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Konferenzschaltung

von Peter Löcke //

Ausnahmsweise kein Corona. Zur Zerstreuung möchte ich mich dem Fußball widmen. Genau genommen der Radio-Konferenzschaltung des WDR 2 am Samstagnachmittag. Ob diese sich wirklich so zugetragen hat oder nicht doch dem Relotius in mir entsprungen ist, überlasse ich der Phantasie des Lesers.

Studio Köln/Tom Bayer: Kurz vor der Halbzeitpause steht es immer noch 0:0 im mit Spannung erwarteten Rheinderby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach. Ich übergebe an unseren Reporter im Stadion, Manni Breuckmann. Wie sind deine Eindrücke vor Ort, Manni?
Stadion Köln/Manni Breuckmann: Gespenstisch, Tom. Gespenstisch. Trotz eines Hospitalisierungsindexes von 4,9 und einer Inzidenz von 347 ist das Stadion mit 50.000 Zuschauern randvoll besetzt. Ein Superspreaderevent, auch wenn selbstverständlich 2 G herrscht. Viele Masken sind verdreckt und hängen auf halb acht … es sind erschreckende Bilder, die sich hier …
Studio Köln/Tom Bayer: Das Spiel, Manni. Bleib bitte beim Spiel. Die Zuhörer sind genervt vom Thema Corona.
Stadion Köln/Manni Breuckmann: Entschuldige, Tom. Entschuldige. Freistoß Köln. Eine neue Variante, die …
Studio Köln/Tom Bayer:  Eine Vaaaaariante? Waaaas ist da …?
Stadion Köln/Manni Breuckmann: Eine Freistoßvariante, Tom. Mehr nicht. Beruhige dich und unterbrich mich nicht ständig. Meier nun zu Müller, der wieder zurück zu Meier. Der flankt. Die Flanke kommt gefährlich in den Strafraum, gleich mehrere Spieler gehen zu Boden und … ein Pfiff ertönt. Elfmeter! Es gibt tatsächlich Elfmeter für Köln. Ich konnte auf Anhieb nicht erkennen, welcher Spieler hier gefoult wurde und … da kommt schon das Zeichen aus dem Keller in Köln. Die Szene wird nochmal überprüft. Ich übergebe an unsere Reporterin Sabine Töpperwien, die wie immer direkt aus dem Keller berichtet.
Keller Köln/Sabine Töpperwien: Danke, Manni. Danke. Ich muss flüstern, während ich die Headset -Kommunikation zwischen Videoschiedsrichter und Feldschiedsrichter verfolge. Der VAR scheint sich seiner Sache sicher zu sein. Ja, so ist es. Nun ist es amtlich. Der Elfmeter wird zurückgenommen. Die Bilder zeigen eindeutig: Sämtliche Gladbacher Abwehrspieler haben sich vorbildlich an Kontaktreduzierung und Abstandsregeln gehalten. Mit anderen Worten …
Stadion Köln/Manni Breuckmann: … mit anderen Worten: Es war eine Schwalbe. Danke Sabine. Ich muss dich leider unterbrechen. Momentan spielen sich am Spielfeldrand tumultartige Szenen ab. Soeben ist der Kölner Trainer auf die Tribüne verbannt worden. Ich übergebe an unseren Schiedsrichter-Experten Lutz Michael Fröhlich am Spielfeldrand. Was genau ist passiert, Lutz?
Spielfeldrand Köln/Experte Fröhlich: Dem vierten Offiziellen blieb keine andere Wahl. Offensichtlich verärgert wegen des nicht gegebenen Elfmeters verließ der Kölner Trainer seine ihm zugewiesene Coaching-Zone. Dabei ließ er sich zu der rassistischen Äußerung „Ich ärgere mich schwarz“ hinreißen.
Stadion Köln/Manni Breuckmann: Das ist heftig, Lutz. Ein Eklat. Was ist sonst noch geschehen und wagst du eine Prognose, wie mit diesem Skandal nun umgegangen wird?
Spielfeldrand Köln/Experte Fröhlich: Gute Frage, Manni. Als oberster Lehrwart möchte ich betonen, dass Emotionen beim Fußball durchaus erlaubt und gewünscht sind, nicht aber wie hier geschehen Kopfschütteln und wildes Gestikulieren mit dem Zeigefinger. Eine Task Force bestehend aus Mitgliedern des DFB-Kontrollausschusses, des DFB-Ethikrates und des DFB-Rassismusbeauftragten wird sich in der kommenden Woche mit dem Fall beschäftigen.
Stadion Köln/Manni Breuckmann: Danke für deine Einschätzung, Lutz. Das Spiel ist mittlerweile in die Halbzeitpause gegangen. Torlos, aber alles andere als ereignislos. Ich gebe vorerst zurück ins Studio an das angeschlossene Staatsfunkhaus. Wie ich gehört habe, haben wir heute einen besonderen Halbzeitgast, Tom. Verrätst du uns mehr?
Studio Köln/Tom Bayer: Danke, Manni. Danke. Eben noch im Impfbus vor dem Stadion, jetzt schon die Treppe hoch zu uns ins Studio … ich begrüße den Epidemiologen und Gesundheitsexperten der SPD, Karl Lauterbach. Herr Lauterbach …
Studio Köln/Karl: Lauterbach Nenn mich ruhig Karl, Tom.
Studio Köln/Tom Bayer: Danke, Karl. Du siehst mitgenommen aus. Was bewegt dich?
Studio Köln/Karl: Omikron. Ich sag nur Omikron. Die neue Variante ist um 86 % tödlicher als Delta und um 134,7 Prozent tödlicher als das Wuhan-Ursprungsvirus, für das die Impfstoffe ja konzipiert wurden. Und hier im Stadion in Köln boxt der Papst im Kettenhemd. Teilweise verhalten sich die Menschen wie Menschen. Das ist unverantwortlich.
Studio Köln/Tom Bayer: Das stimmt also doch mit der neuen Variante? Gnade uns Gott. Aber zunächst, liebe Zuhörer, folgen Verbraucherhinweise des Bundesgesundheitsministeriums. Wir sind gleich wieder zurück. Heute in der Halbzeitpause am Omikron im Studio … Karl Lauterbach … wir sind nun off, Karl. Du kannst offen reden.
Studio Köln/Karl: Ich bin fix und alle. Wurde gerade eben am Impfbus mit rohen Eiern beworfen …
Studio Köln/Tom Bayer: Um Gottes Willen. Waren es Coronaleugner, Impfgegner, Rechtsradikale?
Studio Köln/Karl: Nein, nein. Die Tat eines einzelnen. Laut Polizei war die vermummte Person eine Frau, ehemalige Politikerin und soll angeblich Sahra heißen … mehr weiß ich auch nicht. Ansonsten war ja nichts los. Die Idee eines Impfbusses an einem Ort, wo nur Geimpfte hindürfen, war suboptimal. Scheiß Frauen, scheiß Quote. Nur deswegen werde ich nicht Gesundheitsminister. Ich spiele schon mit dem Gedanken an eine Geschlechtsumwandlung …
Studio Köln/Tom Bayer: Kaaaaarl … wir sind in drei Sekunden wieder auf Sendung … willkommen zurück, liebe Zuhörer. Lieber Karl. Du bist bekannt für deine Expertise und deine zutreffenden Prognosen in der Coronakrise. Wie geht das Spiel heute aus? Wie endet das Derby? Wagst du einen Tipp?
Studio Köln/Karl: Ich warne vor der letzten Welle der Gladbacher. Die sind laut meinen Studien am Ende eines Spiels besonders gefährlich. Ich tippe auf einen 4:1 Auswärtssieg.
Studio Köln/Tom Bayer: Danke für deinen Besuch, Karl. Wir sehen uns im Cateringbereich des WDR beim üblichen Gelage. Save the date. Bis gleich.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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4 Antworten

