Innenansichten

von Sebastian Reinhardt//

Saßen Sie schon einmal in einem Oldtimer oder haben Sie das große Glück, einen zu besitzen? Wenn Ihre Antwort nun “Ja” lautet, dann ist es Ihnen schon aufgefallen, oder? Die subjektive Wahrnehmung hat es Ihnen vermittelt. Das Gefühl von Qualität! Warum ist das so? Nun, früher wurde das gesamte Automobil nicht nur mit Leidenschaft, sondern auch mit sehr viel Handwerkskunst und Finesse hergestellt.

Was nach Holz aussah, das war es auch. Oftmals massiv, des Öfteren die edelsten Furniere dieser Welt. Bei nächster Gelegenheit schauen Sie sich diese Furniere mal genauer an.
Es war und ist eine unglaubliche Handwerkskunst, die sehr viel Fingerspitzengefühl und ein hervorragendes Auge verlangt. So sind die meisten von ihnen an einer Stelle im Innenraum gespiegelt, was dem geneigten Betrachter den Eindruck eines gesamtheitlichen Bildes verschafft. Denn Farbe und Maserungen beziehen sich nicht nur auf ein Bauteil, sondern auch auf die angrenzenden Bauteile weiter.
Auch was strahlend glänzt, ist noch Metall, kein mit chemischen Dämpfen bearbeiteter Kunststoff.

Generell ist der Kunststoff als solcher in so gut wie keinem klassischen Auto zu finden. Das lag zum einen an den industriellen Möglichkeiten, die bei weitem noch nicht so ausgereift waren, wie sie es heute sind. Zum anderen glaubte man damals, dass ein Kunde, der Geld ausgibt für den Erwerb eines Automobils, immer das Beste im Rahmen seiner Möglichkeiten bekommen soll. Aber da sprachen wir auch noch von Automobilfirmen und nicht von Konzernen, die darauf bedacht sind, jedes Jahr wie ein Uhrwerk einen zweistelligen Bilanzgewinn zu erzielen, gerne auch auf den Schultern ihre Kunden.
Aber kommen wir zurück zu dem, was Leidenschaft ausmacht. Die Leidenschaft für einen Klassiker ist zu großen Bestandteilen durch den Eindruck im Inneren geprägt. Wir setzen uns auf weiches Leder.

Unsere Hände umfassen ein warmes Holzlenkrad. Der Wählhebel, er ist noch massiv und lässt sich präzise führen.

Wir blicken uns um, richtige Glühbirnen werfen unseren Innenraum in ein warmes und gemütliches Licht. Unsere Füße stellen wir auf weiche Schafwoll-Teppiche. Unsere Hand gleitet den Dachhimmel entlang, bis hin zu den Sonnenblenden. Alles ist ebenfalls auch aus feinster Wolle oder, je nach Hersteller, sogar aus Kaschmir gefertigt. Widmen wir uns nun dem Material, auf dem wir die meiste Zeit in einem Auto verbringen, dem Leder.

Dies war damals und ist bis heute eine der edelsten Formen des Bezugsmaterials in einem Automobil.

Wer damals das beste Leder haben wollte, für den gab es nur eine Adresse. Eine kleine englische Firma, noch aus dem 19. Jahrhundert stammend, spezialisierte sich schon früh auf die Herstellung, die Veredelung und den Vertrieb des besten Leders, das man in einem Auto bekommen konnte.

Die Firma Connolly war einst Zulieferer der wirklich großen, der wirklich edlen Marken. Von Aston Martin, Rolls-Royce, Bentley über Jaguar, Maserati und Lincoln bis hin zu Ferrari. Jeder wollte für seine Kunden das beste Leder bekommen.

Wer schon einmal in einem Automobil der obigen Marken saß, wird feststellen, dass einem beim Öffnen der Tür eine ganz eigene Duftnote begrüßt. Dies ist zu großen Teilen eine der besonderen Eigenschaften des Connolly Leders.

Ein schwerer Duft, eine Mischung aus altem Salon und warmen Holz. Ein Duft, der für Kenner nach Qualität riecht. Aber es war nicht nur der Geruch, der das Leder ausmachte. Gerade die Qualität, die Stärke als auch die besonderen färbe-/ beziehungsweise Gerbeverfahren waren es, die Connolly Leder bis zum Ende der Produktionszeit als eines der wertvollsten Interior-Materialien dieser Welt machten.

Leider wurde zum Millennium die Produktion dieses feinen, einstmals hochgeschätzten Materials eingestellt und nur zwei Jahre später meldete die Firma Insolvenz an.

Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Produkten war zu sehr zurückgegangen. Es ist vielleicht nicht ganz richtig, nur den Herstellern die Schuld zu geben, denn am Ende wird
das Angebot immer durch die Nachfrage geregelt.

Aber keine Sorge, sollten Sie auf der Suche nach dieser Qualität sein oder sollte das Leder in Ihrem geliebten Klassiker die Zeit nicht so gut überstanden haben wie Sie, so kann ich ihn Trost
spenden. Die Firma Connolly wurde nach Zwischenverkauf von einem Familienmitglied zurück erworben und besteht heutzutage weiter in mittlerweile vierte Generation.

