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Ein Käfig voller Narren

von Peter Löcke //

Aschermittwoch! Die närrische Zeit ist vorbei. Als stiller Beobachter habe ich Karneval antizyklisch genossen. Nüchtern, in Zivil, aus sicherer nichtschunkelnder Entfernung und dennoch zu meiner großen Freude. Zudem mit reichlich Erkenntnisgewinn. Zu meiner Freude, weil die Menschen eindeutig und immer noch soziale Nähe und kulturelle Aneignung durch Kostümierung lieben. Zu meinem doppelten Erkenntnisgewinn aufgrund der Beobachtung einer Feiergruppe an Rosenmontag. Lehre Nummer eins: Layla wird immer geiler, wenn der Song in Dauerschleife gespielt wird. Lehre Nummer zwei: Der durchgängige Genuss von Apfelkorn macht aus freudetrunken schnell sturzbetrunken, sollte auf zwischenzeitliche Nahrungsaufnahme verzichtet werden. Doch weg von den sympathischen Narren hin zu den weniger sympathischen. Zurück am heimischen PC empfing mich ein News-Käfig voller politischer Narren. Nachfolgend mein Themen-Konfetti an Irrsinn.

Die Prunksitzung fand zwischen dem 17. und 19. Februar in München statt. MSC! Dabei handelt es sich weder um ein Motorsportclub noch einen Song Contest. Gemeint ist natürlich die Münchner Sicherheitskonferenz. Wurde hier früher grenzüberschreitend diskutiert, werden kritische Stimmen heute im Vorfeld aussortiert. Die MSC 2023 war ein wertebasiertes NATO-Klassentreffen mit folgenden Highlights: Deutschland kann Führungsrolle. So die Botschaft von Olaf Scholz. Auf dem neuen Waffen-Wunschzettel der Ukraine stehen Streubomben. Früher geächtet, heute geachtet. Humoristischer Höhepunkt der Münchner Prunksitzung war ein Seiten-Event, eine eigene Altweiberfastnacht. Im Charles Hotel trafen sich ausschließlich Thoughtleader*innen. Den Begriff gibt es wirklich. Über die Reden besagter Gedankenführerinnen wie Sawsan Chebli ist wenig bekannt. Gesichert ist, dass Unmengen Selfies entstanden und das Menü vegan war. Es gab Karotten-Tartar. Anschließend gefüllte Artischocke mit Buchweizen. Es herrschte eine „special atmosphere“ auf dem Frauen 100-Dinner. So Annalena Baerbock. Special war auch, dass sich die deutsche Außenministerin an anderer Stelle 360 Grad um ihre eigene Sprachachse drehte, um erneut am intellektuellen Gefrierpunkt anzugelangen. Die Welt lachte. Deutschland schwieg. Genug von der Prunksitzung. Die anderen politmedialen Narrenschiffe im Schnelldurchlauf.

Biden besuchte Selenski und mit ihm ein Kloster respektive Mahnmal. Pünktlich zur Showtime, als die Kameras liefen, war in Kiew und der gesamten Ukraine Sirenenalarm zu hören. Deutsche Medien erfreuten sich verwundert am Heldenmut der beiden Präsidenten, weil diese nicht umgehend einen Luftschutzkeller aufsuchten. Raketenangriffe gab es zum Zeitpunkt der Inszenierung nicht. Merke: Oftmals wird die Filmmusik unterschätzt. 

Und sonst? Die Hauptstadtzentrale des Irrsinns Berlin setzt weiter auf Nachhaltigkeit. Bei der Nachwahl der Wahl müssen Stimmen erneut nachgezählt werden. Außerdem müssen die nachgezählten Stimmen nochmals nachgezählt werden. Sollte es nicht zu einem golden goal kommen, entscheidet das Los. Es bleibt spannend.

Noch etwas Corona gefällig? Erneut erweist sich eine bei Lanz geäußerte Tatsachenbehauptung Karl Lauterbachs als gelogen. Als frei erfunden, haltlos und evidenzbefreit. Es ging um den Sinn und Unsinn von Masken. Das geht aus einer dümmlichen Darum-Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Warum-Frage Kubickis hervor. Lauterbachs gefühlt hundertste Lüge bleibt wohl ohne Konsequenzen. Ohne Konsequenzen bleibt auch, dass Pfizer und Biontech ihre Zulassungsdaten massiv manipuliert und gefälscht haben. Helau und Alaaf!

