Hört endlich auf!?
von Dr. Tom Reimer//
Es gibt keine Rechtfertigung für das Töten von Menschen. Es gibt nicht nur Schwarz und kein Weiß. Es gibt keinen allein Schuldigen in einem Krieg.
Aber es gibt Menschen, die jede Menschlichkeit verloren haben. Menschen, die Leben zerstören. Menschen, die Feindbilder konstruieren. Menschen, die nach Profit und Macht streben und dabei über Leichen gehen. Menschen, die nur sich selbst sehen, sich nicht in andere hineinversetzten können.
Der Mensch kann beides. Er kann unendlich grausam und unendlich gut sein. Gegenwärtig ist er unendlich grausam.
Er scheint von einer Rohheit und Destruktivität durchdrungen. Scheint, alle Humanität, allen Anstand verloren zu haben. Das Leid anderer Menschen sieht er nicht mehr.
Anständigkeit, Nächstenliebe, Ethik sind Fremdworte geworden. Der Mensch ist verwirrt, hat Halt und Richtung verloren. Gedankenlos und unselbstständig folgt er der beeinflussten, der modellierten Masse. Innerlich zerrissen stolper er in jede Falle, die ihm gestellt wird, greift nach jedem Strohhalm, ist er nach so dünn und brüchig.
Menschen werden eingeteilt, klassifiziert, verurteilt und diffamiert. Mensch ist nicht mehr gleich Mensch. Er ist Feind, Schuldiger, Terrorist, Gegner, Untermensch oder Ratte. Hass wird geschürt. Geschichte wird instrumentalisiert um die Missachtung der Menschenrechte zu rechtfertigen. Opfer werden zu Tätern gemacht.
Der Mensch will über andere herrschen, will reicher sein, mächtiger als sein Gegenüber und führt deshalb Krieg.
Ist das im Menschen angelegt? Ist das Teil seiner Natur? Strebt er immer danach, andere zu beherrschen und auszubeuten? Kriege gab es doch schon immer.
Ich sage: Nein. Krieg ist nicht normal, nicht selbstverständlich noch entsteht er zwangsläufig. Krieg wird gemacht und gewollt. Von Menschen. Die Kultur, die den Menschen umgibt, in der er lebt, ist entscheidend.
Beruht sie allein auf wirtschaftlichen Werten wie Konkurrenz, Profitmaximierung und Egoismus, dann schwindet das Menschliche im Menschen. Dann wird er zur Bestie, die andere Menschen tötet, um sich selbst zu bereichern.
Dabei wird er jedoch lediglich materiell reicher. Als Mensch wird er ärmer, da er alles Menschliche, alle Kunst und Kultur seinem rein wirtschaftlichen Streben unterordnet. Er vergisst, dass er ein Mensch ist. Statt das Leben zu schützen und zu erhalten, zerstört er es.
Das ist die Kultur in der wir gerade leben. Es ist eine arme Kultur.
Wir haben hier auf dieser Erde die vielleicht einzigartige Möglichkeit, überhaupt zu leben. Wir wissen nicht, ob es woanders im uns umgebenden Universum anderes Leben gibt. Und was machen wir? Wir vernichten dieses Leben. Durch Krieg, Profitgier und Machtstreben.
Die Welt ist gedankenlos geworden. Nach der globalen Angstpsychose der Corona-Zeit können wir scheinbar nicht wieder zur alten Normalität zurückkehren. Wir brauchen einen Neuanfang.
Doch muss dieser nicht durch Krieg und Zerstörung erfolgen. Wir müssen uns nicht die Köpfe einschlagen, nur weil der alte Kapitalismus nicht mehr funktioniert. Nein. Vielmehr muss die Frage danach, wie wir leben wollen, neu beantwortet werden. Die alten Werte sind hinfällig geworden. Wir brauchen neue.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir einer Ideologie folgen oder die Verantwortung an einen totalitären Staat abgeben sollten. Nein, wenn wir Menschen bleiben wollen, so schrieb einst Karl Popper, dann gibt es nur einen Weg, den Weg in die offene Gesellschaft. Wir müssen ins Unbekannte, ins Ungewisse und ins Unsichere weiter schreiten.
Dabei hilft uns unser schöpferisches Potential. Denn genauso unerschöpflich, wie die Macht- und Profitgier und die Zerstörungswut des Menschen, ist sein schaffendes, sein kreatives Potential.
Wir können eine neue Kultur aufbauen. Eine Kultur, in der das Leben wieder einen Wert an sich hat und geschützt wird. In der der Mensch sich selbst positiv sieht. Nicht als Zerstörer, sondern als Bewahrer der Natur. In der er versucht, das Leben auf seinen höchsten Wert zu bringen. In der jeder Einzelne, statt egoistisch in seiner Bequemlichkeit dahinzuleben, an sich selbst arbeitet.
