Ich pack’ das nicht!

von Peter Löcke //

Sie werden bestellt, zugestellt, abbestellt. An einem Tag werde ich gezwungen sie gegen meinen Willen anzunehmen. Am nächsten Tag warte ich sehnsüchtig, aber vergeblich, auf den Erhalt. Es gibt sie tatsächlich und metaphorisch. Sie bestimmen Fußball, Politik, Verträge, eigentlich bestimmen sie das gesamte Leben. Die Rede ist von Paketen. Deutschland ist das Land der Pakete. Eine einzige Packstation. Ich pack das nicht mehr.

Widmen wir uns zum Warmwerden dem Fußball. Hier herrscht noch Zuverlässigkeit in der Welt der bildhaften Pakete. Was passiert, wenn Harry Kane sein zweites Tor auf dem Platz erzielt? Dann schnürt er den Doppelpack. Merke: Der Torschütze benötigt einen Vorlagengeber und ist gleichzeitig Vorlagengeber für den Sportjournalisten. Bei zwei Toren wird ein Doppelpack geschnürt, bei drei Toren ein Hattrick erzielt, der sich manchmal als lupenrein herausstellt. Sollte Harry den Doppelpack kurz vor Ladenschluss, also kurz vor dem Schlusspfiff erzielen, macht Harry was? Dann macht er den Deckel drauf. Welchen Deckel auf welchen Topf? Das weiß ich nicht. Der springende Punkt ist, dass beim Fußball für jede Situation ein gängiges Sprachbild existiert. Meine Lieblingsmetapher ist „er schnürt den Doppelpack“. Beim Fußball herrscht also noch Zuverlässigkeit beim Schnüren der Pakete. Ganz anders sieht es aus, wenn tatsächliche Pakete geschnürt werden.

Lange habe ich mich gewehrt, kurz vor Weihnachten war es soweit. Die erste online-Bestellung eines Paketes. Ja, lachen Sie ruhig! Das ist ja wie beim Fußball. Das war mein erster Gedanke. Auch hier gibt es einen Liveticker, der sich „Sendungsverfolgung“ nennt. Die lange Geschichte der Sendungsverfolgung verfolgt mich bis heute. Daher springe ich direkt ans Ende der Geschichte, das war in der zweiten Januarwoche, als mein Paket im wahrsten Sinne des Wortes endlich Fahrt aufnahm. Dank Track & Trace konnte ich den Paketboten fast schon riechen. Und endlich war sie da. Sie war da, die Mitteilung, nicht es, das Paket. Ich war leider nicht zu Hause war, als ich zu Hause war. Also durfte ich mir meine Bestellung abholen. Bei der Packstation des nahegelegenen Discounters? Nein. Bei einem türkischen Kiosk am anderen Ende der Stadt. Nun gut. Vielleicht lag der Fehler bei mir und ich habe ein falsches Paket gebucht. Amazon Crime! Die wirklichen Paketverbrecher sind ohnehin nicht in der Wirtschaft zu suchen, sondern in der Politik.

Maßnahmenpaket! Wir haben ein Maßnahmenpaket geschnürt und nun wird alles besser.

Bei welchen politischen Themen werden Pakete geschnürt? Bei ausnahmslos jedem brisanten Thema. So wie der Sportjournalist beim Doppeltorschützen mit Ansage den Doppelpack schnürt, schnürt die Politik mit Ansage ein Maßnahmenpaket. Wenn das Volk aufmuckt, wenn die mediale Hütte brennt, wenn also der Druck steigt wegen Corona, Krieg, Inflation, Migration und so weiter und so fort, hat das immer ein Paket zu Folge. Das politische Maßnahmenpaket sediert den wütenden Bürger und suggeriert ihm gleichzeitig politische Handlungsstärke. Wie sieht so ein Maßnahmenpaket in der Regel aus? Die sprachliche Verpackung ist bunt, der Inhalt besteht aus heißer Luft, die Portokosten gehen in den Milliardenbereich. Das weiß auch der neue Kanzler. Was kündigte Friedrich Merz als eine seiner ersten Amtshandlungen an? Ein Verteidigungs- und Wehrpaket, frankiert mit Briefmarken im Wert von 200 Milliarden Euro. Pardon, Herr Merz. Das Paket hat niemand bestellt. Und die wenigsten Bürger sind bereit für die Portokosten aufzukommen. Ihr Maßnahmenpaket erhalten Sie gerne unfrei zurück. Ich will es nicht.

Apropos nicht wollen – wie viele Verträge haben Sie in Ihrem Leben abgeschlossen, die sie in der bestehenden Form längst nicht mehr wollen? Sei es ein TV-Abonnement, ein Handyvertrag oder eine Versicherung. Mir ist etwas aufgefallen. Um solch einen Vertrag abzuschließen, reicht anno 2025 ein Ja am Telefon oder das Drücken eines Online-Buttons. Um aus dem identischen Vertrag rauszukommen, braucht es mindestens ein Einschreiben mit Rückschein und selbst das bietet keine absolute Sicherheit. Menschliche Ansprechpartner erreicht man selten oder oft nur nach einstündiger Warteschleife. Genau das habe ich ein Mal durchgezogen. Eine Stunde Wartezeit mit Fahrstuhlmusik, bis mich endlich eine Stimme begrüßte. Der freundliche Callcenter Agent hörte meinem Anliegen, dem Wunsch nach Kündigung meines Vertrags, mit antrainierter Empathie zu. Die Antwort konnte ich mir dennoch nicht verpacken.

„Ich kann Ihnen ein anderes Paket anbieten.“

 

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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