Peace is hot

by Peter Löcke //

Kämpfen, die Arbeit machen und anpacken. 

Das möchte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz tun, um die Probleme des Landes zu lösen. Das sagte er zumindest zu Anfang des ZDF-Sommerinterviews mit der Journalistin Diana Zimmermann am 8. September [1]. In trauriger Erwartung, dass sich der Rest des Gesprächs auf einem ähnlichen Worthülsen-Niveau bewegen wird, ertappte ich mich beim Gedanken, meinen abendlichen Kaffee mit Cognac zu veredeln. Ich blieb nüchtern, denn das Interview verlief interessanter als zunächst befürchtet. Vor allem das Ende des Interviews, mit dem ich beginnen möchte, war spannend. Zitat Olaf Scholz:

„Ich glaube das ist jetzt der Moment, in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen als das gegenwärtig den Eindruck macht.“

Der Kanzler sagte diesen Satz ohne Not, denn die Frage zielte in eine andere Richtung. Die ZDF-Journalistin wollte lediglich wissen, ob Olaf Scholz Wolodymyr Selenskyj immer noch vertraue nach den jüngsten Informationen, dass die Ukraine am Anschlag auf Nordstream beteiligt gewesen sei. Die Journalistin war auf Zack, unterbrach Scholz, hakte nach und wollte wissen, ob es Friedensgespräche, ob es eine Friedenkonferenz geben werde. Scholz bestätigte:

„Es wird auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben und der Präsident (Anm d. Red.: Selenskyi) und ich sind einig, dass es eine sein muss mit Russland dabei.“

Heureka! Platzte hier im Interview überraschend eine Friedensbombe, auch wenn das angesichts des Themas zugegeben eine unglückliche Metapher ist? Handelt es sich bei den Worten des Kanzlers nicht eigentlich um reinstes Wagenknecht- und AfD-Sprech von Putintrollen? Warum genau soll jetzt der richtige Moment gekommen sein, um das zu tun, was man seit Februar 2022 kategorisch ausgeschlossen hat?

Ein Rückblick auf den 15. Juni 2024. Seitdem sind weniger als drei Monate vergangen. Da gab Olaf Scholz der WELT ein Sommerinterview [2]. Für mich fühlt es sich wie gestern an. Deutschland lag im Freudentaumel, weil einen Tag zuvor Nagelsmanns Kicker Schottland mit 5:1 auf dem Fußballplatz besiegten. Die Einschätzungen des Kanzlers auf dem geopolitischen Schachbrett sahen im besagten WELT-Interview wie folgt aus: Joe Biden sei klar im Kopf, Joe Biden wisse genau, was er tue und er werde die Wahl im November gewinnen. Die G7-Staaten versprachen der Ukraine weitere 50 Milliarden. Das sei eine Botschaft sowohl an die Ukraine als auch an Russland. Victor Orban wurde von Scholz für das kritisiert, was Scholz heute selbst vorschlägt. Der Schuft Orban führte Friedensgespräche mit Russland. Das Glaubensbekenntnis hieß: Keine Gespräche mit Russland! Kein Diktatfrieden! Es wird keinen Diktatfrieden mit Russland geben, das auf dem Schlachtfeld besiegt werden muss. Warum also dieser überraschende 180-Grad-Sinneswandel?

Nun. So überraschend kommt er nicht, denn er hatte sich in der vergangenen Woche abgezeichnet. Es gibt wohl kaum einen größeren Hardliner und Russlandhasser als den ehemaligen ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk. Selbst der richtete in einem aktuellen Interview von vergangenem Freitag mit der Berliner Zeitung einen Appell an den Kanzler und rief Scholz dort zu Diplomatie mit Moskau auf [3].

Der Ukraine wird weiterhin die volle Solidarität zugesichert in diesem vielzitierten russischen Angriffskrieg. Das schon. Das alleinige Monster ist und bleibt also weiterhin Putin. Dennoch ist die Kanzler-Kehrtwende bemerkenswert und es darf spekuliert werden, warum nun der „richtige Moment“ für Gespräche mit Russland gekommen sei. Hat sich die Verhandlungsposition für den Westen dank Sanktionen verbessert? Oder ist es genau umgedreht und der selbsternannte Wertewesten zieht alleine aus ökonomischen Gründen die Reißleine? Wie sieht die Situation militärisch auf dem Schlachtfeld aus? Eher günstig für Russland oder doch positiv für die Ukraine? In den sozialen Medien wird bereits heiß diskutiert und in der Regel wird die Analyse dem eigenen Weltbild angepasst. Wie so oft im Leben.

