Erschreckend aktuell: DDR-Geheimdienstchef Markus Wolf

von Adrian von Ferenczy //

Der August 1990 markierte einen Übergangspunkt der deutschen Geschichte: Wenige Monate nach dem Fall der Berliner Mauer und nur kurze Zeit vor der Wiedervereinigung standen Fragen nach der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft der beiden deutschen Staaten im Zentrum der gesellschaftlichen Debatte. Inmitten dieses historischen Umbruchs traf Günter Gaus, einer der profiliertesten Journalisten der Bundesrepublik, auf Markus Wolf, den ehemaligen Chef des Auslandsgeheimdienstes der DDR, um in der ZDF-Sendereihe „Zur Person“ eine vielschichtige Persönlichkeit zu durchleuchten.

Markus Wolf, der „Mann ohne Gesicht“, symbolisierte die Ambivalenzen und Widersprüche der DDR: ein Kommunist aus Überzeugung, ein Stratege der internationalen Spionage, zugleich aber ein Mensch, der mit dem Verfall des Systems, dem er diente, ringen musste. Dieses Interview, tief in seiner intellektuellen und politischen Tragweite, öffnet ein Fenster zu einer Welt, die viele als abgeschlossen betrachteten – und wirft gleichzeitig Fragen auf, die auch im heutigen Deutschland nachhallen.

Im Gespräch mit Günter Gaus sprach Markus Wolf am 6. August 1990 über seine Rolle im Staatsapparat der DDR und die Ideale, die sein Handeln prägten. Ein zentrales Thema war die Ambivalenz von Macht und Moral. Wolf verteidigte die Überzeugung seiner Mitarbeiter, im Dienste des Sozialismus Gutes zu tun, räumte jedoch ein, dass die ideologische Verblendung häufig zu Unterdrückung führte. Er sprach offen über die sogenannte „ideologische Diversion“, die systematische Kriminalisierung Andersdenkender, und nannte dies „das größte Übel“ der DDR.

Wolf reflektierte auch über seine eigene Rolle im Apparat. Als Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) sah er sich als Akteur in einer politischen Nische, getrennt von der repressiven Inlandsarbeit der Stasi. Doch die moralische Reinheit, die er für seinen Bereich reklamierte, blieb brüchig. Günter Gaus konfrontierte ihn mit der Frage nach persönlicher Schuld und der Verstrickung in die Mechanismen eines Systems, das Andersdenkende verfolgte. Wolf gestand, nicht genug Widerstand geleistet zu haben, und zeichnete ein Bild der Ohnmacht gegenüber einem Apparat, der von Parteidisziplin, Opportunismus und Ignoranz geprägt war.

Bedeutung für die Gegenwart: Ein Lehrstück über Meinungsfreiheit

Das Gespräch offenbart eine zeitlose Wahrheit: Die Einschränkung von Meinungsfreiheit und die Verfolgung Andersdenkender gehören zu den gefährlichsten Auswüchsen eines ideologisch verengten Systems. In der DDR führte die Stigmatisierung von Oppositionellen zur Entfremdung zwischen Staat und Gesellschaft. Diese Erfahrungen sind auch im heutigen Deutschland von Bedeutung, wo laut einer Allensbach-Umfrage nur noch 40 Prozent der Menschen ihre Meinung frei äußern. Die politische Diskreditierung Andersdenkender durch Begriffe wie „Querdenker“ und staatliche Repressionen spiegeln bedenkliche Parallelen wider.

Markus Wolfs Bekenntnis, dass Andersdenkende in der DDR kriminalisiert wurden, dient als Mahnung: Die Meinungsfreiheit ist das Fundament einer demokratischen Gesellschaft. Jede Einschränkung dieser Freiheit, sei es durch staatliche Überwachung, soziale Ausgrenzung oder ideologische Polarisierung, gefährdet das Gemeinwohl.

Markus Wolf bleibt eine umstrittene Figur: ein Mann, der im Schatten eines Systems agierte, das gleichermaßen von Idealen und Unterdrückung geprägt war. Das Interview mit Günter Gaus zeigt, wie eng persönliches Handeln und historische Verantwortung verflochten sind. Es fordert uns auf, die Lehren der Vergangenheit nicht zu vergessen und die Meinungsfreiheit als unantastbaren Wert zu verteidigen.

