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Der Tod im Gemüsefeld

von Markus Langemann

Aufgeklärte Geister in unserer Gesellschaft nehmen seit Monaten das Sterben von Intellekt, Vernunft, Respekt, von Anstand und auch Wohlstand wahr. Die Idee von Einigkeit und Recht und Freiheit, die von Fallersleben wider die Fürstenwillkür beschwor, wird nunmehr fürstlich von den 700 kognitiv extrem herausgeforderten Volksvertretern im Reichstagsgebäude versenkt. Nachhaltig, wie mir scheint. Ah ja, wir alle zahlen das auch noch.
In meinen finsteren Stunden der Betrachtung des politisch-ideologischen Komplexes in Deutschland fühlte es sich an wie die Horde der 700 gegen die 83 Millionen. Friedfertigkeit und Verteidigungsbereitschaft, Rechtsstaatlichkeit, Innovationskraft, Finanzwesen, Gesundheitswesen, Energiewende, Diplomatie, you name it … Alles gerät ins Rutschen, der Rest ist schon in Schieflage.

An diesem Sonntag verbreitet gar der „Man in Black“ (CDU) von BlackRock den Blackout im Winter: Friedrich Merz, immerhin Bundesvorsitzender einer ehemaligen Volkspartei, macht sich Sorgen und anderen Angst vor der drohenden Dystopie. Als Kind habe ich mich mich in der Geisterbahn gefürchtet. Es waren immer diese durchsichtigen, wabernden grünen gruseligen Figuren, die mir Angst machten. Heute erstreckt sich die Geisterbahn von Geesthacht bis Garmisch auch bei Tageslicht. Der SPD-Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern Till Backhaus pointierte vor ein paar Tagen „Früher waren Dick und Doof zwei Personen“ über die Bundesvorsitzende der Grünen. Der Shitstorm ist trotz wahrer Worte Legion.

Das bringt mich zu dem Thema, auf das ich Sie in diesem Beitrag unbedingt aufmerksam machen möchte. Das Leiden der Landwirte, die uns ernähren, und der Tod im und aus dem Gemüsefeld.
Nichts sollte uns eigentlich wichtiger sein als die Nahrung, die wir täglich zu uns nehmen müssen. Woher kommt
sie? Wer produziert sie? Was kostet sie? Diese Frage ist existenzieller als die Frage danach, wann Ihr E-Auto wieder an die Steckdose muss, denn Lebensmittel wachsen nicht in Rewe-Regalen.

In Frankreich und der Schweiz werden Statistiken über die Selbstmordraten von Landwirten geführt. In Deutschland gibt es solche Studien bisher nicht. Und dennoch ist die Situation vieler Landwirte in diesem Land ebenfalls ein Drama. Die Landwirtschaft stirbt. Und manchmal in ihr der Landwirt.

Die Autorin und Journalistin Antje Maly-Samiralow hat für den Club der klaren Worte ein wichtiges Interview mit einer Landwirtin geführt. Aus verständlichen Gründen ist deren Name anonymisiert, deshalb veröffentlichen wir das Interview ausschließlich in Textform. Sie können es hier lesen, downloaden und (als PDF) auch gern weiterreichen.

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6 Antworten

  1. Es betrübt mich, dass unsere Bauern so behandelt werden und kostbares Essen regelmäßig untergepflügt werden muss.
    Es fällt mir aber auch schwer in Dimensionen von 100.000 Kohlrabi pro ha zu denken, bei 170 ha Anbaufläche. Dies sind Massenanbau-Systeme, die niemals dem Boden und einem ökologischen Umgang damit gerecht werden können.
    Seit 1 Jahr bin ich nun wieder in eine Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) eingestiegen. Eine junge Gruppe bewirtschaftet seit bald 10 Jahren einen Hof und beliefert 1x/ Wiche 3 Standorte in Berlin mit regionalem, saisonalem (unzertifiziertem) BioGemüse.
    Dort wiegen wir das Gemüse ab, alle 6 Wochen ist eine der Kleingruppen dran.
    Ich zahle 50€ pro Monat, für einen halben Ernteanteil, egal was kommt und egal wieviel. Das ist das solidarische daran.
    Bis jetzt war es immer mehr als genug.
    Der MindestPreis wird vorher vom Hof vorgegeben und die Mitglieder nennen ihr Höchstgebot. So kommen wir zusammen, ohne Zwischenhändler, ohne Supermarkt-Kette, ohne Lager. Fair und gesund.
    Fühlt sich jede Woche mega gut an.
    Und… ich esse im Winter tatsächlich das Gemüse von hier.

