Die Ferienprofis aus dem Bundestag

von Peter Löcke //

Ferien und Freizeit haben wie einst als Kind. Manchmal wünsche ich mir diese Zeit zurück. Als Schüler hatte man die ewig langen Sommerferien, die Herbst- und Winterferien, danach die Osterferien. Auch als Student kommt man in den Genuss von Ferien. Die heißen dann Semesterferien. Selbst an die Ferienjobs als Alternative zu TV-Ferienprogramm und Ferienlager des Fußballvereins erinnere ich mich gerne zurück. Nahezu unversteuertes Geld? Her damit! Um nebenbei Taschengeld oder BAFöG aufzubessern, nehmen Schüler und Studenten noch heute Ferienjobs an. 

Die Zeiten ändern sich. Und auch die Worte ändern sich. Als erwachsener Mensch heißt der Ferienjob dann Arbeit. Und aus den ewig langen Ferien wird der viel zu kurze Urlaub. In einem Arbeits- oder Tarifvertrag wird neben dem Gehalt und anderen Dingen auch der Urlaubsanspruch festgelegt. Der besteht in Deutschland bei einer 5-Tage-Woche aus mindestens 20 Tagen Urlaub. Das Ganze wurde im Bundesurlaubsgesetz aus dem Jahr 1963 so festgelegt [1]. In der Praxis erhält der deutsche Arbeitnehmer laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich über 30 Tage Urlaub [2]. Im Jahr 2023 etwa waren es exakt 31 Tage [2]. Selbstverständlich haben auch Beamte, dazu gehören Politiker, Anspruch auf ihren wohlverdienten Urlaub. Die 30 Tage Erholungsurlaub im öffentlichen Dienst werden juristisch festgezurrt im Urlaubsrecht. Noch genauer? Der Erholungsurlaub des politischen Beamten wird festgelegt im schönen deutschen Wort Erholungsurlaubsverordnung [3].

Soviel zum theoretischen Teil dieser Kolumne. Mich interessiert vor allem die Praxis. Worin genau besteht eigentlich die praktische Arbeit eines Berufspolitikers im deutschen Bundestag? Lässt sich seine Arbeitszeit bemessen und falls ja, wie? Nun. Der Berliner Homo Politicus hält sich im Parlament des Reichstags auf. Dort sitzt er in öffentlichen Bundestagsdebatten und nichtöffentlichen Ausschüssen. Dort diskutiert und debattiert er und trifft schwerwiegende Entscheidungen von nationaler Tragweite. Wie oft er das macht, verrät der Sitzungskalender auf der offiziellen Seite des deutschen Bundestages [4]. Von Januar bis einschließlich Juli 2025 sind laut diesem Kalender neun Sitzungswochen anberaumt, wobei die einzige Sitzungswoche im Februar aus nur zwei Tagen besteht (siehe auch Grafik Parlamentstermine).

42 Arbeitstage in sieben Monaten? Das klingt nach verdammt wenig. Zu Gute halten möchte ich dem Homo Politicus, dass er sich die restlichen Wochen im heimischen Wahlkreis aufhält und dort täglich das Gespräch mit den Bürgern sucht. Das durfte ich irgendwo lesen. Vielleicht nimmt er auch Presse- und TV-Termine wahr. Oder er dreht TikTok-Videos. Vielleicht macht er auch gar nichts. Nichts Genaues weiß man nicht. 

Ich möchte nicht ungerecht erscheinen. Der Fairness halber sei gesagt, dass man Menschen nicht nur nach der Arbeits-Zeit beurteilen sollte sondern vor allem nach der erbrachten Leistung. Und Leistung ist Arbeit geteilt durch Zeit. So habe ich es einst im Physikunterricht gelernt, der außerhalb meiner Ferienzeit stattfand. Wenn also ein Politiker als faul gilt, wenn also der Nenner des Bruches „Arbeitszeit“ gering ausfällt, ist seine erbrachte Leistung umso höher zu bewerten. Sie sehen? Ich betreibe kein oberflächliches Politiker-Bashing. Diesen Vorwurf verbitte ich mir. Mein Bashing ist nicht oberflächlich. 

Was mich ohnehin am meisten interessiert, ist – und das gilt nicht nur für Politiker – die innere Einstellung zur Arbeit. Wird die eigene Arbeit als Beruf, bestenfalls als Berufung, wahrgenommen oder als Job? Nimmt der Mensch sich Urlaub von der Arbeit oder geht er wie ein Kind in die Ferien? Ich gehe auf Berliner Spurensuche und werde fündig.

 „Letztendlich opfere ich auch meine eigene Jugend für diesen Job.“ [5] 

Als die grüne Abgeordnete Emilia Fester sich im Mai 2022 so gegenüber dem Spiegel äußerte, musste sie heftige Kritik einstecken angesichts ihres üppigen fünfstelligen Monatsgehalts bei gleichzeitiger überschaubarer fachlicher Qualifikation. An diesem Shitstorm habe ich mich nicht beteiligt. Viel interessanter fand ich Festers Wortwahl. Sie sprach von Jugend und Job. Als die „Jugendliche“ Emilia Fester das sagte, war sie bereits 24 Jahre alt. Zudem haben Studenten und Schüler einen Job, nicht aber Berufspolitiker. Festers eigentliches Problem bestand darin, dass es zu einem Studium mit einhergehenden Ferienjobs leider nicht reichte. Ihre Bewerbung auf einen Studienplatz an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg verlief erfolglos [6]. So musste Emilia zu Plan B greifen und sitzt deswegen notgedrungen im Bundestag. 