Das komplette Interview ist in der Mediathek des Club der klaren Worte zu sehen. Mehr Informationen zur Mediathek finden Sie auch in den FAQs hier im CdkW.

Beitrag teilen:

5 Antworten

  1. Komisch, dass haben wir heute auch wieder !!! Und das in einer angeblichen Demokratie !
    Entweder man hat von der DDR gelernt, oder man sich Leute mit solchen Einstellungen in Verantwortung geholt ?
    (Merkel, Faeser und Co, uvm)
    Es gibt da viele mit Stasi-Vergangenheit – die man bis heute schützt und die Fakten geheim hält

  2. Nun, um es einfacher zu sagen: Wir erleben immer wieder ,,, und immer wieder,,, aber besonders in Deutschland, wie sich Menschen zum Büttel der Obrigkeit machen lassen. Sie erfüllen eine Funktion, sie ordnen sich unter, sie verstecken ihre Menschlichkeit hinter den Gesetzen (als seien diese nicht Menschen-gemacht und folgten aus dem jeweiligen System) und einer Ideologie, sie kuschen und begehen Unrecht. (Der Berufsstand des Juristen ist darauf trainiert, „Gesetze“ auszulegen, egal wer sie gemacht hat) Sie haben Angst und sie haben keine übergeordnete Moral, die ihnen verbieten wüde Unrecht zu tun. Im Namen des Gesetzes. Oder im Namen einer übergeordneten Ideologie. „Gott ist tot. Wir haben ihn umgebracht“, sagt Nietzsche. Aber auch ER nutzte nichts. Wieviel Unrecht wurde im Namen Gottes/Allahs begangen? Genauso viel wie im Namen von Ideologien. – „Die Welt als Wille und Vorstellung“, Schopenhauer. Natürlich haben die Menschen keine Idee davon, dass ihr Leben nur eine Vorstellung sein könnte, dass sie nur an einem Schauspiel teilnehmen, nur die Schatten an der Wand sehen. Und deshalb treibt sie nur eines durch ihr kleines Leben: Der Wille zum Leben. Nichts sonst.

    1. Setzt der ‘Wille zum Leben’ nicht eine Ahnung, eine Vorstellung voraus, wie dieses Leben auszusehen hat? Muß sich der Lebenswille nicht aus etwas tieferen speisen? Für uns Menschen gilt doch die Vermutung, das wir das Leben dazu nutzen Erfahrungen zu machen, uns Wissen anzueignen, ein Leben lang zu lernen und der Menschwerdung im Sinne der Natur, und nicht der Moral, zuträglich zu sein. Sieht man sich die brennensten Themen unserer Tage an, und beobachtet die Reaktionen aus Politik, Medien und der Mitte der Gesellschaft, dann fällt es schwer sich vorzustellen, das der Aktionismus nichts anderes ist als Reflex. Ein instinkthafter Reflex. Hieraus speist sich mein Pessimismus was den gesamtgesellschaftlichen Fortgang angeht. Zum einen weil all diese Menschen dazu neigen konditionierbar zu sein, und zum anderen weil ihnen jegliche Selbstkontrolle fehlt. Man verliert jede Fähigkeit zu differenzieren. Eine Abkehr von den evolutionären Vorteilen die die Natur dem Menschen mitgegeben hat. Also ein Leben das mehr bietet als Essen, Schlafen und Fortpflanzung. Ich vermute deshalb, das der Wille zum Leben zum reinen Überlebenskampf wird. Wir nähern uns dem marxistischen Ideal. In dem die Fähigkeit sich selbst zu organisieren, sein Talent und individuelles Können einzusetzen bestraft wird. Der aufgeklärte Mensch, so wie man sich ihn in einer Zeit ohne Lehnsherren und einem stetigen Informationsfluß vorstellen mag, dieser aufgeklärte Mensch, der selbst entscheidet wie die Welt in der er leben möchte auszusehen hat, ist auf dem Rückzug. Demokratie, Rechtsstaat, Gesellschaftsvertrag, Vielfalt, Individualität, freier Wille, Wissenschaft, Geschichte u.s.v.m. haben in dieser Gesellschaft nur noch einen nutzen, nämlich dem, ein kollegtives Feindbild zu konstruieren. Ein evolutionär-humanistisches Weltbild in diese Bewegung zu tragen wäre der reine Selbstmord.