Ich möchte auch meine Analyse zur Diskussion stellen und es dem Leser überlassen, ob meine Erklärung schlüssig ist oder es sich um eine krude Verschwörungstheorie handelt. Dafür muss sich ein jeder zunächst beantworten, welche Rolle Deutschland im Ukrainekrieg respektive in der Welt überhaupt spielt?

Ist Scholz auf dem geopolitischen Schachbrett ein Spieler oder nur eine Spielfigur, die von den eigentlichen Spielern gezogen wird? Meines Erachtens ist Deutschland in erster Linie Befehlsempfänger der USA. Die Selbstwahrnehmung vieler deutscher Politiker und Medien über die eigene Bedeutsamkeit in der Weltpolitik steht in keinem Verhältnis zur wirklichen Macht, die Deutschland ausübt. Wenn Scholz, Baerbock, Habeck & Co auf Auslandsbesuch bei großen „Playern“ wie China sind, wird das in den dortigen Medien kaum wahrgenommen. Oft genug speist man das höchste deutsche politische Personal mit Gesprächspartnern aus der zweiten oder dritten Führungsriege des hiesigen Landes ab, in denen Kanzler, Wirtschafts- oder Außenministerin auf Staatsbesuch sind. 

Der größte Player auf dem Schachbrett der Geopolitik ist und bleibt die USA. Dort finden am 5. November 2024 Wahlen statt, die weitaus richtungsweisender sind als die in Thüringen, Sachsen oder Brandenburg. Donald Trump oder Kamala Harris? Der Ausgang der Wahl hat nicht nur Auswirkungen auf die USA sondern auf die gesamte Welt. Nach dem Anschlag auf Trump schlug das Pendel in seine Richtung, nach dem Kandidatenwechsel von Biden auf Harris schlug das Pendel in Richtung der Demokraten. Nun, wo viele Amerikaner feststellen, dass Kamala Harris nicht nur von innen strahlt, sondern ihre Antworten inhaltlich oftmals verstrahlt sind, wechselt die Stimmung erneut im Land [4]. Die letzten Umfragen sehen Donald Trump vorne. Und Kamala Harris Werbebotschaft, für einen Politikwechsel zu stehen, wirkt unglaubwürdig, da Sie über Jahre die jetzige Politik als Vize-Präsidentin mitgestaltete. 

Die jetzige Administration braucht also dringend Erfolge, um Trump zu verhindern, der von sich behauptet, den Ukrainekrieg umgehend beenden zu können. Mehr noch: Mit ihm, mit Donald Trump, hätte es den Krieg gar nicht erst gegeben.

Welch einen größeren Triumph könnte es für die jetzige US-Regierung geben als den Krieg in der Ukraine, der auch dem amerikanischen Steuerzahler viel Geld kostet, gesichtswahrend noch vor dem 5. November zu beenden und das der Öffentlichkeit als eigenen Erfolg zu verkaufen? Das ist meine gewagte Analyse und Vermutung.

Eine krude Verschwörungstheorie und Spinnerei? Das mag stimmen, denn es handelt sich in der Tat nur um eine Hypothese. Die viel größere Spinnerei ist für mich jedoch der Glauben, dass Olaf Scholz über Nacht nach einem Gespräch mit Wolodymyr Selenskyj auf die Idee kommt, dass nun der richtige Zeitpunkt für Friedensverhandlungen mit Russland sei.

Und damit zurück zum Sommerinterview des deutschen Kanzlers mit der ZDF-Journalistin Diana Zimmermann. Die fasst mehrfach kritisch nach, was ich genauso lobenswert fand wie die Tatsache, dass das ZDF auf seinem YouTube-Kanal ausnahmsweise Kommentare zulässt. Die fielen nicht gerade freundlich für den Kanzler aus. Scholz weicht im Interview aus. Jedwede Kritik perlt an ihm ab. Die Vertrauensfrage etwa sei nur ein „kleines Oppositionsideechen“. An einer Stelle zeigt er sich dann doch etwas kritisch, was die enttäuschten Erwartungen des Bürgers angeht.

 „(…) Lassen Sie mich das aber auch sagen, weil ich das ganz bedeutend finde, wenn wir über Wahlen diskutieren; natürlich haben die Wahlergebnisse, die wir jetzt gesehen haben, auch etwas damit zu tun, dass einige Bürgerinnen und Bürger nicht einverstanden sind damit, dass wir die Ukraine unterstützen. Ich finde es richtig, dass wir das tun (…)“.

Erstaunlich. Die Antwort des Kanzlers ist alleine deswegen erstaunlich, weil Diana Zimmermann nach den schlechten Umfragewerten der Regierung fragte und nicht konkret nach der Ukraine-Politik.