Außerdem? Faeser hat ein Flüchtlingsgipfelchen abgehalten, diese PR-Nummer aus heißer Luft aber zügig wieder verlassen. Nein und nochmals nein. Da steige ich jetzt nicht thematisch ein. Ich möchte raus aus diesem Käfig voller Narren und mich stattdessen fortbilden. Das geht am besten bei der Kolumnisten-Prominenz der deutschen Leitmedien. Eva Illouz wünscht sich in der ZEIT den „totalen Sieg“ der Ukraine und eine vernichtende Niederlage Russlands. Tobias Rapp bereut im SPIEGEL seine Kriegsdienstverweigerung und nimmt diese mit 30 Jahren Verspätung heldenhaft zurück. 

Nun ja. Vielleicht wird Fortbildung überbewertet. Vielleicht hätte ich lieber bei den sympathischen Narren bleiben sollen statt mich in diesen Käfig voller Narren zu begeben. Diese schunkelnde kostümierte Gesellschaft schien klüger zu sein und hat mich entfernt an Martin Luther und Hoimar von Ditfurth erinnert.

So lasst uns denn ein Apfelkörnchen trinken. Nur ohne Layla. Spätestens nach Karneval weiß ich, dass ich mir die Platte nicht kaufe.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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6 Antworten

  1. Zunächst einen freundlichsten Dank für Ihre immer wieder guten Beiträge. Gut zu lesen, noch besser zu verstehen und in den allermeisten Fällen Unterschriftsreif vorgelegt. Lediglich eines bleibt bedauerlich:

    Häufig sind in Ihren Texten eingefügte Links hinter diversen Bezahlschranken anzusteuern und somit auch nur seltenst in den lesenswerten Kontext zu setzen…
    Leider habe ich dazu auch keine brauchbaren Verbesserungsvorschläge zu nennen. Bleibt der Hinweis. Der aber wahrscheinlich auch nix ändert.

    Trotzdem: Bleiben Sie tapfer am Ball und haben Sie eine fröhliche Zeit.

    1. Lieber Herr Krebs,
      danke für die Wertschätzung und die nachvollziehbare Kritik. Dazu folgendes: In der Regel vermeide ich Verlinkungen zu Artikeln, die hinter einer Bezahlschranke versteckt sind. Hier habe ich eine Ausnahme gemacht, weil die jeweiligen Überschriften wie anteasernden Sätze mMn ungeheuerlich genug waren. Die Spiegel-Kolumne stand übrigens in der Rubrik “Kultur” und über der head in roten Lettern “Pazifismus”. In meinen Augen zynisch.
      Tipp, falls Sie nicht gerade überall Probe-Abos abschließen möchten: Es gibt immer wieder kritische Artikel im alternativen Medienbereich, die sich ausführlicher als ich gerade (bei mir hier war es ja nur eine Randnotiz) mit solchen Kommentaren im Mainstream auseinandersetzen. In diesen Artikeln werden die versteckten taz, FAZ, Spiegel oder Zeit-Kommentare ausführlicher wiedergegeben, inkl. vieler Zitate, inkl. kritischer Auseinandersetzung. Natürlich sind solche Formate mit gesunder Skepsis zu betrachten (weil keine Ursprungsquelle), aber immerhin. Einfach mal googeln.
      Danke und beste Grüße, PL.

  2. Wenn ‘ein’ Käfig ausreichen soll, uns Narren allesamt aufzunehmen, muss er gewaltige Ausmaße annehmen…..

    Wohl deshalb hat der Schöpfer diesen Käfig namens Erde nach allen Richtungen hin abgerundet, so dass jegliche Flucht vereitelt wird und egal in welche Richtung die Irrsinnigen fliehen, die Flucht immer wieder in diesem einen Käfig endet.

  3. Karottentatar?
    unsere gute alte MOHRübe darf wohl nun auch nicht mehr so genannt werden.

    danke für ihre wunderbare Arbeit, lieber Herr Löcke.

  4. Aber am besten und gründlichsten war die Aschermittwochsrede von Gerald Grosz. Weniger Irrsinn, mehr Wahrheit. Zu ertragen. Und ich mag eh seine spitzzüngigkeit, seinen Wortwitz. Die Veranstaltungen von denen Sie hier reden, da kann ich nur sagen ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen könnte.

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