von Peter Löcke //
Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant. Das wusste schon Hoffmann von Fallersleben Mitte des 19. Jahrhunderts. Meldemuschis und Petzpimmel! So werden Denunzianten heute vulgär an deutschen Tresen genannt. Darf ich den obszönen Volksmund zitieren oder laufe ich damit Gefahr, selbst gemeldet zu werden? Ich weiß es nicht. Fest steht, dass Meldestellen wie Unkraut aus den vergifteten Böden deutscher Behörden sprießen. In der Regel lautet der Tatvorwurf Hasskriminalität.
Vielleicht haben Sie von dem Fall der Journalistin Anabel Schunke gelesen [1]. Die hatte auf Social Media einen großen Teil der in Deutschland lebenden Sinti und Roma wegen Steuerbetrug, Schulpflichtverweigerung, Diebstahl und Mietnomadentum kritisiert. Nicht nur das. Außerdem kritisierte Schunke die deutsche Zuwanderungspolitik im Allgemeinen sowie Nancy Faeser konkret. Ist das noch Kritik oder schon Antiziganismus und damit Volksverhetzung? Letzteres meinte die Staatsanwaltschaft Göttingen sowie die dort ansässige „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet Niedersachsen“, kurz ZHIN. Der zuständige Richter in Goslar schmetterte den Vorwurf als zulässige Meinungsäußerung ab, doch die Staatsanwaltschaft Göttingen ließ nicht locker und legte erfolgreich Beschwerde ein. Schunke wurde vorm Landgericht Braunschweig zu 60 Tagessätzen à 60 Euro verurteilt. Interessanter Weise vom selben Richter, der Sie noch kurz davor freisprach. Über diesen Fall hinaus finde ich es weitaus interessanter wie eine solche Meldestelle überhaupt arbeitet. Auf dem Internetauftritt der ZHIN erfährt man unter anderem folgendes [2]:
„Wer Opfer oder Zeuge eines Hasspostings beispielsweise bei Facebook oder Twitter wird, kann dieses auf mehreren Wegen zur Anzeige bringen, damit ein solches Verhalten nicht folgenlos bleibt. Strafanzeigen können kostenlos und auch ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts selbst gestellt werden. In den weitaus meisten Fällen ist nach erfolgreicher Anzeigeerstattung selbst für den Fall einer Gerichtsverhandlung keine persönliche Zeugenaussage vor Gericht notwendig.“
Musteranzeige zum Download anbei. Dabei handelt es sich um drei selbsterklärende Seiten mit zusätzlicher Hilfestellung, wie dieses Formular auszufüllen sei. Am wichtigsten ist selbstverständlich der Screenshot des vermeintlichen Hassposts. Das ist das Corpus Delicti. Das behördliche Motto lautet „Denunzieren leicht gemacht durch niedrigschwellige Angebote!“ Als verantwortungsvoller Bürger, denn so nimmt sich ein jeder Denunziant selbst wahr, benötigt der Blockwart nur eine Zigarettenlänge Zeit, um einen anderen Menschen ans staatliche Messer zu liefern. Gratis, ohne Anwalt, im Schutz der Anonymität bleibend. Doch bei Meldestellen bleibt es nicht. Beim Fall Anabel Schunke gab es zumindest ein Corpus Delicti. Hier gab es also einen oder mehrere diskutable Posts, bei welchen man inhaltlich streiten könnte, ob diese in der Wortwahl grenzwertig formuliert waren.
Die nächste Stufe liegt bei Orwellschen Gedankenverbrechen [3]. Was ist übriggeblieben vom Vorwurf der Deportationspläne auf dem sogenannten Geheimtreffen in Potsdam? Nichts. Rein gar nichts. Der soeben von Markus Langemann interviewte Alexander Wendt [4] hat es in einer lesenswerten journalistischen Tiefenbohrung nochmals dechiffriert und dokumentiert [5]. Übriggeblieben ist allein die diffamierende Unterstellung und Phantasie von Correctiv. Sie lautet sinngemäß:
Ja. Die Anwesenden haben nichts Schlimmes gesagt oder gefordert. Wir können aber Ihre Gedanken lesen. Wir wissen, dass die Teilnehmer etwas Schlimmes dachten, als sie nicht Schlimmes sagten.
Willkommen bei Orwell! Wer es weniger literarisch mag und lieber ins Kino geht, erinnert sich vielleicht an den Film Minority Report aus dem Jahr 2002 [6]. In diesem Science-Fiction-Thriller fungierte innerhalb der Washingtoner Polizei des Jahres 2054 die Abteilung Precrime. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, dass Stephen Spielbergs Meisterwerk in den Behörden von Faeser und Haldenwang dreißig Jahre zu früh als Lehrvideo gezeigt wird. Innenministerium und Verfassungsschutz suchen nach Straftaten unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Sie suchen nach Verbrechen, noch bevor sie begangen wurden. Im Zweifel für den Ankläger! Beweisen Sie ihre demokratische Unschuld im Sinne der Faeserschen Beweislastumkehr! Wichtig ist nicht die Tat, die es nicht gibt oder die noch nicht begangen wurde. Wichtig ist die Darstellung und Gefühlswelt des Opfers, das kein Opfers ist. Kennen Sie Awareness Teams [7]? Ein unterschätztes Zeitgeist-Phänomen.
