Man-catcher

by Peter Löcke //

Ausgerechnet Red Bull! Millionen Fußballfans wenden sich enttäuscht von ihrem Idol Jürgen Klopp ab. Wie kann er nur? Der Fußballromantiker Klopp, der für traditionelle Werte im Fußball steht, schließt sich ausgerechnet dem Plastikclub und Großkonzern Red Bull an. Dort wird Klopp, liebevoll „Kloppo“ genannt, ab kommendem Jahr Head of Global Soccer. Was genau verbirgt sich hinter dem Anglizismus? Das beantwortet die Trainerlegende selbst. Ein Head of Global Soccer ist ein „Mentor für die Trainer und das Management der Red-Bull-Clubs, aber letztlich bin ich ein Teil einer Organisation, die einzigartig, innovativ und zukunftsorientiert ist“. [1]

Mich amüsieren die Reaktionen auf diese Meldung der vergangenen Woche in mehrfacher Hinsicht. Nüchtern betrachtet besteht kein Grund, sich zu empören. Hier wurde ein überaus intelligenter Arbeitsvertrag unterschrieben. Es handelt sich um einen Kontrakt, der sich für beide Seiten rechnet. Für Klopp rechnet sich der Vertrag in barer Millionen-Münze, für Red Bull in einem enormen Imagegewinn, den auch die teuerste Werbekampagne niemals erreicht hätte. Das ist der Hauptgrund der  Verpflichtung und sicher nicht Klopps nebulöse Arbeitsplatzbeschreibung als koordinierender Mentor im Hintergrund. Es handelt sich also lediglich um einen weiteren Werbevertrag im Leben des Jürgen Klopp. 

Mich amüsiert der Grund der millionenfachen Entrüstung. Der Grund der deutschlandweiten Empörung liegt in einem Ruf, der Klopp fälschlicherweise vorauseilt. Er genießt das Image des bodenständigen Kommerzkritikers. In der Tat: Kloppo prangert seit Jahren gebetsmühlenartig die Kommerzialisierung im Profi-Fußballs an. Eine solche Einstellung öffnet Fan-Herzen. Das hinderte ihn aber nie daran, seine eigene Popularität maximal gewinnbringend zu vermarkten. Kein Trainer weltweit unterschreibt dermaßen viele private Werbeverträge [2]. Von Alkohol und Autos über Brillen und Banken bis zu Rasierern und Tapetenkleister – Klopp machte und macht für alles Werbung, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Das kann er tun. Nur sollte er dann nicht Kommerz kritisieren. Wer sich heute über Klopps Red-Bull-Vertrag verwundert die Augen reibt, hat nicht verstanden, dass Klopp in den vergangenen 15 Jahren nichts anderes gemacht hat, als sein positives Image für viel Geld als Werbeträger zu verkaufen. Sein neuster Werbepartner heißt Red Bull. Nicht mehr, nicht weniger, nur geschickt verpackt.

Kloppo ist natürlich, bescheiden und authentisch. Auch dieser Ruf eilt ihm voraus. Stimmt das wenigstens? Meiner Ansicht nach nicht. Ich halte Klopp für einen überaus selbstverliebten Menschen. Seine Eitelkeit geht so weit, dass er sich in England seine Zähne künstlich weiß bleichen ließ, nachdem er sich bereits 2012 für eine Haartransplantation entschied [3]. Auch chirurgische Schönheitseingriffe kann ein Klopp selbstverständlich bei sich machen lassen. Von mir aus könnte er sich übermorgen sein Gesäß straffen lassen. Nur wundere ich mich über dann über das Image des natürlich-authentischen Menschen. 

Das alles ist unter Fußballinteressierten bekannt. Warum also ist Jürgen Klopp dennoch der mit Abstand populärste Trainer, wenn nicht sogar die populärste Person Deutschlands? Weil er ein Menschenfänger ist.

Das sage nicht ich. Das sagen Spieler, die unter ihm trainiert haben. Das sagen ehemalige Klopp-Vorgesetzte wie Hans-Joachim Watzke. Das sagen vor allem und wiederholt Journalisten [4]. Gibt man die Begriffe Klopp & Menschenfänger in eine Suchmaschine ein, erhält man dutzende Treffer. Klopp ist ein Mensch, der andere Menschen einfängt und es versteht, sie für sich zu begeistern. Ein schlagfertiger Typ mit einem einnehmenden Wesen! Ein Mensch, der andere Menschen in seinen Bann zieht und sie zum Lachen bringt. Ein Trainer, für den erschöpfte Spieler selbst mit einem Wadenkrampf weiterlaufen. Klopp ist jemand, den man einfach lieb haben muss. Wer jemals eine Pressekonferenz mit Jürgen Klopp verfolgt hat, weiß, wovon ich rede. Das ist Entertainment pur!

Klopps herausragende sportliche Erfolge bei gleich drei Vereinen sind zudem unbestritten. Dennoch hat er mich nie in seinen Bann gezogen. Der Grund dafür ist simpel. In mir existiert eine generelle Abwehrhaltung gegenüber Menschenfängern. Und davon gibt es neben Klopp viele. Im Extremfall handelt es sich bei Menschenfängern um gefährliche Menschen.

Worin liegt das Erfolgsgeheimnis einer jeden Sekte? In der Regel besitzen ihre Anführer ein Charisma, das ihre Anhänger in den Bann zieht. An der Spitze von Sekten stehen meist Personen mit einer beeindruckenden Aura und Verführungskunst, mit glänzender Rhetorik und dem Talent, suchende Menschen ohne Halt für sich zu begeistern. An der Spitze von Sekten stehen Menschenfänger [5]. 