In der jeder Einzelne seine überpersönliche Verantwortung wahrnimmt, indem er etwas für andere Menschen, für anderes Leben macht. Das ist Ethik – die Übernahme der Verantwortung gegen alles was lebt.
Damit wäre der Krieg hinfällig.
Ich appelliere an die Regierungen und die finanziell Mächtigen dieser Welt: Übernehmt diese Verantwortung und und hört endlich auf!
Weiterführende Literatur:
Karl Popper: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“
Albert Schweitzer: „Kultur und Ethik“
Tom Reimer: „Schaffen wir eine Neue Kultur – Weil Menschsein mehr ist als Ökonomie“
Über den Autor: Dr. Tom Reimer ist Biologe, Neurobiologe, Massenpsychologe, biologischer Gutachter, Kabarettist und Autor. Reimer lebt in der Nähe von Rostock.
13 Antworten
Es ist wirklich typisch für den Homo sapiens, dass er sich als (inzwischen immer morscher werdendes) Ästchen am Baum der Evolution für wichtiger hält als die Gesamtheit des Baumes. Die Erkenntnis aus diesem Denken: siehe Evolution…
Das ist ein wunderbarer Text! Aber er gilt nur für empathische Menschen; für diejenigen, die das aktuelle Theater inszenieren und aufführen, ist er leider völlig wirkungslos – wie immer. Ich sehe das genauso wie H. Zorn.
Zu allen Zeiten gab es Warner und Mahner vor dem Krieg, sie wurden immer mindestens überhört, oft genug auch verfolgt. Aktuell befindet sich der Film “Official Secrets – Gefährliche Wahrheit” in der ZDF-Mediathek (2003: Katharine Gun vom britischen Nachrichtendienst macht ein streng geheimes Memo der USA über den Irakkrieg öffentlich – das ist damals tatsächlich so passiert. Sofort beginnt die fieberhafte Jagd nach der undichten Stelle. Es wird nicht die Lüge und Intrige thematisiert, sondern der Leak soll zur Abschreckung bestraft werden – ganz ähnlich wie bei Julian Assange).
Aktuell läuft es in Sachen Ukraine und Gaza wieder ganz ähnlich, das Muster ist immer das selbe: Mit Lügen und Intrigen wird der Krieg gerechtfertigt und unendliches Leid entsteht (neben den gigantischen Schäden an Infrastruktur und Umwelt).
Und ich wette, die Teilnehmerzahl der Friedensdemo in Berlin am 03.08. wird auch wieder heruntergelogen.
Ich bin leider völlig hoffnungslos, dass die Menschen mit Würde und Empathie es irgendwann schaffen werden, den “Bösen” dieses Verhalten abzustellen und sie einer gerechten Strafe zuzuführen. Die ersteren werden nämlich ganz überwiegend nicht in die Parlamente gewählt.
Diese sog. Politiker unterliegen einer negativen Auslese, insofern darf man von der Mehrheit dieser seltsamen Auswahl keine Besserung erwarten. Sie tun es einfach, weil sie es können und vermutlich auch, weil sie sich irgendwann in Abhängigkeiten begeben haben, aus denen sie nicht mehr herauskommen.
Aber man kann ja trotzdem ein Apfelbäumchen pflanzen, versuchen wir also weiter das Unmögliche (nach Hesse)!
Wer meint er wäre gut (böse sind natürlich nur die anderen) betrügt sich selber. Des Menschenherz ist böse. Er bedarf der Erlösung.
Die Welt mit ihren Kriegen und Kriegern kannst du nicht retten. Die Welt ist schon gerichtet und kommt unweigerlich ihrem Ende, dem Gericht entgegen. Aber du kannst dich retten, wenn du erkannt hast, dass in dir auch nichts gutes ist. Gut ist nur einer und zu dem musst du hin.
Tom, das hast du gut geschrieben! Sogar G. war begeistert! Hinzuzufügen wäre der Slogan: Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.️
Davon gehe ich aus.
Der Text ist in seinen Grundzügen richtig. Aber: Wir brauchen keine neuen Werte. Die gelenkte Umkehrung der Begriffe führt die meisten Menschen zu einem unmoralischen handeln. Die “Lenker” sehen sich als moralisch hochstehende Menschen, welche, einhergehend mit einem ausgeprägten Narzissmus,
ihre Entscheidungen als gerechtfertigt ansehen.
Das Singular “Mensch” ist deshalb nicht richtig. Es ist die menschliche Gemeinschaft, welche durch Manipulation, auf dem Weg zur Barberei gebracht wird.
