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Brot & Spiele

von Bartender B. Stehle //

Endlich wieder Olympia. Und dann auch noch in der Stadt der Liebe. Aus gegebenem Anlass beginnt das heutige Bargespräch mit einem Verweis auf den Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt, der einmal vermerkte: „Ein Tier spielt wirklich nur dann, wenn es satt, nicht durstig und auch sonst von keinen anderen Aufgaben in Anspruch genommen wird.“

Nun ist bekannt, dass das Spielen bei allen Säugetieren wichtige Funktionen erfüllt und in der emotionalen und kognitiven Entwicklung eine bedeutende Rolle einnimmt.

Dies schließt Homo Sapiens mit ein. Aber, und dies trifft in dieser Form wahrscheinlich nur auf den Menschen zu: angeborene Attribute, die dem Individuum inhärent sind, können auf gesellschaftlicher Ebene eine gänzlich andere Bedeutung erlangen. Anders ausgedrückt, kann eine wichtige biologische Funktion zusätzlich eine sozial-konstruierte Dimension einnehmen. Eine neutrale Feststellung.

Das Problem mit dem Brot und den Spielen ist allseits bekannt, wenn auch nicht gebannt. Wie sieht es aber mit dem Mehrwert aus? Veranstaltungen dieser Art haben eine verbindende Eigenschaft. In Zeiten der Polarisierung und der Verwerfungen ist es für das Nervensystem heilsam, sich seinen Mitmenschen nahe zu fühlen und Dispute ruhen zu lassen. Doris Kearns Goodwin, die große Biographin amerikanischer Präsidenten, erzählte einmal anekdotisch, dass Gespräche über Baseball zuweilen die einzige Brücke darstellen, um noch einvernehmlich mit den Menschen aus dem anderen Lager sprechen zu können und die Gemüter zu beruhigen. Wenn diese gemeinsamen, beseelten Momente als Nährboden für eine weiterführende Verständigung dienen, ist das sehr zu begrüßen. Hierin läge ein großes Potential. In Wahrheit sind es wohl eher flüchtige und oberflächliche Erheiterungen, die nicht nachhaltiger Natur sind.

Obwohl unsere Bar als Oase fungierte und auch währende der EM in Deutschland, kein public viewing angeboten wurde, war das Ereignis allgegenwärtig. Gespräche und Kommentare wurden zwangsläufig aufgeschnappt. So merkt ein Gast an, Ronaldo dränge sich fast auf, Chuck Norris ́ Nachfolge anzutreten. Schelmisches Grinsen, gefolgt vom ersten Ronaldo-Witz: Glaubt Ronaldo an Gott? Verheißungsvolle Pause. Natürlich glaubt er an sich, sonst wäre er nie so weit gekommen. Es ist gut, dass das Turnier vorbei ist. Wahrscheinlich greift es zu kurz, sportliche Großveranstaltungen an sich zu verdammen. Entlastungen sind wichtig. Sportliche Leistungen können motivieren und inspirieren. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl, national wie international, ist wünschenswert. Diese positiven Dinge sollten aber nicht überbewertet werden. Ein derartiges Großereignis sollte den Stellenwert haben, der ihm zusteht. Und hierin liegt das eigentliche Problem. Nicht die Sache an sich ist beklagenswert, sondern die ihr zugesprochene Relevanz. Die Inbrunst, die Energie und die Emotionen, die hierbei aufgebracht werden. Auch die Ressourcen. Dieser Mangel an Verhältnismäßigkeit ist das eigentlich Anstößige solcher Großereignisse. Oder wie ein Gast fragte, nachdem er sich über die nicht vorhandenen Fernsehgeräte freute: wieso verausgaben wir uns so für das Unwichtige, während die größten Schweinereien beinahe unbemerkt vor unseren Augen passieren können? Dies mag eine Weile gut gehen, wird aber unumgänglich Konsequenzen haben, wie alles im Leben.

In gewisser Weise handelt es sich bei dieser Form des Verausgabens um Prokrastination. Sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene. Weil es alle tun, fühlt es sich normal an. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, dies zu erkennen und sich neu auszurichten, anstatt sich dem Spiel der Anderen hinzugeben.

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