Natürlich hat ein Jürgen Klopp wenig mit einem Sektenführer gemeinsam. Ich versuche es eine Nummer kleiner. Was ist das größte Talent eines Harald Lesch oder eines Eckart von Hirschhausen? Ist es Ihre wissenschaftliche Expertise, die sich über gefühlt hundert Themenkomplexe erstreckt? Nein. Auch bei Hirschhausen und Lesch handelt es sich um Menschenfänger. Es handelt sich um zwei Menschen mit hohen Sympathiewerten, die bei einem Großteil der Bevölkerung sympathisch ankommen. Das weiß ich aus eigener Erinnerung und eigenem Erleben. Ich erinnere mich an die eine oder andere spacige Nacht meiner TV-Jugend, durch welche Harald Lesch mich begleitet hat. Der Entertainer Lesch hat mich mit seinem Witz begeistert, mich als Menschen eingefangen. Erst reichlich später begann ich, seine Aussagen zu hinterfragen.

Gibt es Menschenfänger in der deutschen Politik? Eher weniger. Olaf Scholz dürfte kaum wegen seiner Ausstrahlung und seines Charismas Bundeskanzler sein. Googelt man ein wenig, stößt man im Zusammenhang mit dem Begriff Menschenfänger vor allem auf einen deutschen Politiker. Robert Habeck.

„Robert Habeck hat ein Talent als Menschenfänger wie kaum ein anderer Politiker.“ [6]

Das schrieb die Rheinische Post unlängst über den kommenden grünen Kanzlerkandidaten. Bei diesem Urteil handelt es sich keinesfalls um eine journalistische Einzelmeinung. Wohlgemerkt: Das Wort Menschenfänger wird hier wie auch bei Klopp mit einem positiven Zungenschlag verwendet. In einem hat die Rheinische Post definitiv Recht. Der von ihr so bezeichnete Menschenfänger Robert Habeck hat es über Jahre geschafft, einen Großteil der linken Mainstream-Journalisten derart einzufangen, dass einige Zeitungsartikel Gebeten gleichen, die Gläubige ihrem geistigen Oberhaupt widmen. Nein. Ich übertreibe nicht.

„Wie lerne ich reden wie Robert Habeck?“ [7]

So betitelte die ZEIT einst eine als Artikel verkleidete Imagebroschüre über ihren Lieblingspolitiker. Das dazugehörige Habeck-Titelbild würde  auch als Werbefoto für ElitePartner funktionieren. Habeck also als Menschen und vor allem Frauen einfangender Rosenkavalier und Bachelor in einer Medien-Seifenoper? Auch das halte ich nicht für übertrieben. Hört man etwa der Spiegel-Journalistin Melanie Amann zu, so steigert sich ihre Habecksche Bewunderung inhaltlich wie stimmlich in ein fast schon stöhnendes erotisches Ausmaß [8].

Nun gut. Der Habeck-Hype hat sich ein wenig gelegt. Auch ihm gewogene Gazetten betrachten den deutschen Wirtschaftsminister zunehmend kritisch. Dennoch sieht es so aus, dass Bündnis 90/die Grünen im inoffiziell längst begonnenen Wahlkampf für die Bundestagswahl 2025 alles auf die Karte Habeck setzen. Vollkommen zu Recht in meinen Augen! Im Gegensatz zu seinen Gegenkandidaten Merz und Scholz ist Habeck ein Menschenfänger.

Menschen sehnen sich nach Halt und Helden. Vor allem in schweren Zeiten. Menschen sehnen sich Menschenfängern, die sie bewundern, verehren, lieben können. Ich schließe mich von dem Phänomen nicht aus. Mein Glück besteht darin, dass ich ein Regulativ besitze, vergleichbar mit einer inneren Warnlampe, die automatisch blinkt, sobald meine Bewunderung für einen Menschen zu groß wird. Das wiederum hat zwei Gründe.

Das Wort Menschenfänger ist nur eine Metapher. Eigentlich und ursprünglich steht der Begriff für eine Waffe. Mit sogenannten Menschenfängern wurden Kriegsdeserteure gejagt oder Flüchtlinge aus Zuchthäusern eingefangen [9]. So positiv wie deutsche Medien das Wort Menschenfänger im Regelfall verwenden, scheint es also doch nicht zu sein. Grund Nummer zwei ist wichtiger.

Was genau unterscheidet einen Menschenfänger von einem Rattenfänger? Nichts. Die Geschichte der Menschheit ist voller Menschenfänger, die sich erst in der Rückschau als Rattenfänger entpuppten.

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2 Responses

  1. In der Politik, im Privaten, im Berufsleben – fast immer gelten persönliches Darstellungsvermögen, gefällig klingende Begrifflichkeiten oder humorvoll verpacktes Schlechtmachen anderer Menschen mehr als sachliche Argumente.
    Es ist doch auch viel unkomplizierter und bequemer, auf Dackelblick oder schöne Worte reinzufallen. Idole sind eine einfache Möglichkeit, nicht selbst aktiv und nützlich sein zu müssen. Man rennt einfach jemandem hinterher, bewundert, hofft, usw. Ich spreche aus eigener Erfahrung.
    Aber wir sind auch alle lernfähig, und dann läuft man solchen Selbstdarstellern nicht mehr nach. Plötzlich entstehen Raum und Interesse fürs Echte.
    Danke für den wiederholten Augenöffner. Sie regen immer wieder zum Nachdenken und Schmunzeln an. Ein bisschen haben Sie mich auch schon eingefangen. Aber ich bin wachsam 🙂

  2. Von Klopp zu Habeck … geschickt, muss man anerkennen, platt und erwartbar indes auch, originell: nein

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