    Mit solidarischen Grüßen
    L. Heinrich aus Berlin

  2. Zufall oder Logarithmen? Ich lese die Einleitung von Markus Langemann, das spannende Interview (Kompliment an Antje Maly-Samiralow), schaue mir außerdem das Video an. Thema des Interviews war unter anderem die Marktmacht von Handelsriesen wie der Schwarz-Gruppe, Besitzer von Lidl und Kaufland. Zu meiner Schande: Ich wusste gar nicht, wer genau hinter den beiden Discountern steckt.
    Kurz danach wird mir ein Artikel vorgeschlagen von der WirtschaftsWoche. Titel: “Die sechs Erfolgsgeheimnisse des Lidl-Königs”. In dem Artikel geht es um einen gewissen Dieter Schwarz. Reichster Mann Deutschlands, geschätztes Vermögen 47,2 Milliarden US-Dollar lt. Forbes.
    Die Erfolgsgeheimnisse des Lidl-Königs? Was wohl die Hanna Bauers in Deutschland, Holland, Frankreich etc. fühlen beim Lesen einer solchen Überschrift? Vermutlich fühlt es sich wie der blanke Hohn, wie ein Schlag ins Gesicht an.

  3. Der Lebensmitteleinzelhandel ist beherrscht von einigen wenigen, die sich grundsätzlich einig zu sein scheinen. Kartellamt? Nur bei schönem Wetter. Die Verbraucher stiegen ins Auto, TDI?, und holten sich die Schnäppchen bis der Laden vor Ort zumachte, der TDI war auch so teuer, dass der Durchschnittsfahrer den hohen Preis durch seine wenigen Kilometer nie wieder eingefahren hat. Milchmädchen Mathematik. Die konventionelle Landwirtschaft kommt durch die aktuellen Preisschübe bei synthetischen Düngemitteln, Unkrautvernichtungsmitteln und Dieselpreisen an ihre Grenzen. Die Belastungen von Grundwasser und Boden sind alles andere als nachhaltig. Wissenschaftler wie Allan Savory (Lit.: „Holistic Managment“) und viele andere entwickeln Formen von regenerativer Land- und Forstwirtschaft, die das Potential haben die Steigerung der CO2 Konzentration in der Erdatmosphäre umzukehren. Deren Produkte sind dann auch Lebensmittel und nicht nur Nahrungsmittel, da sie eine ganz andere Qualität haben. Mit einer entsprechenden Mischung von tierischen und pflanzlichen Nahrungsmittel sollte auch unter Biobedingungen eine weitgehend vollständige Nahrungsmittelversorgung innerhalb der Europäischen Union bzw. in Deutschland möglich sein. Dagegen gibt es starke Lobbyarbeit der Pharma- und Chemiekonzerne, die Pflanzenschutzmittel, Kunstdünger und die in der Massentierhaltung massenweise benötigten Tierarzneimittel und Impfstoffe unter die Leute bringen wollen. Alles zu unserem Besten, versteht sich.

