Fehler machen – aber richtig!

von Peter Löcke //

Immer schön freundlich bleiben. 

Warum bricht so vielen Menschen so schnell ein Zacken aus der Krone?

Wie so oft finde ich eine erste Antwort in einem persönlichen Erlebnis. Es sind die selbst gemachten Erfahrungen, die mich zudem erkennen lassen, dass sich hinter der eigenen Erfahrung oft ein größeres Thema verbirgt. Das gilt auch für das Thema Fehlerkultur & Fehlerfreundlichkeit. Wie gehe ich, wie gehen andere Menschen, wie gehen Politiker und Parteien mit ihren Fehlern um? Ich nehme die Antwort vorweg. Unkultiviert und unfreundlich. Mein persönliches Erlebnis war, Sie ahnen es, wenig schmeichelhaft für mich.

Mist! Wie konnte mir das nur passieren? In einer vergangenen Kolumne ist mir ein grober Schnitzer, ein Fehler unterlaufen. Der Fehler, das falsche Datum des Tags der Deutschen Einheit,  wurde korrigiert, ein transparenter Hinweis der Kolumne angehängt. Mein intellektuelles Versagen konnte ich mir verzeihen, sogar darüber schmunzeln. Nicht verzeihen konnte ich mir, dass mein Malheur Menschen verletzt hat, die am eigenen Leib unter dem DDR-Regime gelitten haben. Hier kann ich nur aufrichtig um Entschuldigung bitten in der Hoffnung, dass meine Entschuldigung von den Betroffenen angenommen wird. Doch weg von der Selbst- und hin zur Fremdbeobachtung. Ich begebe mich in den SM-Bereich des Lebens. SM ist bekanntlich eine Abkürzung, die für die sozialen Medien steht. Wie sieht dort die Fehlerkultur aus?

Im SM-Bereich gibt es stets einen Sender. Das kann ein anonymer Ottonormalverbraucher sein oder ein politisch Prominenter. Dieser Sender haut in einem emotionalen Ausnahmezustand einen Tweet heraus, der das Gefühlsmaß deutlich überschreitet. Oder er postet etwas, was sich im Nachhinein als blanker Unsinn erweist. Das wiederum lesen die Empfänger, das können im Extremfall Millionen Follower sein. Was passiert anschließend? Das Empfangskomittee reagiert auf den skandalösen Fehler-Tweet mit Belustigung, Häme, Empörung, Wut und vor allem mit einer ultimativen Forderung.

Lösch das gefälligst! 

Wieder zurück auf menschlicher Werkseinstellung kommt der Sender gramgebeugt der Forderung nach und löscht den Tweet, den er am liebsten nie publiziert hätte. Verzeihung. Diese Löschkultur hat etwas zutiefst Kindisches. Sie ist Fehler unfreundlich. Der Fehler wurde gemacht, der Gedanke gedacht, das Gefühl gefühlt und jeder weiß davon. Das Geschehene lässt sich durch Löschung nicht rückgängig machen. Dem Sender nicht wohlgesonnene Menschen und politische Feinde haben den Tweet ohnehin per Screenshot archiviert, um den Übeltäter ein Leben lang daran zu erinnern. Hier hilft nur eines. Man erklärt sich. Man erklärt, wie es zu dem Fehler kommen konnte, entschuldigt sich gegebenenfalls oder begründet sachlich, warum man weiter auf seinem Standpunkt beharrt. Das wäre fehlerfreundlich. Das wäre eine erwachsene Fehlerkultur. 

Was digital versucht wird, funktioniert doch im echten Leben auch nicht. Folgendes ist sicher schon jedem von uns passiert. Zur Mittagszeit rutschen Ihnen entsetzliche Sätze heraus, die Sie Ihrem Partner oder Arbeitskollegen an den Kopf knallen. Abends dämmert Ihnen, dass das ein Fehler war. Und dann? Wie auch immer Sie mit Ihrem Fehler umgehen, was auch immer sie tun oder nicht tun – eines können Sie nicht. Sie können nicht die Uhr zurückdrehen auf Frühstückszeit. Sie können nicht die eigenen Worte löschen. Genau das wird im digitalen Raum versucht. Wie kindisch!

