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Krieg und Frieden – und wieder Krieg

von Bartender B. Stehle //

Vor der Pandemie war es üblich, dass Menschen eine Lokalität betraten, ein Restaurant oder eine Bar, sich an einen freien, nicht explizit reservierten Tisch setzten und darauf warteten, von einem Kellner begrüßt und bedient zu werden. Seither jedoch hat es sich etabliert, dass Menschen eine leere Bar betreten und verunsichert fragen, ob es noch einen Tisch für zwei Personen gibt. Wir haben dieses Gebaren, diese neue Normalität, schnell verinnerlicht und betrachten dieses Verhalten nun als Standard. Dieses Phänomen, dass sich Menschen schnell an bestimmte Begebenheiten gewöhnen können, ist aus evolutionärer Sicht sinnvoll und wird in der Psychologie als shifting baselines bezeichnet. Ein anderes, daran angelehntes Bild für ein ähnliches Verhalten, ist der Frosch, der (angeblich) nicht darauf reagiert, wenn die Wassertemperatur, indem er sitzt, langsam erhöht wird. Anders ausgedrückt dient der jeweilige kulturelle, gesellschaftliche oder politische Rahmen, indem wir uns bewegen, als Referenz für das, was wir als normal empfinden und somit nicht hinterfragen. Sich dessen bewusst zu sein und darüber zu reflektieren, kann hilfreich sein um zu erkennen, wie ein Abdriften vom Kurs voranschreitet.

Wohin hat sich unser System entwickelt, wenn eine Politikerin, die offensichtlich ungesunde Essgewohnheiten pflegt, uns Ratschläge im Bereich der Ernährung erteilt? Wenn ein inkompetenter Kinderbuchautor weitreichende wirtschaftliche Entscheidungen zu verantworten hat? Derart ätzende Polemiken sind en vogue und dienen lediglich dem Abbau von Frust. Dahinter steckt das tieferliegende Problem, dass unser politisches System jene Berufspolitiker befördert, die sich medial inszenieren können und vor allem das Spiel der Seilschaften innerhalb der Parteien verstehen, jedoch über keinerlei Kompetenz in ihrem Fachbereich verfügen. Noch allgemeiner kann beobachtet werden, dass es jenen in Verantwortung auf erschreckende Art und Weise an einem moralischen Geländer sowie Berufserfahrung mangelt. Der Referenzrahmen scheint sich nur noch darauf zu begrenzen, zu verstehen, worüber nicht gesprochen werden sollte und welcher Standpunkt gemieden werden muss, um nicht gecancelled zu werden. Besonders im Bereich der internationalen Politik wirken das Zusammenkommen von shifting baselines und Politikern ohne Rückgrat zutiefst bedrohlich.

Wir erleben derzeit in Osteuropa sowie im Nahen Osten zwei Konflikte, die enormes Leid mit sich bringen und deren Tragweite nicht absehbar ist. Auf wirtschaftlicher Ebene erweitern die sogenannten BRICS-Staaten ihren Radius und vertiefen ihre Zusammenarbeit. Dieser Block formiert sich immer stärker gegen die G7-Staaten und es kommt zu einer De-Integration der Weltwirtschaft. Sanktionen sowie der Wegfall von russischem Gas erschweren den Handel sowie die Energieversorgung. Die Explosionen der Pager und anderer Elektrogeräte im Libanon können zu einem weitreichenden Vertrauensverlust in westliche Technologien führen.

Auf militärischer Ebene wird häufig das Bild der Eskalationsleiter herangezogen. Mit jedem weiteren Schritt nach oben werden neue Maßnahmen diskutiert, die, schreitet man auf der Leiter ein paar Schritte zurück, zuvor völlig undenkbar waren. Das Rollen deutscher Panzer Richtung Moskau oder eine direkte technische Unterstützung bei Angriffen mit Langstreckenraketen auf russisches Territorium können hier als Beispiele genannt werden. Das Problem solcher Dynamiken ist, dass sie zuweilen Ähnlichkeiten aufweisen mit der jungen Katze, die zwar auf den Baum hinaufkommt, jedoch nicht weiß, wie sie wieder nach unten kommt.