  3. Deshalb hat Trump in seiner ersten Rede darauf hingewiesen, dass nur Staaten in denen Meinungsfreiheit herrscht, sich demokratisch nennen dürfen. Und er will mit seiner „Free Speech Initiative“ dafür sorgen, dass in den USA Meinungsfreiheit herrscht. Bezeichnenderweise berichten deutsche Medien darüber überhaupt nicht, oder komplett verzerrt. Die WELT hinter der Bezahlschranke. Genauso die führenden englischen Medien. Sie glauben, wie André Breton tatsächlich, dass die europäische Regulierung der Meinungsfreiheit irgendetwas mit Meinungsfreiheit zu tun habe. In Wirklichkeit wird damit die Meinungsfreiheit zu Grabe getragen. Stattdessen hetzen sie in übelster Weise gegen Elon Musk, weil er sich den Regulierungen widersetzt. Dafür wird er von der EU sofort mit einer Millionen – Strafe bedroht. Das lässt tief blicken, führt doch der Weg in den Autotitarusmus/Totalitarismus zuallererst über die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Die „Linksliberalen“ glauben so gewinnen zu können, aber sie haben damit schon immer verloren. Was hier läuft ist einfach nur noch gruselig.

    1. Im Denken unteres Mittelmaß, in der Denunziation in Höchstform. Das Paradies in diesem Land haben wir nicht erreicht, wenn das ‘Wahre, Gute und Schöne’ den Wesenskern bestimmt, das Paradies ist erreicht wenn man das Selbstzerstörerische auf die proijezieren kann, denen man die Existenzberechtigung entziehen möchte. Das ist bei den Religionen so, und bei den Ideologien. Demokratie ist etwas sehr filigranes, etwas Intellektuelles bei dem man seine eigenen Befindlichkeiten zurückstellen muß um es erleben zu können. Demokratie ist Selbstreflektion und die Opferung des Falschen für die Freiheit. Dafür muß man sich zuerst von seinen imaginären Ängsten befreien und dem Kritikbewusstsein eine Chance geben. Wer aber keine ‘Vorstellung von Welt und Wille’ hat dem fehlt ein ganzes Weltbild. Der muß seinen Instinkten folgen. Und wer dem Primitiven folgen muß, wer sich seinen Platz in der Herde erkämpfen will, dem bleibt eben nur sich selbst zum Objekt zu machen das eine Funktion erfüllt. Der politisch-mediale Komplex in diesem Land spricht genau diese Sprache. Aus diesem Grund wundert es mich, das nicht auch gegen Trump, vom internationalen Gerichtshof, ein Haftbefehl ausgestellt wurde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Herzlich Willkommen auf dieser Plattform des kultivierten Austauschs von Argumenten.

Wir haben verlernt Widerspruch aushalten zu können. Hier darf auch widersprochen werden. Ich möchte Sie bitten, dabei wertschätzend und höflich zu bleiben. Beleidigungen und Hasskommentare werden künftig ebenso entfernt, wie Wahlaufrufe zu Parteien. Ich behalte mir vor, beleidigende oder herabsetzende Kommentare zu löschen. Dieses öffentliche Forum und die ihm innewohnende Möglichkeit Argumente und Meinungen auszutauschen, ist der Versuch die Meinungsfreiheit – auch die der anderen Meinung – hoch zu halten. Ich möchte hier die altmodische Tugend des Respektes gepflegt wissen.

„Kontroversen sind kein lästiges Übel, sondern notwendige Voraussetzung für das Gelingen von Demokratie.” Bundespräsident Dr. h.c. Joachim Gauck a.D., vor nur 5 Jahren in seiner Rede zum Tag des Grundgesetzes.

de_DEGerman