Die Laufrichtung

von Peter Löcke //

Ja wo laufen sie denn? Wo laufen sie denn hin? 

Mit „sie“ waren Rennpferde gemeint. Wohin die Pferde anschließend gelaufen sind, weiß niemand. Welcher Gaul als Erster die Ziellinie erreichte, ebenso wenig. Das wurde leider im berühmten Sketch von Loriot nicht gezeigt. Gezeigt wurden nur zwei Zuschauer. Man sah nur zwei ältere Herren am Rande der Rennbahn stehend. Und man hörte nur ihren zankenden Dialog im einzigartigen Stil von Loriot.

Der Sketch erinnert mich an die Bundestagswahl. Nur geht es da um Parteien statt um Rennpferde. Welche Laufrichtung schlagen die Parteien im und nach dem Wahlkampf ein? Die Frage scheint mir spannender zu sein als der eigentliche Zieleinlauf, als der eigentliche Wahlausgang. Schließlich handelt es sich bei der Wahl am 23. Februar 2025 um eine Richtungswahl. Das weiß ich, weil mich TV-Experten regelmäßig daran erinnern. Das weiß ich außerdem, weil jede Wahl eine Richtungswahl ist. Betrachten wir also die Laufrichtungen der Parteien. 

Ja wo laufen sie denn? Wo laufen die Parteien denn hin? Wir beginnen mit dem Schlachtross CDU. 

Auf dem alten Gaul CDU sitzt der kaum jüngere und etwas blasse Jockey Friedrich Merz. Das Gespann wird mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen, weil die anderen Pferde noch langsamer sind. Für einen Wetteinsatz von hundert Euro erhalten Sie also nur 105 Euro Gewinn zurück, abzüglich Steuern. Spannender wird die Laufrichtung der Partei nach dem Finish, denn die CDU hat ein Problem. Sie möchte in eine bestimmte Richtung laufen, will das aber nur mit zwei Parteien tun, die diese Richtung eigentlich ablehnen. Die Partei, die in eine ähnliche Richtung laufen möchte, lehnt wiederum die CDU ab. Ein Teufelskreis. Prognose? Der Jockey Merz steigt am 23. Februar freudestrahlend und breitbeinig vom Pferd ab und wird dann zwischen seinen Beinen spüren wie schmerzhaft ein dauerhafter Spagat beim Ritt durch das politische Leben ist.

Optisch hübscher sehen das grüne Pferd und vor allem der auf ihm sitzende Reiter der Apokalypse aus. Doch Optik ist nicht alles. Der Reiter heißt Robert Habeck und wird immer dann nervös, wenn es heißt „Butter bei die Fische – beschreiben Sie die vorgeschlagene Laufrichtung konkret!“ So geschehen in der vergangenen Woche bei Sandra Maischberger, als diese hartnäckig nachfragte, was der Sinn der von Habeck geforderten Sozialabgaben auf Kapitalerträge sei und ob seine Forderungen einer Realitätsprüfung standhalten. Wie verteidigte sich der grüne Jockey? Man werde den Weg schon finden. Ihm sei es nur um die Laufrichtung gegangen. Er wolle doch nur die Richtung vorgeben. Werter Herr Habeck, wenn Sie auf einem Einhorn reiten und der Bodenbelag heiße Luft ist, nutzt die Laufrichtung wenig. 

Kommen wir zum altehrwürdigen Genossen-Zossen SPD. Wie im Loriot-Sketch hole ich das Fernglas heraus und halte Ausschau. Ja wo laufen sie denn? Wo laufen die Sozialdemokraten denn hin? Sie laufen noch gar nicht. Der alte Gaul SPD steht immer noch in der Startbox des Wahlkampfs. Auf dem Gaul sitzt der verträumte Jockey Olaf, der darauf wartet, dass jemand aus seinem Team dem Pferd einen Klaps auf den Hintern gibt, um endlich loszurennen. Das könnte die Bundesvorsitzende Saskia Esken tun. Diese Idee entpuppt sich nach jedem Talkshow-Auftritt als Schnapsidee. Das könnte vielleicht der neue Generalsekretär und Kühnert-Nachfolger tun. Kennen Sie den? Der heißt Matthias Miersch. In meinem Stammlokal kennt den niemand. Gar kein Ruf ist in dieser Position schlimmer als ein zweifelhafter Ruf. Statt einer erkennbaren Laufrichtung erkenne ich nur Pirouetten bei der SPD. Wahlkampf ist Rennsport und kein Dressurreiten.

Ein Pferd aus dem erweiterten Favoritenkreis fehlt noch. Nur Geduld. Ruhig Brauner! Ganz ruhig Brauner! Dieses geflügelte Wort ist übrigens keine Nazi-Anspielung, die Redensart hat ihren Ursprung in Wagners Ring der Nibelungen. Wohin läuft das offiziell blaue und angeblich unruhige braune Pferd AfD? Ich weiß es nicht, denn der Gaul hat einen Nachteil, der sich langfristig als nicht zu unterschätzender Vorteil erweisen wird. Dem Pferd wird des Öfteren der Siegerkranz entrissen auch für den Fall, dass es als Erster über die Ziellinie läuft. Das kommt beim Zuschauer schlecht an und sorgt dafür, dass die Popularität der AfD steigt. Anders ausgedrückt: Alle anderen Pferde dürfen ihre Inkompetenz regelmäßig nach dem Finish unter Beweis stellen. Das darf die AfD nicht.

