Whistleblow

Wollen wir mal übers Essen reden?

von Antje Maly-Samiralow // 

Was ist gutes Essen? Er sagt Fleisch. Sie droht: Gemüse! Sonst Fleischentzug!

Er fügt sich ihrem Regime und lebt am Ende drei Jahre länger als sein Kumpel, dem keine Frau sagt, was er zu essen hat und der dereinst unter roten Fleischbergen sein Ende finden wird. Die genauen Zahlen habe ich nicht mehr auf dem Schirm, aber es gab Erhebungen, die dieses Phänomen epidemiologisch dargestellt und aufgeschlüsselt haben. Kurz auf den Punkt: Verheiratete Männer leben länger als allein lebende Männer. Umgekehrt schneiden die verheirateten Frauen nicht ganz so gut ab wie ihre Geschlechtsgenossinnen von der Singlefraktion. Letzterem werde ich bei Gelegenheit nachgehen; das wäre dann mal eine lohnenswerte Recherche.

Aber bleiben wir beim Essen: Denn die Frage steht ja nach wie vor im Raum. Was also ist gutes Essen? Ohne länger nachzudenken, würde ich sagen: Was schmeckt. Selbst wenn ich länger darüber nachdächte, wenn ich wirklich in mich gehen und alle gesundheitlich relevanten Aspekte einpreisen würde, käme ich zu keinem anderen Ergebnis: Alles, was mir schmeckt, ist für mich gutes Essen.

Jetzt könnten Sie natürlich versucht sein, auf die schon erwähnten Fleischberge, auf süße Kuchen und Karamellen, auf schweren Käse und triefende Fritten zu verweisen, auf die das Prädikat Gutes Essen wohl eher nicht zutreffen dürfte.

So, und jetzt wird’s kompliziert, weil individualisiert. Erstens: die Dosis macht das Gift! Zweitens: Was mir schmeckt und mir gut tut, muss Ihnen nicht schmecken und schon gar keines Falls gut tun. Diesen irreführenden Aussagen, dieses und jenes sei gesund oder eben nicht gesund, habe ich noch nie sonderlich viel Aufmerksamkeit beimessen wollen. In keinem Lebensbereich ändern sich die Moden so schnell wie auf dem Ernährungssektor. Jede Woche wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben, man kommt gar nicht mehr hinterher. 

Aktuell steht Veganismus hoch im Kurs, und ich fürchte, dass diese völlig widernatürliche Ernährung, die deutlich ideologische Züge trägt und von nicht wenigen Anhängern wie eine Religion praktiziert wird (das kommt davon, wenn man nicht an Gott glauben kann oder will und sich in völlig absurde Ersatzreligionen verirrt, irgendwann einen so eklatanten Vitamin B12-Mangel davon trägt, dass man – weil neurologisch geschädigt und nicht mehr denkfähig – auch nicht mehr rauskommt aus dem Tofusumpf), ihre Anhängerschaft eher noch vervielfältigen wird, wenn der Fleischkonsum demnächst strenger Beobachtung unterliegen und ein Zuviel vom Schwein bei der noch einzurichtenden Meldestelle als Aktennotiz verewigt wird.

Und weil wir gerade beim Schwein sind: Mir sind nur noch sehr wenige Menschen bekannt, die überzeugte Schweinefleischesser sind. Die meisten rümpfen die Nase. Ich mutmaße mal, dass deren Kalb- und Lammfleischpräferenzen daher rühren, dass sie noch nie gutes Schweinefleisch gegessen haben. Ich komme vom Dorf. Und auf dem Dorf, zumal in den 70igern und erst Recht in der DDR hatten viele ein Schwein im Stall. Meine Oma hatte immer ein Schwein. Das bekam gedämpfte Kartoffeln und was so vom Essen übrig blieb. Die Schweine meiner Tante durften den ganzen Garten umgraben, suhlten sich im Dreck und stellten den Enten und Hühnern nach. Im Winter war Schlachtzeit. Mein Urgroßvater war Schlachter, und so habe ich als Kind mehr als einmal das Blut für die Blutwurst gerührt und die Brühe im Kessel brodeln sehen, in der die Würste gebrüht wurden. Nie werde ich den Geschmack der frischen kleinen Schweineschnitzel vergessen, an die kein Kalbsschnitzel tippen kann, und sei es auch in einem Wiener Beisl in frischem Butterschmalz ausgebacken. 

Wer nie ein anderes Schweinefleisch als das aus Massentierhaltungen stammende gegessen hat, dessen Abneigung teile ich unumwunden. Dieses Fleisch schmeckt aber auch nicht, jedenfalls schmeckt es mir nicht. Bei meiner Oma kam einmal in der Woche Fleisch auf den Tisch, am Sonntag. Unter der Woche gab es Suppen, Mehlspeisen, Eiergerichte, nochmal Suppe und Pfannekuchen. Ach ja: Nudeln gab es ja auch noch. Zum Nachtisch Eingemachtes aus dem Garten, und alle waren wir satt und glücklich. 

