Ein guter Drink

von Bartender B. Stehle //

In einer famosen Szene des Kultfilms Forrest Gump spricht der Hauptdarsteller vor einer Menschenmenge über den Vietnamkrieg. Ein Saboteur trennt das Mikrofon vom Lautsprecher und so besteht die Ansprache über den Krieg für die Zuhörer aus einem Schweigen. Erst zu den abschließenden Worten: Und das ist alles, was man über den Krieg in Vietnam sagen kann, ertönt Gumps Stimme wieder durch die Boxen. Die Menge interpretiert diese Einlage als einen künstlerischen Griff und spendet großen Beifall. Eine Kolumne über den politischen Diskurs in der heutigen Barkultur könnte dem aufgeweckten Leser gegenüber an dieser Stelle bereits abschließend dargelegt werden: denn das ist eigentlich alles, was über den politischen Diskurs in der heutigen Barkultur zu berichten ist.

Auf den ersten Blick. Denn, wie bereits angedeutet, auch im nicht Gesagten stecken zuweilen weitreichende Aussagen. Auch die von verschiedenen Seiten vorgetragene Forderung, die Bar als Ort der Entspannung und der Muse frei vom Politischen zu halten, ist in Zeiten der Desorientierung und der Polarisierung Ausdruck einer Haltung. Viele Themen sind derart aufgeladen, dass es neben der allgemein anerkannten Meinung nur noch radikale Positionen zu geben scheint. Es fühlt sich so an, als stünde man in einem Raum voller Elefanten und lediglich der Hinweis auf diesen merkwürdigen Umstand wird bereits als eine extreme Ansicht getadelt. Folglich ist es besser, bestimmte Punkte gar nicht erst anzusprechen. Nicht besser, aber bequemer. Diese hier dargestellte Grundstimmung ist natürlich nur eine grobe Skizze. Vermutlich wird dieser These ein kleiner Teil der Bevölkerung nachdenklich zustimmen. Viele wird sie aber befremden. Die eben konstatierte Spaltung ist mehr Ausdruck unterschiedlicher Wahrnehmungen als unterschiedlicher Meinungen, was in gewisser Weise paradigmatisch für die vorherrschende Situation ist. Ein uns nicht näher bekannter Gast drückte dies einmal so aus: Woher wir unsere Informationen beziehen determiniert unsere Sichtweise auf die Welt.

Eine Beobachtung ist, dass der Austausch über strittige Themen abnimmt beziehungsweise immer komplizierter wird und zwar komplementär zu der wachsenden Dringlichkeit der Probleme. Da aber sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene alles auf dem Spiel steht, ist es wahrscheinlich ratsam, das Feld des Politischen nicht einfach zu räumen. Denn die Ideen, die wir über die Welt haben, beeinflussen auf mannigfaltige Art den Verlauf der Dinge. Und Ideen sind nicht in Stein gemeißelt, sie sind das Ergebnis dynamischer Prozesse. Vermeintlich beiläufige Begegnungen oder sanfte Anstöße können hierbei eine kaum absehbare Bedeutung erlangen.

Beim Mixen eines Drinks ist eines der wichtigsten Kriterien, ob dieser ausgewogen ist und ob sich die unterschiedlichen Facetten und Gegenspieler wie Süße und Säure zu einem gewinnbringenden, harmonischen Ganzen vermengen. Dieser Maxime folgend sollen an dieser Stelle sowohl wahre als auch fiktive Geschichten aus dem Mikrokosmos der Bar erzählt werden mit dem Ziel, sich den schweren Themen unserer Zeit auf eine versöhnliche Art zu nähern. Ähnlich wie ein guter Drink dürfen diese Erzählungen Kante zeigen, auch herausfordern oder gar provozieren. Am Ende aber besteht das Ziel darin, eine anregende, zuweilen auch unterhaltende Wirkung zu erzielen und nicht aufdringlich eine Agenda zu verfolgen oder der Spaltung weiter Vorschub zu leisten – eine Gratwanderung.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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6 Antworten

  1. Ich glaube, unsere Haltung dem Leben gegenüber bestimmt die Quellen, aus denen wir unsere Informationen beziehen, erst dann formieren diese unsere Sichtweise …hätte ich dem Gast entgegnet.
    Interessante Kolumne, bin gespannt auf mehr!
    Stefan R.-K.

  2. Das ist doch schon mal eine gute Beschreibung der Gesamtsituation, mit der wir in diesen bewegenden Zeiten umgehen müssen.
    Ich bin sehr gespannt auf die Geschichten, die da noch kommen werden.

  3. Eine gute Darstellung unserer heutigen Situation.
    Innehalten, Abstand nehmen und da, wo uns persönlich das Leben laut ruft, unbeirrt von Anfeindungen, Stigmatisierungen und Ausgrenzungen, LAUT antworten.

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