Die Werte vom Wahren, Guten und Schönen werden immer bestand haben. Seit dem Jahr 2020 hatte ich die große Freude erkennen zu können, welche Bedeutung Würde hat. Ich kam mit vielen Menschen in Kontakt, welche sich mit ihrer Würde für das Gute, Wahre und Schöne einsetzen. Auch wenn sie deshalb diskreditiert, diffamiert und finanzielle oder berufliche Nachteile haben. Ihre Würde kann ihnen keiner nehmen. Auch wenn ich mit Abscheu auf das Rudelverhalten der menschlichen Gemeinschaft blicke und dieses jegliches Vertrauen entzogen habe, so hoffe ich dennoch, dass das Gute, Wahre und Schöne wieder erblühen kann. Leider wohl erst wenn die menschliche Gemeinschaft durch ein sehr tiefes Tal der Tränen gegangen ist.
Der Mensch ist wie er ist, „… im Grunde gut“. So Bregmann in seinem Buch. Allerdings nicht alle, wie wir immer wieder erfahren. Unsere Eliten, wenn man sie so nennen will, leben das gerade richtig aus. Gesetze werden mit Schwung gebrochen, CumEx, Corona, Grundgesetz, NATO Statut usw.. Trotzdem sehen wir da oben immer noch die gleich Gesichter. Wir haben doch eine verfassungsrechtliche Gewaltenteilung, unabhängige Gerichte, die 1789 formulierten Menschen- und Bürgerrechte, den Grundsatz der innerparteilichen Demokratie, das Kartellrecht (zur Verhinderung von Monopolen), die Pressefreiheit , genauso wie das Briefgeheimnis, das im digitalen Bereich analog gelten müßte. Ja, Rechtsnormen haben wir genug. Rechtskultur fehlt leider. Ganz allgemein steht die Kultur in weiten Teilen unter der Herrschaft von Wirtschaft und Staat. So kann sie kein Korrektiv sein, Schulen und Universitäten dienen zu allererst Staat und Wirtschaft, genauso die Medien, die Bühnen und Museen. Dieses Korrektiv durch die Kultur nennt, im übertragenen Sinne, die Kriminalistik Sozialkontrolle. Dort, im Bereich der Kultur, stellt sich die möglicherweise entscheidende Machtfrage, ob das Volk Souverän sein kann und will. Es braucht eine kritische Masse von Menschen, die unabhängiges kulturelles Leben ermöglicht, das können eine große Anzahl von kleinen Schritten sein, die in ihrer Wirkung kein Widerstand sind, sondern neue Wege eröffnen.
Wunderbar. Das ist so ermutigend!
Glauben Sie wirklich, dass Ihr Appell eine Chance hat? Von Karl Valentin stammt der Satz: Der Mensch ist böse, die Menschheit gut. Er ist natürlich als Provokation gemeint. Wie kann die Menschheit gut sein, wenn der Mensch böse ist? Das Problem ist, es gibt das Böse, es gibt böse Menschen. Menschen die jedes Mitgefühl verloren haben, die sich nur um sich selber drehen, die einen psychischen Defekt haben, die pathologisch krank sind: Narzisten und andere psychisch Gestörte. Und, so wie die Menschheit seit Jahrtausenden ihr Zusammenleben, Politik genannt, organisiert, ist dies das (heimliche) Eldorado für alle psychisch Gestörten. Weil das politische System sie von jeder Verantwortung freistellt. Wo könnten solche Charactere sonst noch ungestraft ihre niedrigen Gefühle und Motive ausleben, ohne Strafe befürchten zu müssen? Und das noch unter dem für Narzisten idealen Deckmantel, „das Gute“ zu wollen? Früher ging das noch in den Kirchen, ein weiteres Eldorado für kranke Geister, wie wir heute ja alle wissen können. Was natürlich andere Menschen mit psychischen Defiziten nicht davon abhält, ihnen zu folgen. Die Mitläufer, die „Flying Monkeys“, sind ein weiteres Problem. Sie unterwerfen sich den Narzisten, um selber besser da zu stehen… Solange diese Probleme von den psychisch stabilen Menschen nicht thematisiert, und einer radikalen Lösung zugeführt werden, was extrem schwer ist (keiner hält sich für einen Idioten, keiner für psychisch gestört), kann es keine wirklich offene Gesellschaft geben.
Sehr gut formuliert. Danke
Tja. Dem kann ich nur zustimmen! Politik ist nie die Lösung, sondern das Problem. Ein System der Negativauslese!
Bis auf Ausnahmen natürlich.
Danke für diesen aufrüttelnden Text.
Möge er v.a. unsere Politiker zum Nachdenken bringen, aber auch den vielen verunsicherten Menschen Orientierung geben.