  4. Das Interview ist sehr interessant und die Lage der Gemüsebauern – wie allgemein in der gesamten Landwirtschaft – ist sehr bedauerlich, dennoch ist es immer ratsam, sich die gesamte Sachlage in einem Wirtschaftsbereich, hier: Gemüseanbau, vollständig anzuschauen und sachlich und nüchtern zu beleuchten.
    Wie bei Fortbewegungsmitteln, zwischen Fahrrädern, Rollern, Motorrädern, KFZs, LKWs, Zügen, Kränen, Baggern, etc. große Unterschiede bestehen, so auch bei Lebensmitteln. Es gibt Milchbauern, Käsebauern, Gemüsebauern, Fleischbauern, Biobauern, Obstbauern, Weinbauern, Schnapsbauern, etc. Sie stehen alle mit anderen Produzenten ihrer konkreten Branche/Produktherstellung, in stetem Wettbewerb.
    Freier Wettbewerb und Vertragsfreiheit sind grundsätzlich richtig und wichtig, da sich alle Wettbewerber an den Bedürfnissen der Kunden orientieren müssen und an höchstmöglicher Qualität und adäquaten Preisen für ihre Produkte ein großes Interesse haben, wie auch an gewinnbringender Unternehmung, was einen verantwortungsbewussten Umgang mit allen Produktionsmitteln erfordert.
    Wenn in einem freien Markt ein Produkt, z.B. das Gemüse der interviewten Bäuerin, nicht mehr viel nachgefragt werden würde, weil sich die Bedürfnisse der Kunden verändert haben, z.B. hin zu mehr Fleischprodukten oder anderen Gemüsesorten, welche diese Bäuerin nicht anbaut, so wäre die Bäuerin angehalten, entweder auf andere, mehr nachgefragte Güterproduktionen umzusteigen, sich zu verändern und dem Markt, den Bedürfnissen der Kunden anzupassen oder mit Verlust zu arbeiten und aus dem Markt früher oder später auszuscheiden. Das wäre ein natürlicher Marktprozess. Wie auch die Autos und Lokomotiven einst die Pferde und Pferdekutschen vom Markt verdrängt haben, weil sich die Bedürfnisse der Kunden verändert haben, so wäre das bei einem natürlichen Marktprozess, in diesem Fall der Gemüsebäuerin, auch.
    Die Frage ist also, ob ein natürlicher Marktprozess stattfindet oder nicht.
    Diese Frage hat die Gemüsebäuerin selbst beantwortet und ist auch jedem Menschen bekannt. Es liegt keinesfalls ein rein natürlicher Marktprozess vor. Es mag sein, dass der Bedarf an Gemüse oder diesen speziellen Gemüsesorten rückläufig ist, jedoch spielen hier andere, weitaus gravierendere Faktoren eine Schlüsselrolle und zwar die Staatsinterventionen.
    Steuern, Abgaben, Lohnvorgaben für Mitarbeiter, Anbauvorgaben, Regularien, Vorschriften, Bestimmungen, etc. etc. Die Liste ist endlos. In wie weit die Gemüsebäuerin vom Staat Subventionen erhält, ist mir nicht bekannt, da nicht erwähnt.
    Durch den globalen Handel, der den Wohlstand aller Menschen erhöht, ist unnatürlicher, unlauter Wettbewerb jedoch weltweit gegeben, da die Welt in Staaten aufgeteilt ist. Jeder Staat erhebt nicht nur andere Steuern und Abgaben, andere Ge- und Verbote, Regularien, Vorschriften, Bestimmungen, etc., was den Unternehmern, die in Staaten leben mit weniger aggressiven Akteuren, einen Vorteil verschafft, gegenüber allen anderen Unternehmern in Staaten, in denen die Unternehmer an einer engen und kurzen (Staats)Kette liegen und zugeschüttet werden mit unzähligen Ge- und Verboten, Vorschriften, Regularien, Bestimmungen, etc.. Hier spielen zusätzliche unterschiedliche Knebelungen der Unternehmer in bestimmten Staaten durch Verträge, Bündnisse, Pakte, etc. des jeweiligen Staates mit NGO`s wie der EU, EZB, UNO, UNHCR, WWF, IWF, etc., die es ebenfalls zu berücksichtigen gilt.

    Wie es um die Gemüsebäuerin in einer wirklich freien Marktwirtschaft, ohne Staatseingriffe, bestellt wäre, kann daher nicht abschließend beantwortet und geklärt werden. Das Deutschland durch die zunehmenden und immer verrückteren und aggressiveren Staatsinterventionen mittlerweile im internationalen Markt grundsätzlich keine Chance mehr hat, dürfte allen klar sein.

    Mit freundlichen Grüßen
    G. Schmidt

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