Wir haben uns nun in beiden Bereichen, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch, daran gewöhnt, dass die Eskalation immer weiter voranschreitet. Dieser Eindruck, sich in einer Spirale der Eskalation zu befinden, wird durch die Art der Berichterstattung durch die etablierten Medien verstärkt. Hierzu gehören die jeweilige Wortwahl bei Überschriften (es ist der „Russische Angriffskrieg auf die Ukraine;“ aber kann sich jemand daran erinnern, vom „Amerikanischen Angriffskrieg auf den Irak“ gelesen zu haben?) genauso wie die Entmenschlichung der Gegenseite. Vor allem aber ist es die Auswahl beziehungsweise die Gewichtung der Themen, die zu einem

verzerrten Bild der Lage führen und die Eskalation als einzig möglichen Weg plausibel erscheinen lassen.
Die Sorge ob dieser dramatischen Lage scheint bei den meisten westlichen Politikern befremdlich gering. Der Journalist Jürgen Leinemann hat in seinem Buch Höhenrausch herausgearbeitet, dass die Generationen, die den Zweiten Weltkrieg unmittelbar oder aus direkter Erzählung miterlebten, verinnerlicht hatten, dass Frieden von größter Bedeutung ist. Ihre Erfahrungen dienten ihnen als Geländer für ihr Handeln. Allgemeiner gesprochen haben Historiker immer wieder beobachtet, dass Gesellschaften, die unmittelbar erfahren haben, was Krieg bedeutet, viel daran gelegen ist, diesen zu vermeiden. Der derzeitige Umgang westlicher Politiker mit diesen Konflikten ist verantwortungslos und eine Abkehr von etablierten Denk- und Vorgehensweisen seit dem Zweiten Weltkrieg.

Ein bezeichnendes Beispiel für das Zusammenkommen von shifting baselines und dem Agieren blinder Politiker kann an einer Frage aufgezeigt werden: wer erinnert sich an eine weitreichende Initiative der Europäischen Union für Friedensverhandlungen während der letzten Jahre? Allein die Forderung nach einer solchen erscheint als Affront. Dabei wird gerne auf die gescheiterte Appeasement-Politik der 1930er Jahre verwiesen. Jedoch hinkt dieser historische Vergleich an vielen Stellen und kann als Totschlagargument missbraucht werden. Die Argumente beziehungsweise die Bedürfnisse der Gegenseite werden nicht gehört, da ihnen eine radikale Unberechenbarkeit unterstellt wird. Letztere wird von zahlreichen Historikern und Politikwissenschaftlern widerlegt [1], jedoch finden diese Argumente im öffentlichen Diskurs keinen Raum. Ähnlich wie während der Pandemie suggeriert die öffentliche Darstellung fälschlicherweise, dass unter Experten Einigkeit bestehen würde. Im Juli unternahm Viktor Orbán einen solchen Versuch. Die Zeit leitete ihren Bericht mit folgenden Worten ein: „Seit wenigen Tagen hat Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft inne, jetzt will Ministerpräsident Orbán in Russland über Frieden sprechen. Die EU kritisiert ihn dafür deutlich.“ Dass diese völlig absurde Nachricht als normal empfunden wird, ist Ausdruck der Situation, die dieser Beitrag grob skizziert hat und reflektierte Menschen nur besorgt zurücklassen kann.

Quellen

[1] Hierzu zählen Prof. John J. Mearsheimer, einer der bedeutendsten Politikwissenschaftler unserer Zeit, Prof. Jeffrey Sachs.