Kämpfen Sie für den Frieden, Herr Bundeskanzler. Machen Sie Ihre Arbeit und packen Sie an. Meinen Segen haben Sie. Schade nur, dass Sie so lange gewartet haben, bis jemand anderes Ihnen den Segen gibt.

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3 Responses

  1. Ja, Umsteuern tut Not! Dieser Prozess kommt nun in Gang, denn immer mehr Bürger erfahren die Konsequenzen der desaströsen Politik der Ampel am eigenen Leib. Das hilft immer. Man kann Narrative eine Zeitlang gegen die Realität abschirmen, aber nicht ewig. Was mich jedoch tatsächlich erschüttert, ist die Blauäugigkeit des Kanzlers Scholz, der tatsächlich versucht, den Leuten einen Bären aufzubinden. Und die Dämlichkeit mit der unsere „feministische Außenpolitik“ weiter in der Welt agiert und das in Jahrzehnten aufgebaute Vertrauen in Deutschland zerstört. Stattdessen werden jetzt von den Grünen und Teilen der FDP, Bürger die harsche Kritik äussern, mit Verleumdungsklagen überzogen. Wo sässe denn da FJS? Im Gefängnis, weil er Wehner einen Vaterlandsverräter nannte. Was habe ich vor den letzten Bundestagswahlen geschrieben? Leute, wählt massenhaft die Grünen. Dann hat das Elend ein schnelleres Ende. Und ich sollte recht behalten. Wie sagte meine 1896 geborene Oma? Wer nicht hören will, muss fühlen!

  2. Nun, ich denke Sie liegen nicht falsch. Aber es kommt aktuell einges zusammen, das plötzlich das Wort Friedenskonferenz im Mund der westlichen Hardliner ermöglicht. Erstens das Geld. Es ist schlicht und einfach keins mehr da für den Krieg in der Ukraine, wenn der Weg in die Verschuldung begrenzt ist. Den Wiederaufbau nicht gerechnet. Und die Hauptlast soll Deutschland tragen. Zweitens, der Westen sieht ein, dass immer mehr Waffen nichts bringen, wenn die Männer fehlen und das Land ausblutet und völlig zerstört wird. Und den Atomkrieg wollen die westlichen Kriegsschreier dann doch nicht riskieren. Jeder sieht doch: Die Ukraine hat fertig. Zwölf Millionen Flüchtlinge, kein Budget aus eigenen Mitteln, die Energieinfrastruktur zerstört, Korruption überall, etc. Der Krieg hat andererseits die Position des Westens in der zweiten und dritten Welt geschwächt. Drittens, das Erstarken des rechten Randes in der EU hat auch viel mit der Kriegsmüdigkeit der Leute zu tun. Gerade wenn das Geld knapp ist und besser für dringende Maßnahmen in Deutschland verwendet werden sollte. Viertens, wenn Trump kommt, und Frieden macht, mit welcher Formel auch immer, ist jeder Euro für mehr Waffen ein schlechtes Geschäft. Alles zusammen heisst: Realpolitik ist plötzlich angesagt. Welch Wunder! Aber so funktioniert das was wir Politik nennen!

  3. Der Groschen fiel langsam, aber zum Glück fiel er: Friedensverhandlungen mit beiden Seiten! Wir kommen vom Postfaktischen allmählich zum Präfaktischen, mit drohendem Machtverlust kommt Wirklichkeit bei vielen wieder in Mode. Donald ante portas, der wilde Mann aus Amerika wirft seine Schatten voraus. Der Machtwechsel dort scheint schon ausgemacht, die Menschen im Osten zeigen die politische Entwicklung vor allen Dingen der jungen Leute auf, an der Ostfront gewinnen, wie schon immer seit 1800, die Russen, das Narrativ vom RKI fällt zusammen und die Sanktionen gegen Russland und die Hypothesen zum Klimawandel stürzen Deutschland in eine tiefe Krise. Nicht zu vergessen, die unkontrollierte Einwanderung, die inzwischen zu offener Gewalt auf unseren Straßen führt. Unter dem Strich wurden in den letzten zwanzig Jahren immer neue Herausforderungen geschaffen und man ist nicht einer gerecht geworden, glauben viele Deutsche. Die Umfragen zeigen es deutlich. Wenn Grüne, lt. chinesischer Einschätzung faschistisch!, und linke Parteien keine AfD Mehrheit wollen, wäre es jetzt an der Zeit, umzusteuern, ich wünsche uns allen sehr, dass dieses Gelingen möge.

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