Als Kind hatte man zu meinen Zeiten kein wirkliches Mitspracherecht beim Essen, außer eben bei der Oma, die mir stets mein Lieblingsessen machte, und das waren in der Regel Schnitzel.

Schnitzel esse ich nach wie vor gern. Noch lieber habe ich Lamm. Am allerliebsten ist mir jedoch Wild. Manchmal kriege ich eine Rehkeule von einem befreundeten Jäger oder ein Hirschgulasch. Nun könnten Sie schlussfolgern ich sei eine rechte Fleischpflanze. Nein, bin ich nicht. Ich esse Fleisch, wenn ich Appetit darauf habe. Und dann muss es definitiv Fleisch sein. Und weil wir ja zu klären versuchen, was gutes Essen ist, setze ich noch einen drauf und behaupte, dass der Appetit, der ja naturgemäß größeren Schwankungen unterliegt, genau das nachfragt, was im Moment des ausgeprägten Gustos auf Süß, Salzig, Bitter oder eben Fleisch, gut für mich ist. Und was man mit Appetit verspeist, das mundet, das macht satt und zufrieden. 

Natürlich habe ich auch schon die ein oder andere Diät ausprobiert, mich in Trennkost versucht und es mal ganz ohne Zucker versucht. Das ging nicht lange gut. Ich war überproportional schlecht gelaunt und habe aus Frust erst recht die Schokoladenvorräte geplündert. Man soll der Natur halt keinen Strich durch ihre Rechnungen machen. Das ist ein Kampf, den man nicht gewinnen kann. 

So und jetzt noch ein paar sachdienliche Hinweise zu gutem Essen: Gutes Essen ist frisch gekocht, auf keinen Fall dreimal eingefroren und wieder aufgewärmt. Gutes Essen wird erst dann richtig gut, wenn man es zelebriert: den Tisch ordentlich deckt, saubere Tischwäsche, eine Blume vielleicht, angenehme Musik, überhaupt nur angenehme Tischgespräche: keine Probleme, keine nervigen Fragen und schon gar keinen Streit. Dazu ein passendes Getränk, gern ein gutes Gläschen Wein und zum Abschluss ein süßes Finale. Warum das alles? Wozu dieser Aufwand? Na, weil man es sich und den Mitspeisenden wert ist, weil man das gute Essen wertschätzt? Aus diesem Grund wurden dereinst Tischgebete gesprochen. Es mag ein Aberglaube sein, aber ich glaube nun mal daran, dass man von all den Makro- und Mikronährstoffen am ehesten profitiert, wenn man in Ruhe und mit Genuss isst. Und da komme ich gleich zur nächsten Glaubensfrage: der Frage nach den Essenszeiten:

Auch da schwöre ich auf das Credo: ein jeder nach seinem Gusto. Ich esse beispielsweise extrem spät, man könnte mich als Nachtesserin bezeichnen. Ich weiß schon, dass das nicht gut sein soll und vielleicht ist es das ja auch. Aber ich esse erst dann, wenn ich Zeit habe, und die habe ich oft erst sehr spät am Abend. Mediterrane Regionen wie Italien oder Spanien wären für mich das passende Habitat. Wer isst dort bitte um 18:30 zu Abend? 

Unlängst habe ich einen Gastroenterologen einer bayerischen Universitätsklinik interviewt, der sich tag ein tag aus mit dem Magen- und Darmtrakt und den dort verorteten Verdauungsvorgängen beschäftigt. Irgendwie kamen wir darauf, dass auch er erst gegen Mittag frühstückt und sehr spät zu Abend isst. Da fiel mir dann doch ein Stein vom Herzen, einmal aus berufenem Munde vernehmen zu dürfen, dass mein Essverhalten nicht ganz so gestört ist, wie es meinem Umfeld erscheinen mag. 

Für meinen Mann sind meine ver-rückten Essensgewohnheiten indes schon eine Bürde. Er würde viel lieber viel früher essen. Vielleicht ist er ja der lebende Beweis dafür, dass Männer nicht zwangsläufig davon profitieren, wenn die Ehefrau die Hoheit über die Kochtöpfe inne hat. Da bleibt nur eins: selber kochen. Da kann man dann auch essen, was man für gutes Essen hält.