Das Wundervolle daran ist der Bezug auf die eigene Tradition. Nicht nur, dass sie nach wie vor einige der besten Leder liefern, die auf dem Markt verfügbar sind, sondern auch, dass das hauseigene Archiv noch vollumfänglich vorhanden ist. Es umfasst abgesehen von einer Reihe persönlicher Briefe und Notizen von Größen der Automobilwelt, wie zum Beispiel Sir William Lyons, noch unzählige Leder-Farbmuster.

So kann auch heute noch anhand der original Leder-Nummer die passende Farbe im Archiv herausgesucht werden und dem Kunden in gewohnter Qualität neu geliefert werden. Dies ist in Zeiten, in den Restaurationen von hochwertigen Autos und Originalgetreue einen hohen Stellenwert haben, ein fast schon unfassbarer Service.

Persönlich, so kann ich sagen, bin ich mehr als erfreut, dass eine weitere Firma ihr Produkt liebt und die Arbeit, die dahinter steht, auch in vollem Umfang verkörpert.
Leder als Bezugsmaterial war aber nicht immer die teuerste oder hochwertigste Option, die Kunden ordern konnten. Historisch gesehen, aus der Ausstattung der Kutschen kommend, zog es
auch in die ersten automobilen Zeiten ein, dass Fahrer und Beifahrersitz mit Leder bezogen waren. Während die hinteren Fahrgäste sich auf weichen, mit warmem Wollstoff bezogen Sitzen niederlassen konnten.
Dies ist natürlich auch etwas dem Umstand geschuldet, dass früher Autos noch mehr Ähnlichkeit zur Kutsche hatten, als zum uns bekannten Automobil.
Rolls-Royce hat diese Art des Karosseriebaus noch länger beibehalten und somit auch den Mix der Ausstattungsqualität. Erinnern Sie sich noch an James Bond “Goldfinger”, in dem Auric
Goldfinger in den geschlossenen Fahrgastraum einstieg, während sein treuer Oddjob, das Steuer unter freiem Himmel führte.
Aber auch in späteren Jahren war es nicht immer die Lederausstattung, die auf Preislisten oben
thronte, sondern der gerade in den siebziger und achtziger Jahren das beliebte Velours.
Heute sind wir in Zeiten angekommen, in der Automobilhersteller, hauptsächlich auch aus
Marketing-Gründen, vegetarische oder vegane Innenausstattung an anbieten. Nicht preisgebend, dass es sich hierbei fast ausschließlich um Raffinerie-Produkte handelt, aber Hauptsache der Kunde hat ein gutes Gefühl. So hoffe ich, dass es Ihnen so ergeht wie mir und Sie sich bald wieder in das herrlich duftende, kräftige und umschmeichelnde Leder ihres Klassikers sinken lassen können, das die Zeiten der politischen Marotten, die Pfennigfuchserei und Marketing-Genies wohl überstanden hat. Hoffentlich auch noch lange Bestand haben wird.

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2 Antworten

  1. Ich betrete die Garage und freue mich über den Anblick. Ein schönes Heck – das Heck eines Autos ist der am schwierigsten zu gestaltende Teil -, das wunderbare mitternachtsblau, die polierten Chromleisten zeichnen die gelungen Form nach. Das Auto hat noch eine schöne Form und es hat ein Gesicht. Eines, das der Hand eines Künsterls entsprang und nicht der von irgendwelchen Windkanälen und Lufwiderstandsbrechnungen. Die markante Front mit dem verchromten Kühlergrill und vier Scheinwerfern, unverwechselbar, mein Wagen, er wartet auf mich. Satt schließt sich die Tür. Helles Leder in bequemen Sitzen, Wurzelholz, schön gezeichnete Instrumente. Einen Moment lange erinnere ich mich an meinen schon lange verstorbenen Vater, wie er sagte: “Schön, einfach schön.” und wie er mit der Hand das polierte Holz berührte.
    Wird er anspringen? Dreht der Anlasser nicht schon allzu lang? Doch, mit einem mal, alle Zylinder scheinen gleichzeitig zum Leben zu erwachen. Nun, langsam drehend mit sonor tiefem Klang wie ein Riva-Boot wartet mein fahrbarer Clubsessel auf meine Befehle. Ich liebe mein Auto.

  2. Seit Ende 1990 hatte ich über viele Jahre immer wieder die Freude, in dem ein oder anderen Straßenkreuzer zu sitzen. Trotz vieler Schwierigkeiten, sie haben sie immer wieder zum Laufen gebracht – bis heute. Ich spreche von den “Schiffen” auf Cubas Straßen. Mir kamen sie nach Trabi und Co wie Schiffe vor.

    Danke, daß Sie mich mit der Frage “Saßen Sie schon einmal in einem Oldtimer…” an diese schönen Momente erinnert haben. 🙂

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