Do you have a plan B?

Essay von Markus Langemann//

Es ist eine stille, kaum greifbare Erschütterung, die durch unsere Gesellschaft geht. Kein Knall, kein Aufschrei – sondern eine Art Vibration, die durch die feinen Membranen des Sozialen zieht. Eine Veränderung von Grundwasserständen des Vertrauens, der Verlässlichkeit, der Gewissheit. Und wie ein Mensch, der sich in fremden Straßen wiederfindet, sucht unsere Gesellschaft nach Wegweisern, nach Karten, nach dem, was früher Orientierung versprach: einem Plan. Vielleicht einem Plan B.

Doch – gibt es ihn noch, diesen Plan B?

Der Plan B war einst eine noble Sicherung: für den Fall, dass das Leben, das man führte, aus dem Ruder lief. Eine Rückversicherung, eine Stütze in der Unsicherheit. Heute jedoch sind es nicht mehr die seltenen Brüche, die unser Dasein herausfordern. Es ist die Allgegenwart des Wandels selbst. Das Terrain verschiebt sich unter unseren Füßen, nicht mit einem Beben, sondern mit dem stetigen Knirschen tektonischer Platten.

Wer in dieser Welt lebt – als Unternehmer, Freigeist, als nachdenklicher Mensch – erkennt, dass das Leben selbst unplanbar geworden ist. Und vielleicht, ja vielleicht, liegt gerade darin eine Einladung. Eine Einladung zur Reifung.

Die Zeit des Wandels

Globalisierung, Technokratie, algorithmische Steuerung des Denkens. Der öffentliche Diskurs, einst eine Agora geistiger Auseinandersetzung, verengt sich in mancher Hinsicht zu einem Flur voller Türen, auf denen steht: „Zutritt nur bei Übereinstimmung.“ Die Meinungsfreiheit, Grundpfeiler einer offenen Gesellschaft, wird nicht nur frontal angegriffen, sondern allmählich ausgehöhlt – durch Angst, durch Moralisierung, durch wirtschaftlichen Druck.
Auch der Staat, der dem Bürger einst mit Maß dienen sollte, greift heute oft mit schwerer Hand in Wirtschaft und Leben. Die Steuerlast für Selbständige und Unternehmer gleicht der Last eines altrömischen Ochsenkarrens. Viele fühlen sich nicht mehr regiert, sondern dirigiert – nicht mehr geachtet, sondern überwacht.

Doch all dies wäre nur Klage – wäre da nicht der andere Teil der Geschichte: Der Mensch. Und sein Potential, sich neu zu erfinden.

Die Geburt der Resilienz

Resilienz – dieses vielgebrauchte, oft missverstandene Wort – meint nicht Härte. Es meint nicht Abwehr. Es meint eine Form von geistiger Geschmeidigkeit, die dem Bambus ähnelt: biegsam im Sturm, aber ungebrochen. Es ist die Kunst, sich dem Wandel nicht entgegenzuwerfen, sondern ihn zu lesen wie ein fließendes Gewässer, das man nicht aufhalten kann – in das man aber eintauchen und sich tragen lassen kann.

Wer heute einen Weg sucht, muss nicht nur einen Plan B haben – er muss einen inneren Kompass entwickeln. Dieser Kompass richtet sich nicht nach dem, was die Welt ihm bietet, sondern nach dem, was der Mensch selbst in sich kultiviert: Klarheit. Integrität. Stille Kraft.

Der Mensch als Thermostat

Lassen Sie mich ein Bild bemühen: Der resiliente Mensch ist kein Thermometer. Er ist ein Thermostat. Er misst nicht nur die Temperatur der Welt, sondern er beeinflusst sie. Er steht in einem aktiven Verhältnis zu seiner Umwelt, er ist Schöpfer, nicht nur Konsument der Realität.

Diese Haltung beginnt mit etwas, das fast altmodisch klingt: dem Innehalten. Dem Nachdenken. Der Entscheidung, nicht in der Erregung der Stunde mitzutreiben, sondern erst zu beobachten, zu prüfen – und dann zu handeln.

Jede Krise ist ein Lehrer, und jede Lehre eine Einladung zur Selbstbegegnung. Wer sich stärken will, beginnt mit dem eigenen Körper. Nicht in der Form eines narzisstischen Kultes, sondern als Gefäß für Energie und Klarheit. Bewegung, Schlaf, Rhythmus – das sind keine Nebensächlichkeiten, sondern Grundlagen der Lebenskunst.

Der Verstand: Wer seine Gedanken zu prüfen lernt, statt ihnen willenlos zu folgen, der entdeckt in sich eine neue Autonomie. „Was kann ich jetzt tun?“ ist mächtiger als jedes „Warum ich?“.

Die Emotionen: Sie sind keine Störung. Sie sind das Rohmaterial der inneren Alchemie. Wer ihre Wucht nicht fürchtet, sondern sie kanalisiert, wird nicht zerrissen, sondern geformt.

Und schließlich: die Seele. Jene kaum beschreibbare Instanz, die uns trägt, wenn Worte versagen. Dankbarkeit ist ihr erster Ausdruck. Verbundenheit der zweite.

Unternehmen und der kreative Mut

Auch in der Wirtschaft ist Resilienz mehr als Risikomanagement. Sie ist die Einladung, anders zu denken. Kreativ. Im besten Sinne „schöpferisch“. Das Beispiel von Slack, geboren aus einem gescheiterten Computerspiel, zeigt: Nicht das Festhalten führt zum Ziel, sondern das Loslassen des Unbrauchbaren.

Ein Unternehmen, das Wandel nicht fürchtet, sondern ihn zur Quelle neuer Ideen macht, ist kein Getriebener – sondern ein Gestalter. Das verlangt Mut. Und Mut entsteht nicht im Lärm – sondern in der Stille bewusster Entscheidungen.

Der neue Kompass

„Ein tiefer Fall führt oft zu höherem Glück“, schrieb Shakespeare. Der Phönix, jener mythische Vogel, steht nicht für die Wiederherstellung des Alten – sondern für das Neue, das aus dem Alten geboren wird. Vielleicht ist es an der Zeit, dass auch wir diesen Phönix in uns entdecken.

Nicht nur mit einem neuen Plan.
Sondern mit einer neuen Haltung.

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