5 Antworten

  1. Aufgewachsen mit dem Motto ‘Fleisch ist das beste Gemüse’, und hat mir dieses irgendwann so auf den Magen geschlagen, als ich von dem unsäglichen Leid der Tiere erfuhr, dass ich dieses nicht mehr schlucken konnte. Nun esse ich seit 12 Jahren lecker vegan zubereitete Mahlzeiten, habe Gewürze und Kochweisen kennengelernt, die meine Sinne entzücken und freue mich, dass diesem Genuß kein Leid und Sterben zugrundeliegt. Was andere mögen interessiert mich nicht. Nur manchmal schlägt mir auf den Magen, wenn ich die Vorurteile über die vegane Ernährung lesen muss, aber was solls, wer den Weg in Richtung einer leidfreien Ernährung einschlägt, wird sehr schnell genügend Fakten gesammelt haben, um sich von Vorurteilen nicht verunsichern zu lassen.

  2. Wunderbar!, genau so war meine Kindheit in der DDR und auf dem Tisch gab es, das selbstgeschlachtete Schwein und alles was der Garten dazu gegeben hat.

  3. Liebe Frau Maly-Samiralow,

    ich reiche Ihnen virtuell die Hand und lächle Sie dazu spätestens seit dem drittletzten Absatz innig an, denn auch ich gehöre zur seltenen Nachtfraktion 🙂 Zumindest wenn ich alleine bin. Und von Ausnahmen abgesehen bekoche ich mich dabei, gehören gutes Geschirr und Musik dazu. Mein kleiner Luxus, ein Ritual, das sich wieder einschlich, seit ich alleine lebe. Ein paar Monate im Leben entwickelte es sich ganz extrem: Kochen um ein Uhr nachts; oder auch zwei oder gar um drei. Es war eine äußerst konzentrierte Zeit, denn meine Diplomarbeit entstand. Die Abgeschiedenheit und Dunkelheit der Nacht samt ihrer Ruhe, vor Geräuschen der Zivilisation ebenso wie denen der Natur, halfen der Konzentration ungemein und das Nachtmahl belohnte die Mühen. In Gesellschaft und Partnerschaft geht das selbstredend auch anders, dann ist eben früher Feierabend und das Gemeinsame wichtiger.

    Doch eigentlich, eigentlich wollte ich an dieser Stelle Ähnlichkeiten im Verhältnis zum Mitgeschöpf Tier hervorheben. Denn meine Eltern waren Bauernkinder, all ihre Geschwister im Dorf geblieben und dieses somit ein natürlicher Ankerpunkt auch meines Lebens; wo ich beispielsweise zehnjährig die Mondlandung erlebte, aber auch, einen oder zwei Winter davor, glaube ich, eine Hausschlachtung. Das Schwein hatte ich vorher selbst gefüttert und ebenso gestreichelt. Es trug wie seine Geschwister selbstverständlich einen Namen, war ein Individuum. Und dann wurde es gegessen! Und zwar vollständig, nichts blieb acht- und wertlos zurück. Weil Fleisch wertvolll war und auch entsprechend teuer, gab es das nur sonn- und feiertags oder zu festlichen Anlässen. Im Verlaufe langen Erwachsenwerdens entwickelte ich mich aus vielerlei Gründen fast zum Vegetarier, doch keinesfalls dogmatisch, ganz im Gegenteil. Zugleich wurde Fleisch und Schlachttiere immer billiger und mithin wertloser.

    Jedenfalls lehrte mich das Leben, dass der Mensch einerseits, ganz banal, ein Gewohnheitstier ist und auf eben diese Weise zugleich lern- und anpassungsfähig. Und dass er andererseits ein Individuum ist mit seinem naturgegebenen Schicksal einer körperliche Hülle im Diesseits, die ihm Bedingungen und Grenzen setzt. Äußerst passend fand ich zum Beispiel die Blutgruppen-These eines US-Arztes, nach der ich ein Getreideesser bin, meine Partnerin damals jedoch Fleischesser. Ebeno bin ich aus Erfahrung davon überzeugt, dass Menschen sich biologisch darin unterscheiden, wann im Tagesverlauf ihr Körper sie eher zur Leistungsspitze befähigt. Sie können sich denken, wie dies in meinem Falle ausschaut.

    Herzlichst
    Ihr W. S.

  4. Sau-gut, gefällt mir, auch wenn ich Vegetarierin bin. Ich esse gerne spät und auch, was mir schmeckt, mit einem guten Wein. Danke für diese Lebensfreude, die wir uns nicht nehmen lassen.

  5. Von allen Fleischsorten die es gibt ist mir das Schwein am liebsten. So ungesund es auch sein mag, jeder nach seinem Gusto. Lamm, Rind und Wild komme ich überhaupt nicht ran. Dann eher Geflügel außer Pute.
    Wäre vielleicht eine Überlegung wert sich eine Truhe zu zu legen bevor alles so schön verboten wird. Meine Chefin hat vegan gelebt. Und hat es ihr genutzt? Mitnichten, sie ist jämmerlich an Krebs eingegangen.
    Ich esse das was mir schmeckt, ob es gut tut weiß der Fuchs.
    Jedenfalls gehöre ich mit Sicherheit nicht zur Tofu Fraktion und das ist gut so.

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