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5 Antworten

  1. Es gibt mehrere grosse Themenbereiche, die wie Elefanten im medialen Raum stehen, über die jedoch nicht grundsätzlich debattiert werden soll, da sie mehr oder minder tabuisiert sind: An erster Stelle das Projekt des Vereinigten Europa, des Weiteren die ungezügelte Migration, die wirtschaftliche Schieflage und Überschuldung der westlichen Volkswirtschaften, den Neokolonialismus des Finanzkapitalismus, die unzähligen Kriege des US-Imperiums und die Unterstützung durch seine Vasallenstaaten (Vasallenstaat ist übrigens ein Terminus Technicus der Geopolitik), die Unterdrückung der Palästinänser durch Israel, den Ausbau der NATO im Osten und der Ukraine – Krieg mit Unterstützung durch EU und NATO. Seit neuestem noch die Folgen der Pandemiepolitik. Wer an diesen Tabus ernsthaft kratzt, wird medial kaltgestellt und persönlich drangsaliert. Behandelt werden diese Themen durchaus, aber affirmativ und den Narrativen folgenden, höchstens pseudokritisch. Dabei bedient sich der Staat, die herrschende links-grün-konservative Mitte und ihre Parteien, vieler Vorfeld – und Hilfsorganen, da er selbst ja durch das Grundgesetz zur Wahrung der Meinungsfreiheit verpflichtet ist. Eine wirklich offene Debatte findet, auch in den meisten Social Media nicht mehr statt. Der Frosch wird langsam gekocht, d.h die Eskalationsleiter ständig hinaufgeführt. Sprachfloskeln, Wiederholung und Verstärkung sind die gängigen Mittel. Das alles könnte unter den Augen einer wirklich linken oder liberalen Öffentlichkeit nicht stattfinden. Man hat den Sozialisten den Schneid abgekauft und sie mit der Jagd nach Neonazis abgelenkt, während die Liberalen zur Zahnärztepartei verkommen sind. Die Neocons treiben weltweit ihr Unwesen. … Orwell sah das in seinem Roman 1984 alles voraus, als er den „Neusprech“ formulierte: „Krieg bedeutet Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke“. Und die Partei (en) haben immer recht. Und die Medien sind ihre Sprachrohre. Also nichts Neues unter der Sonne. Die Wiederkehr des Immergleichen. Die Kostüme wechseln, das Schauspiel ist immer das gleiche.

  2. die Katze auf dem Baum war nicht in der Lage zu verstehen das ihr Rückweg schwierig bis unmöglich ist.
    Das mag auch für unterbelichtetes Personal wie Habeck, Baerbock, Grüne allgemein etc. gelten.
    Deren geistiger Horizont entspricht sicher nicht mal dem einer Katze.
    Eine Merkel, v. d. Leyen, Scholz, Lauterbach, Spahn, Lindner, Merz, Kiesewtter etc. handeln hier ganz klar mit Vorsatz.
    Dieses o.g. Pack hat den Helikopterservice für bei den weltgrößten Finanzverwaltern sowie der Pharma- u. Rüstungsindustrie gebucht. Politiker wie Trump, Orban, bringen den Shuttle Service in Erklärungsnot.

    1. Ich stimme hier teilweise zu. Die Grünen auf ihre Inkompetenz und arrogante Dummheit zu reduzieren, führt am Kern der Probleme vorbei. Einen totalitären, ideologisch basierten Machtanspruch kann man bei einigen grünen Figuren durchaus erkennen. Bei der besten Aussenkriegministerin aller Zeiten offensichtlich vermengt mit infantilster Dummheit, so dass man die ideologische Bösartigkeit kaum noch erkennt. Bei Habeck ist ein eiskalter Wille zu einer totalitären Machtentfaltung unübersehbar, er befindet sich auf dem Kriegspfad gegen das eigene Volk, das er zutiefst verachtet. Ich bezeichne ihn zuweilen als den “grünen Pol Pot”, da ich ihn aufgrund seiner unübersehbaren Charaktermängel für ungemein gefährlich halte. Die Beschreibung der Grünen mit den Begriffen “Inkompetenz” und “arrogant anmassende Dummheit” ist also meiner Einschätzung nach eine echte Verharmlosung dieser destruktiven Bande.

    2. wir werden von bewusst dumm ausgesuchten , inkompetenten Verbrechern regiert, die im Auftrag der USA Deutschland und Europa handlungsunfähig machen sollen.
      Beweis ist die unsägliche Terroristentochter von der Leyen.

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