Kindisch, unkultiviert und unfreundlich ist auch der Umgang aller Parteien mit ihren historisch begangenen Fehlern. Das gilt für die Einheitspartei „Wir DemokratenTM“ hinsichtlich gemachter Fehler und der Nichtaufarbeitung der Corona-Maßnahmen. Das gilt für die „SMU“, die Sozialistische Merkel Union, die beharrlich ihren Fehler verschweigt, dass das Motto „Wir schaffen das“ Deutschlands Karre in eine Sackgasse gefahren hat. Das gilt aktuell für die FDP im Wahlkampf. Auf den Plakaten der Liberalen stehen Slogans, die mir eigentlich aus meinem Freiheit liebenden Herzen sprechen.

Vater Staat ist nicht dein Erziehungsberechtigter!

Diesen und andere Glaubenssätze möchte ich spontan mit einem Kreuz an der Wahlurne unterschreiben. Nur fällt mir dann leider ein, dass die Liberalen in den letzten Jahren das komplette Gegenteil dessen getan haben, was sie momentan plakativ fordern. Der erste Buchstabe der FDP wurde komplett verkauft, der zweite Buchstabe in Teilen. Solange die FDP diesen Fehler nicht eingesteht, solange diese Fehlerunkultur herrscht, wirken solche Wahlkampfparolen unglaubwürdig bis lächerlich. 

Warum nur dieser unfreundliche politische Umgang mit eigenen Fehlern? All diese Fehler-Elefanten stehen für jeden sichtbar im politischen Raum. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes offensichtlich. Dennoch wird die Schuld totgeschwiegen, bestritten oder auf andere Akteure umgelenkt.

Angst vor Gesichtsverlust!

Die Antwort ist immer gleich. Es liegt an der Angst vor Gesichtsverlust. Es herrscht eine panische politische Angst davor, eigene Fehler konkret zu benennen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Schließlich könnten dadurch gleich mehrere Zacken aus der selbst gebastelten Krone brechen und dadurch Wählerstimmen wegbrechen. Die Ironie bei diesem Phänomen? Genau dieses kindische Verhalten, genau diese mangelnde politische Fehlerkultur führt in der Realität zu einem weitaus größeren Gesichtsverlust als der im Kopf befürchtete.

Wer ohne Sünde und Fehler ist, werfe den ersten Stein! Also gestehe ich Ihnen etwas. Wenn mir früher etwas Peinliches passierte, brach mir lange ein Zacken aus der Krone. Lange habe ich den Ansatz gewählt, diesen Zacken wieder anzukleben. Möglichst unbemerkt. Es sollte ja niemand von meinem Fehler erfahren. Das war ein falscher Ansatz von mir, ein Fehler.

Gesünder ist es, die Kopfbedeckung zu wechseln. Eine Narrenkappe statt einer Krone tut es auch. Die besitzt keine goldenen Zacken. Eine meiner vielen närrischen Marotten, um nicht zu sagen Fehler, ist es, Tassen mit aufgedruckten Sprüchen zu sammeln. Mit zweien dieser Tassen-Sprüche soll diese (hoffentlich fehlerfreie) Kolumne enden. 

Menschen ohne Macke sind kacke! Immer schön freundlich bleiben!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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5 Antworten

  1. In diesem Zusammenhang sei an das Bonmot Pierre du Ponts erinnert, das er 1790 vor der französischen Nationalversammlung zum Besten gab: Schlechte Logiker haben unfreiwillig mehr Verbrechen begangen als schlechte Menschen vorsätzlich.
    Und wir wissen auch, dass das Gut-gemeinte nicht immer das Gute ist.