Wie dem auch sei. Als nun 26-jährige jugendliche Frau besitzt Emilia Fester immer noch Welpenschutz. Außerdem sagte sie im damaligen Spiegel-Interview, sie arbeite 80 Stunde die Woche. Das glaube ich ihr selbstverständlich. Nimmt man das als Maßstab, wie groß muss dann erst die Arbeitsbelastung für einen Minister sein? 42 Tage in sieben Monaten? Das Gegenteil ist der Fall. Der Stress ist von unmenschlicher Größe. Das Arbeitspensum eines verantwortlichen Ministers besteht aus einer Work-Life-Balance ohne Life und ohne Balance. Das ist belegbar. Siehe Robert Habeck.

„Seit zehn Tagen habe ich nicht mehr abgewaschen. Der Müll ist nicht rausgebracht. Die Milch ist alle. Heute Morgen habe ich Müsli mit Wasser gegessen, ohne Scheiß.“ [7]

Der Kanzler der Herzen ist ein Politiker, der heldenhaft an seine Grenzen geht bis zur Selbstaufgabe. Er schuftet so sehr, dass selbst die alltäglichen Dinge des Lebens liegenbleiben müssen. Zumindest äußerte er das im Dezember 2021 gegenüber dem Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen in einer für den WDR angefertigten Dokumentation. Das hat mich damals schwer beeindruckt. Ich würde das für keinen Arbeitgeber dieser Welt machen.

Umso mehr verwundert es mich drei Jahre später, wie und wann dieser Mensch, der 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche arbeitet, nebenbei ein Buch schreiben kann? Hat Habeck das während seiner Arbeitszeit getan oder in seinem wohlverdienten 30-Tage-Urlaub? Weder noch. Dankenswerterweise beantwortet der deutsche Wirtschaftsminister meine Frage auf seinem Youtube Kanal [8].

 „Den Bach rauf. So heißt das Buch, das ich in den letzten Sommerferien geschrieben habe und das in den nächsten Tagen erscheint.“ 

Das war ein Ferienjob. Robert Habeck schrieb das Buch in seinen Schulferien.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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7 Antworten

  1. …noch dazu hat man den Eindruck, daß bei öffentlichen/im Fernsehen übertragenen Bundestagsdebatten allenfalls die ersten beiden Reihen besetzt sind…ausgenommen die AfD-Fraktion…da haben unsere 42-Tage-Politiker wahrscheinlich eine wichtige Nebentätigkeit/Ferienjob?…

  2. Ein Aspekt fehlt noch in Ihrem Beitrag. Wenn sich der Politiker in seinem Wahlkreis aufhält, besucht er auch Veranstaltungen des Wahlkreises und der Städte und geniest kostenloses Essen und Trinken. Ob er es auch in den Spesen angibt, bleibt auch hier im Dunkeln.

  3. Ich kann mir kein Urteil über die tatsächliche Arbeitsbelastung von Abgeordneten im Bundestag machen, gebraucht wird sie scheinbar immer weniger. Die Ränge sind oft leer, gähnende Leere auf den Stühlen der Macht. Die Beschluss Vorlagen werden an den Abgeordneten vorbei zwischen Ministeriellen, Parteioberen und Lobbyisten verhandelt und dann von dem parlamentarischen Fußvolk entsprechend beschlossen. Ob das im Sinne der Väter und Mütter des Grundgesetzes ist, lasse ich mal dahin gestellt sein. Die galoppierende Bürokratisierung wird im Parlament beschlossen und wenn wir dort Abhilfe schaffen wollen, müssen wir nach Lösungen suchen, die das Übel an der Wurzel packen. Mein Vorschlag ist, die Zahl der Abgeordneten auf ein Drittel zu reduzieren und die Diäten zu verdreifachen. Am Ende eines Parlamentsjahres werden alle Parlamentarier durch ausgeloste Volljuristen in einem öffentlichen Verfahren geprüft, ob sie denn die Gesetze, die sie beschlossen haben, verstanden haben – diejenigen die hier neunzig Prozent erreichen, bekommen die vollen Bezüge, diejenigen, die fünfundsiebzig Prozent erreichen, zwei Drittel, alle anderen ein Drittel. Damit dürfte die überbordende Regelungswut ein Ende haben, gleichzeitig würden die Abgeordneten alle Gesetzesvorlagen eingehend studieren statt diese einfach abzunicken. Die Zahl der neuen Gesetze wäre auf das Notwendigste beschränkt und ihre Verständlichkeit für alle Bürger deutlich verbessert. Eigentlich einfach… .

  4. Ich würde gern mal beanstanden, dass es in Deutschland seit 1945 per SHAEF- Gesetz keine Beamten mehr gibt. Ansonsten kann man nicht wirklich behaupten, dass die sogenannten Politiker arbeiten. Sie sind hin und wieder anwesend und beraten, wie sie die Wirtschaft weiter destabilisieren und in die Bedeutungslosigkeit treiben können. Die Gelder, die dort verteilt werden, stehen in keinem Verhältnis zur Leistung.

  5. Sa., den 18.01.2025

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    also wirklich…
    Das darf doch nicht wahr sein.
    Es muss heißen: “Den Bach herauf.”

    Denn so schreibt es sich korrekt, und so
    spricht und liest es sich, zudem, sehr
    viel besser.

    Basta.

    Soviel zum Thema Schulferien.

    Schönes Wochenende Ihnen allen!

    Lucy

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