  1. Ja, schade, dass es so etwas Geniales nicht mehr gibt, und Wir gezwungen sind, neoliberalen Fußball im Tivi zu glotzen.
    Aber Einer der Großen, wenn auch aus dem genannten Medium, fehlt noch: Béla Réthi!
    Danke für Ihr großartiges Zeitzeichen!
    Zitat: “Little things are precondition for greater things to come.”

  2. Lieber Herr Löcke, mit dieser Glosse haben Sie das Groteske der herrschenden Situation wieder mal höchst wortgewandt gezeichnet.
    Der Impfbus vor einem Stadion voller bereits Geimpfter … *lach* Das ist wie das Schild am Impfzentrum, auf dem zu lesen steht “Zutritt nur für Geimpfte”.
    Die Menschen verlieren den Verstand, die Dumm(pf)heit grassiert und sie merken es nicht.

  3. Smile, smile, smile, sonst ist dem nicht viel hinzuzufügen … außer vielleicht, dass ich früher viele, viele Jahre, man könnte sogar sagen: viele Jahrzehnte lang … hoppla, das war zuletzt zwar durchaus korrekt, aber auch sprachlich irgendwie vom Klabauterbachschen Duktus befallen, einer scheinbar besonders ansteckenden Mutante … also: Früher war ich riesengroßer Fan des samstäglichen Radioformates. Lang, lang ist’s her. Herr Löcke, es war mir ein Genuss 🙂

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