Genug vom Pferderennsport. Wirklich Ahnung habe ich nicht von Pferden oder überhaupt von Tieren. Es sei denn, es handelt sich um Fabeln. Diese literarische Gattung ist die einzige Form der Entmenschlichung, die ich akzeptiere und sogar liebe. Da gibt es etwa die „Kleine Fabel“  von Franz Kafka. Sie handelt von einer kleinen Maus, die in die Welt hinausgeht. Die Maus klagt einerseits über die Enge der Welt, scheint andererseits Glück in Mauern zu finden, weil Mauern Sicherheit und Halt versprechen. So fühlen sich vermutlich viele Menschen beim Lauf durch das Leben. Aber dafür gibt es ja Parteien, die Halt geben, indem sie die Lauf- und Denkrichtung für den Bürger vorgeben. So wie die Maus am Ende der Fabel einen gut gemeinten Ratschlag von einer Katze bekommt. 

„Du musst nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie. 

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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2 Antworten

  1. Endlich hat es die FAZ kapiert. Heute schreibt dort Jasper von Altenbockum:
    „Friedrich Merz hat eine Brandmauer eingerissen. Aber nicht die zur AfD, sondern die Brandmauer zu dem Teil der (ehemaligen) CDU-Wählerschaft, die sich ausgeschlossen fühlen musste. Denn für Wähler, die ihre Stimme der CDU geben, weil sie Grüne oder SPD verhindern wollen, gab es keine Aussicht auf eine Regierungsmehrheit in ihrem Sinne, also „CDU pur“. Jedes Mal, wenn SPD und Grüne die Brandmauer beschwören, haben sie mindestens so sehr wie die Kaltstellung der AfD die Ausgrenzung dieser Wähler im Blick. Nur wenn die Union auf diese Weise neutralisiert wird, können sie ihren Machtverlust abwenden. Der „Kampf gegen rechts“ ist in Wahrheit ein Kampf für links.“ So ist es. Und ein Friedrich Merz der dem auf den Leim geht, taugt nicht als politischer Führer. Da muss man halt mal Rückgrat zeigen und nicht immer nur lavieren.

  2. Butter bei die Fische: Offensichtlich haben sich die „demokratischen Parteien“, wahlweise auch „Parteien der Mitte“ oder „die Altparteien“ genannnt, also CDFDSPGrüne, darauf geeinigt, dass KEIN Wahlkampf stattfindet, da er nur das trügerische Idyll stören würde. Er wäre in der Tat rausgeschmissenes Geld und das ist ja knapp. Denn die Koalition der Linksgrünen – Mitte, wie diese Parteien besser heißen würden, gewinnt immer die Wahl, egal was Sie wählen, ätsch! Die FDP spielt aktuell keine Rolle mehr als Mehrheitsbeschafferin, da sie sich in einem heroischen Opfergang vor vier Jahren selbst geopfert hat, da es ohne sie für die beiden linken Parteien SPGrüne nicht gereicht hätte. Die SPD hat durch ihre ausgeprägte Nicht-Linke Politik der letzten fünfzehn Jahre ihre Wähler derart vor den Kopf gestoßen, dass sie nun auf die Gnade der CDU angewiesen ist – und umgekehrt. Die Grünen, Fleisch vom Fleisch der SPD, sind auf dem Höhepunkt ihrer Inkompetenz angekommen, und werden nach dem Peter-Prinzip (fraglich ob das auch für völlig Prinzipienlose gilt) nur noch von ihren bunten Stammwählern gewählt werden. Die CDU versucht seit bald zwanzig Jahren verzweifelt die Grünen ins Boot zu holen, und merkt nie, dass sie von den Sozis nur an der Nase herum geführt wird. Warum die Grünen? Weil die das aktuelle Geschäftsmodell der Hochfinanz und den Zeitgeist verkörpern und von daher zum Geschäft der CDU passen würden. Im Zuge dieses Anschleimens, das unter Merkel vehement begann, hat sich die CDU derart von ihrem Markenkern entfernt, dass es dem Wähler egal sein kann, ob er SPD oder CDU wählt. – Die Linken sind dabei schlau: Sie haben aus der AfD Quasi-Nazis gemacht, und die CDU hinter die Brandmauer getrieben. Zwickmühle! Obwohl die Vereinigte Linke aus SPGrüne (hilfsweise das BSW für die untergegangenen Alt-Kommunisten) zusammen mit der ergrünten CDU fast alles vergeigt hat in den letzten fünfzehn Jahren, haben nur die Sozis Handlungsoptionen. Sie werden für einen Kanzler Merz zum Regieren gebraucht! Der schafft es nämlich nicht alleine. Deshalb hat Scholz, der Fuchs, auch seine Frieden-mit-Russland-Kampagne und auch die Merz-Blackrock-Kampagne begraben. Denn kommenden Partnern tut man nicht weh. Wählen Sie also was Sie wollen! Sie bekommen immer nur die Linksgrüne Mitte. Die Koalition der Verlierer. Weil sich die Altparteien aneinader klammern wie Ertrinkende mitten im Sturm ohne Rücksicht auf das Land. P.S.: Gemeinsam wollen sie sogar dem Orkan namens Trump trotzen. Der ändert gerade das Geschäftsmodell. Oh Gott, oh Gott! Fester klammern, ruft der Kapitän! Merke: Deutsch sein heißt jede Sackgasse bis zum Ende gehen!

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