Awareness bedeutet so viel wie Achtsamkeit und Aufmerksamkeit. Das sind unbestritten schöne Worte mit wertvollem Inhalt. Wie so häufig klingen neue Phänomene auf den ersten Blick gut. Auch Awareness Teams sprießen wie Meldestellen aus dem vergifteten gesellschaftlichen Boden. Dabei patrouillieren Aufpasser mit Westen versehen als Ordner auf Veranstaltungen. Die Ordner sind als Ansprechpartner für Personen gedacht, die sich – auf welche Art und Weise auch immer – diskriminiert fühlen. Wurden diese Menschen diskriminiert oder fühlten sie sich nur diskriminiert? Hier liegt des Pudels Kern. Meiner Ansicht nach sollte man mittlerweile aufpassen, wie man eine andere Person auf einem solchen Event anspricht. Konkret? Ihr freundliches Interesse, aus welcher Region ein gebrochen Deutsch sprechender Mensch mit anderer Hautfarbe stammt, könnte als diskriminierend empfunden werden. Obacht auch, mit welchem Pronomen Sie das Gegenüber ansprechen. Sie wollen doch keine Mitmenschen misgendern. Falls Sie flirten, achten Sie stets darauf, wie Sie das tun. Selbst eine basische Höflichkeit kann heutzutage als toxische Männlichkeit aufgefasst werden. Tipp: Achten Sie bei Veranstaltungen achtsam auf Teams, die auf Achtsamkeit achten.
Nun gut. Das ist nicht mein Problem, da ich größere Veranstaltungen in der Regel meide. Mein Problem liegt eher in der sprachlichen Form der Kolumne. Wie darf ich noch schreiben ohne in Verdacht zu geraten, hasskriminell zu sein. Bei einer Glosse oder gar Polemik gegen einen Politiker begebe ich mich im Jahr 2024 auf dünnes Eis. Zu früheren Zeiten wurden Fabeln geschrieben, um den Herrschenden den Spiegel vorzuhalten. Auch das halte ich für unklug, denn bei Fabeln handelt es sich zweifelsohne um Entmenschlichung. Zitate dürften noch funktionieren. Das traue ich mir zu ohne Angst zu haben, verklagt zu werden. Schließlich sagte der große Kabarettist Volker Pispers gerne folgendes in seinem Programm [8]:
„Angela Merkel zitiere ich ja am liebsten wörtlich. Ich hab noch keine bessere Möglichkeit gefunden diese Frau zu beleidigen.“
Nun denn, Herr Habeck. Auf zur liebevollen Beleidigung. Da musste Merkel durch. Da müssen auch Sie durch. Ertragen Sie es wie ein Mann. Wie beantwortete der deutsche Wirtschaftsminister die Frage nach einem Haushaltsloch von 12 Milliarden Euro? In Ermangelung einer besseren Form der Beleidigung zitiere ich Robert Habeck wörtlich [9].
„Boah, wie soll ich sagen? Is halt so, ne.“
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.
Quellen
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Gedankenverbrechen
[4] https://www.youtube.com/watch?v=32mVeAgtO4c
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Minority_Report
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Awareness-Team
[8] https://www.goodreads.com/quotes/660300-angela-merkel-zitiere-ich-ja-am-liebsten-w-rtlich-ich-hab
9 Antworten
Gestern habe ich eine unbestimmte Anzahl mir fremder Personen “denunziert”. Direkt beim Polizeibeamten. Unten an der Ecke ein Verkehrsunfall, Verkehr kann gerade nicht vorbei, müsste eigentlich wenden und zurückfahren. Praktischerweise gibt es noch unsere Straße, steil, eine uneinsehbare Kurve und von oben Einbahnstraße. Der “Verkehr” fließt plötzlich ganz selbstverständlich nach oben entgegen der Einbahnstraße. Kommt einer entgegen (was zufällig nicht der Fall war), gibt es zumindest einen unauflösbaren Stau oder natürlich Schlimmeres wie Frontalzusammenstoß etc. Ich gehe runter zur Unfallstelle, spreche einen Beamten an und mache ihn auf die Situation aufmerksam. Seine Reaktion war entspannt: “Das tolerieren wir, wenn die vorsichtig fahren”. Auf meine Frage, was im Falle eines Unfalles ist, die Reaktion: “Na, dann hat der Schuld, der hochfährt”…
Also, Denunzieren macht auch keinen Spaß mehr 😉
Polizei mit Gespür für Verhältnismäßigkeit, das macht Hoffnung. Überhaupt glaube ich, dass Polizisten und andere Einsatzkräfte maximal unter dem Corona Regime gelitten haben bzw. Immer noch leiden.
