niemals beim Kokainrausch erwischen lassen. Das wäre ja so, als wenn ein designierter Bundestrainer der Fußball-Nationalmannschaft zum Beweis seiner Kokain-Unschuld freiwillig (!) eine Haarprobe abgibt und diese Haarprobe dann zur Überraschung aller Deutschen positiv ausfällt. Das halte ich für ausgeschlossen. Merz, Macron & Starmer ziehen lediglich eine offensive Kampflinie, was den Krieg in der Ukraine angeht. Mehr nicht. Punkt.
Vom Koksen zum Doxen. Was hat sich der ebenfalls linientreue Jan Böhmermann nur dabei gedacht, einen hinter einem Clowns-Avatar auftretenden YouTuber an den öffentlichen Pranger zu stellen, indem er privateste Dinge veröffentlicht und letztendlich so den Klarnamen preisgibt? Nicht viel, wenn Sie mich fragen. Der Satiriker, der keiner ist, der TV-Moderator, der nicht moderieren kann, liest Texte vom Teleprompter ab und zieht dabei Grimassen. Das ist sein gutbezahlter Job. Die eigentlichen Ideen, die Konzepte und Gags, stammen von seinen Autoren. Diese Autoren möchten selbstverständlich nicht gedoxt werden, was ich begrüße und im Gegensatz zu Jan Böhmermann niemals machen würde. Daher nenne ich nur die Künstlernamen. Ein früherer Böhmermann-Autor nannte sich Conny Runner [1]. Amüsant finde ich, dass sich besagter Conny einst selbst als Clown verkleidete und so kostümiert der AfD-Politikerin Beatrix von Storch eine Torte ins Gesicht drückte [2]. Das fand ganz Deutschland witzig. Wie witzig es ganz Deutschland wohl finden würde, wenn der von Böhmermann geoutete Clown Robert Habeck mit einer Torte attackiert? Vermutlich Knast statt Karrieresprung. Conny Runner – nie gehört? Das verstehe ich. Besser bekannt ist Böhmermanns ehemaliger Gagschreiber unter dem Namen Jean Peters. Unter diesem Pseudonym schrieb er für Correctiv das Theaterstück „Geheimplan gegen Deutschland“. Sie sehen? Das Phänomen Projektion ist weit verbreitet. Dafür muss man kein psychologischer Gutachter sein.
Apropos Gutachten! Das geheime Geheimgutachten des Verfassungsschutzes, über das seit Wochen jeder Mensch spricht, das ach so geheime Gutachten, aus dem der Spiegel bereits vor einer Woche auszugsweise zitierte, liegt nun endlich in Gänze vor. Cicero und Nius sei gedankt [3]! Ist die AfD gesichert rechtsextrem? Über diese Frage kann sich nun jeder Bürger auf 1108 Seiten ein eigenes Urteil bilden. Spontan gesichert ist nur, dass Nancy Faesers Begründung, warum sie das Gutachten nicht proaktiv veröffentliche, dreist gelogen war. Es ging nie um Quellenschutz. Anders als bei der Causa Böhmermann werden im gesamten Dokument weder Klarnamen von VS-Mitarbeitern gedoxt noch werden dort andere sensible Daten veröffentlicht. Und behind the news? Dafür muss ich mit der Kirche ums Dorf fahren.
Haben Sie mal einen Einband aus dem Bücherregal geholt, diesen aufgeklappt, auf den Kopierer gelegt, um eine Seite oder Doppelseite zu kopieren oder zu scannen? Das sieht schrecklich aus wegen der Schatten auf dem Bundsteg. Beim Bundsteg handelt es sich um diesen unbedruckten leeren Raum zwischen Text und Symmetrieachse des Buches. Wenn man Pech hat, also bei besonders dicken Büchern und bei wenig Leerraum, reichen die Schatten beim Digitalisieren eines Buches sogar bis in den Textbereich hinein. Genau das ist beim Leak des Gutachtens über die AfD passiert. Das Positive an dieser Information ist die Erkenntnis, dass das 1108 Seiten lange geheime Geheimgutachten bereits in klebegebundener Form existiert. Ob als Hardcover oder Softcover und in welcher Auflage, ob der Präsident des Verfassungsschutzes der Bundesdruckerei bereits einen Auftrag erteilt hat, das Geheimgutachten millionenfach zu drucken, damit es in Schulen und an Universitäten ausgelegt wird – das übersteigt mein Wissen.
Das weiß nur der Präsident des Verfassungsschutzes selbst. Wobei? Deutschland hat keinen Präsidenten des Verfassungsschutzes, seitdem Thomas Haldenwang am 13. November 2024 zurücktrat. Der Posten ist seit über einem halben Jahr vakant. Das finde ich seltsam, weil wiederholt verkündet wurde, zeitnah einen Nachfolger finden zu müssen. So sagte die ehemalige Innenministerin Nancy Faeser am 18.11.2024:
„Ich werde über die Nachfolge von Thomas Haldenwang im Amt des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz so schnell wie möglich entscheiden. Und das bedeutet: vor der Bundestagswahl und möglichst noch in diesem Jahr. Denn ich halte es nicht für verantwortbar, dass wir das Amt in diesen Zeiten mit so großen Bedrohungen für unsere innere Sicherheit über eine längere Zeit nicht besetzen.“ [4]
Auch das sieht man erst auf dem zweiten Blick. Auch diese Lüge steht behind the news.
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