    Daraus kann man folgern, dass das Gut-gemeinte auch ein Verbrechen sein kann. Für einen Fehler zu Lasten einer anderen Person oder zu Lasten einer dritten Person kann man sich entschuldigen und wenn der Fehler kein Verbrechen ist, kann man diesen auch verzeihen. Ist er jedoch ein tatsächliches Verbrechen, kann man diesen auch verzeihen, aber jetzt wird es wesentlich schwieriger. Jetzt kommt die Frage der Wiedergutmachung ins Spiel. Jetzt zeigt sich wer verantwortlich ist und wer die Verantwortung übernimmt. Jetzt zeigt sich, ob wir uns im Kindergarten befinden, oder ob wir tatsächlich erwachsen sind.

    Ist wie beim Fußballspielen als Kind im Hinterhof. Eine Scheibe geht zu Bruch. Alle Kinder wissen instinktiv, ups… das war nicht gut. Jetzt kommt die Frage nach der Schuld! Wer ist Schuld? Klein Willi der geschossen hat? Klein Heinrich der gesagt hat: lasst uns im Hinterhof Fußball spielen! Oder Klein Erna die gemeint hat: Die Scheiben seien alle aus Panzerglas. Oder ist es die Gemeinschaft der Bewohner die vielleicht das Fußballspiel im Hinterhof erlaubt haben? Wer zahlt die Scheibe? Wer macht den Schaden wieder gut?
    Nur ein kleines Beispiel dafür, dass wir heute beobachten können. Man kann sich auch entschuldigen, aber wer macht den Schaden wieder gut?

    Und genau hier wird es interessant . Es beginnt mit Schuldzuweisung, der ist schuld, der ist schuld …, der hat gesagt… die hat es so und so entschieden…. . Wenn es um tatsächliche Verantwortung mit Wiedergutmachung einer Schuld oder eines tatsächlichen Verbrechens geht, werden alle zu kleinen Kindern.

  2. Man könnte sich auch an Konrad Adenauer erinnern. Der hat mal – sinngemäß – gesagt:
    “Die Opposition hat gesagt, dass ich neulich das Gegenteil von dem gesagt habe, was ich heute gesagt habe. Das hab ich auch. Aber was kümmert mich heute mein dummes Geschwätz von neulich.”

    Hat irgendwie Stil, egal ob man Ihm zugetan war oder nicht. Im Gegensatz zu (beleidigten) Politikern heutzutage.

    1. Kann aber auch Ignoranz, Überheblichkeit, …. sein. Ist auch eine Art Stil, wenn diese Aussage genau untersucht wird, und man den gesamten Text kennt, dem diese Aussage zu Grunde liegt, wird der Stil ganz komisch . Denn diese Aussage hat einen Gesetzesbruch am Grundgesetzt zur Folge gehabt. Der übrigens bis heute Schaden anrichtet.

  3. Ihre freudsche Fehlleistung mit dem falschen Datum ist nicht schlimm. Ist sogar menschlich.
    Ich, der in Leipzig aufgewachsen ist, bin auch deswegen nicht angegriffen oder sonst etwas.
    Schlimm und verhöhnend ist dagegen zum Beispiel das Benehmen von Menschen wie Herrn Spahn und Herrn Lauterbach hinsichtlich ihrer Corona-Politik: keine Entschuldigung, nichts.
    Im Gegenteil: sie benehmen sich wie die Lehrer der Nation trotz aller berechtigter Kritik.
    Solche Menschen gehören nicht in die Politik. Sie sollten in Demut ganz kleine Brötchen backen.

  4. Warum nur die FDP? Man könnte weiter fragen: Warum nur in der Politik? Nicht sogar generell in der Gesellschaft? – Und geht es nicht schon in der Schule los, da man doch weiß, was warum im Kopf hängen bleibt? Da man heute die Macht von Worten und Emotionen kennt (wissenschaftlich bewiesen), wäre es da nicht besser, Gedanken, Worte und Emotionen auf das Gute zu lenken, wie es ja auch schon teilweise in dieser Kolumne geschieht? Eines ist doch glasklar: Schuldgefühle und Angst (eben auch wieder, wenn es um die eigenen Fehler geht) sind die Einfalltore für Manipulation. Schauen wir uns an, wo und von wem das verbreitet wird! Die Erkenntnis daraus dürfte erhellend sein.

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