Das stimmt. Es sind Einsatzkräfte, die oft auch gegen ihre Überzeugung agieren müssen und mussten.
Wahlen? Warum macht die SPD, jetzt 12 Prozent – Partei, immer weiter im Kampf gegen die Wirtschaft, gegen Arbeitnehmerinteressen, gegen die Atomkraft, gegen Russland, gegen China, für Aufrüstung, für Diversity, für die US-Interessen, für den Abstieg Deutschlands? Weil sie ganz sicher sein können, dass wenn nichts mehr geht, weil vom Wähler total abgestraft, sie in eine Große Koalition aus CDSPGrüneFDP flüchten können. Wählen bringt doch nichts mehr, wenn die Linke-Mitte quasi die Einheitspartei ist. P.S.: Den neuen Steigbügelhalter BSW kann man selbstverständlich dazurechnen. Er dient nur dazu, der AfD Stimmen abzunehmen, und das linke Lager zu sichern. Geniale Idee!
Hm, ich hätte natürlich dazu schreiben müssen: Ironie ist auch eine Waffe! Ich hatte mich da völlig auf Ihre Erkenntnisfähigkeit verlassen…
Es gibt nichts zu schreiben. Und nichts zu beklagen. Die Menschen kommen aus ihrem langen Sommerurlaub zurück. Die Eltern gehen zur Arbeit, die Kinder zur Schule oder in die Kita. Das Leben ist schön, sofern man zu den Wohlhabenden gehört. Ein oder zwei Häuser in bester Wohngegend, Konzertbesuche, Gartenpartys,,, und das Geld gut angelegt. Darunter wuseln wie immer die Kulis, die das System am Laufen halten. Was wären wir ohne all die Ausländer in Boutiquen, Restaurants, Bars, Segelhäfen, Hotels, Tankstellen, beim Bäcker und Arzt? Und die Toscana ist immer noch die Toscana, wie gerade wieder besichtigt. Nein, was sind diese Italiener doch für ein lebenslustiges Völkchen! Darüber schwebt eine Blase aus Politikern, Intellektuellen und Zeitungsschreibern, die viel reden und wenig machen. Wir wissen das alles und schweigen meistens dazu. Krieg? So dumm sind die nicht! Die Wirtschaft geht den Bach runter? Ach Gott, für uns und die Kinder wird’s noch reichen! Wir haben ja auch als Familie die Weltkriege überlebt. Irgendwie. Also alles wie immer! Der blanke Wahnsinn. Man muss irgendwie damit klar kommen.
“Boah, wie soll ich sagen? Is halt so, ne.” – Jo, wenn he det secht is dat wohl woahr.
Die kunstvolle Beleidigung ist fürwahr schwieriges und gefährliches Handwerk geworden.
Ach, was sehne ich mich in Zeiten Kohls zurück. Nicht, weil ich dessen Politik sonderlich schätze, sondern weil man “Birne” noch “Birne” nennen durfte.
FJS soll ja auch etwas dünnhäutig gewesen sein (gerade der…), aber den Startschuß gab dann Schröder in der weltpolitisch oberwichtigen Angelegenheit behaupteter Haartönung. Merkel zeigte sich dann etwas robuster, meines Erachtens ihr einziger Pluspunkt, aber heutige Riege… Die sollen mal Praktikum auf dem Bau, bei der Mülle oder in einer Küche machen.
Wir leben eben in einer funktionierenden Demokratie, die sich wehrhaft zeigt gegen die politischen Gegner des Establishments. Was soll daran verkehrt sein? Nur was, wenn Bolschewisten oder Faschisten diese Agenda umsetzen? Diese ganze Gewaltenteilung und andere Kontrollmechnismen werden ja erst wichtig, wenn der Wind etwas rauher wird. Zunächst lassen sich die AfD und die Wagenknechte durch Wahlbetrug u.ä. verlangsamen. Ich bin mir sicher, dass man davor nicht zurückschrecken wird, schließlich will man ja die Demokratie schützen, da heiligt der Zweck jedes Mittel, nicht wahr? Nur ist das nicht demokratisch. Ich habe mich in den letzten Jahren in neuen Parteien engagiert, um genau das jetzt zutage tretende Szenario eines Höcke auf dem Weg zum Bundeskanzler zu verhindern. Hirnlosen fiel nichts anderes ein, als uns rechtsradikal zu nennen. So ebneten sie der AfD den Weg. Wir werden sehen, ob die AfD genauso wie die Grünen, ihre Wähler verraten wird. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals wieder ein Wahllokal betreten werde.
“Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals wieder ein Wahllokal betreten werde.”
Das geht mir ganz genauso, lieber Dr. Wessel.