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Louis van Gaal und der Obdachlose

von Peter Löcke //

Der Suizid von Clemens Arvay. Die große Friedensdemonstration in Berlin. Langjährige, einheimische Mieter, denen wegen kommunalem Migrationseigenbedarf gekündigt wird. Ein Seniorenheim, das aus identischem Grund schließen muss, um Platz zu schaffen. Das war lediglich ein kleiner Auszug an aktuellen Nachrichten, die einzeln betrachtet groß genug wären, um näher beleuchtet zu werden. Nur machen die immer schneller werdende Taktung solcher News sowie der einseitige Umgang der Leitmedien mit all den Themen zunehmend sprachlos. Krieg, Klima, Corona, Migration, Inflation, Gendersprech und dann wieder von vorne. Manchmal scheint Anhalten, Innehalten und Abstandhalten die gesündeste Lösung zu sein. Daher geht es in dieser Kolumne im weitesten Sinne um Abstand. Um welches Thema genau? Ich spanne Sie noch etwas auf die Folter. 

Louis van Gaal alias Tulpen-General. Auch Nicht-Fußballfans ist die 71-jährige Trainerlegende aus den Niederlanden ein Begriff. Prinzipientreu, eigenbrötlerisch, stur, oft schlecht gelaunt, weil ständig im Clinch mit den Medien. Mit anderen Worten: Ein Typ mit Ecken und Kanten. Ein Typ, den man einfach gerne haben muss. Manieren und ein respektvoller Umgang sind einem van Gaal wichtig. Ob als Bondscoach oder Trainer des FC Bayern – seine Spieler hatten ihn gefälligst zu siezen. Doch es blieb nicht bei den kickenden Millionären. Selbst seine beiden erwachsenen Töchter müssen Papa van Gaal bis heute mit „Sie“ anreden. Als ich das vor langer Zeit zum ersten Mal las, musste ich laut lachen. Mittlerweile lache ich nicht mehr und damit endlich zum Thema dieser Kolumne: Jeder Hinz und Kunz duzt mich heute. Ungefragt. Zu wenig Abstand. Zu wenig Anstand.

Es fängt bei Jugendlichen und Kindern an, die mich wie selbstverständlich in der Straßenbahn oder der Fußgängerzone duzend ansprechen. Dann reagiere ich im Tonfall des studierten Germanisten Robert Habeck. „Das Du kriegst du nicht, Alter!“

Hier hält sich meine Kritik in schamhaften Grenzen. Schließlich ist die Erziehung meiner Generation für das Phänomen mitverantwortlich. Und war ich nicht selbst ein kleiner Rebell? Nun gab und gibt es in Berlin Bestrebungen der JuSos, dass Schüler und Lehrer sich zukünftig duzen sollen. In der JuSo-Logik für ein besseres, vertrauenswürdiges sowie friedfertiges Miteinander zwischen Pädagoge und Pennäler. Vielleicht ist das ja so. Vielleicht jedoch hat es seinen Grund, dass Berlin Schlusslicht bei allen Pisa-Studien ist und gleichzeitig Tabellenführer beim Thema Gewalt an Schulen. Gerne würde ich Louis van Gaal fragen. Der ist nämlich neben Fußballtrainer studierter Pädagoge. Zudem gilt das Verhältnis zu seinen ihn siezenden Töchtern als innig und vertraut.

Wären es nur Kinder, könnte ich damit leben, doch Frau Hinz und Herr Kunz lauern mittlerweile überall. Der Verkäufer im Telekommunikationsladen duzt mich. Der von mir bestellte Handwerker duzt mich. An meinem knackigen Aussehen kann es nicht liegen. Das wäre ja schön, doch die Zeiten sind vorbei. Woran liegt es dann?

Von meinem Umfeld zu den Medien. Ich werde teilweise von TV- und Radiomoderatoren geduzt und damit ist nicht der KinderKanal gemeint. In den Communitys dieser Formate ist es bereits Usus, der Leserschaft per „Du“ zu begegnen. „Sagt uns eure Meinung zum Thema und folgt unseren sozialen Kanälen!“ Das ist mir sprachlich zu nah und aufdringlich. Nebenbei gesagt: Wenn ich bei Arte oder im ZDF aufgefordert werde, eine Tierdokumentation über Braunbären zu kommentieren, brauche ich kein zusätzliches Bären-Emoji. Schrift ist einst aus Bildsprache entstanden. Die Menschheit scheint sich zurück entwickeln zu wollen. Ich schweife ab.

Zurück zum Duzen und zur Werbung. Ich möchte mir ein youtube-Video anschauen, doch zuvor springt mich im Ad-Block ein angeblicher Selfmade-Millionär an. „Wenn Duuuuuu endlich auch erfolgreich sein willst, dann …“. Umgehend schalte ich den Ton aus und spreche ein ernstes Wort mit meinem PC. „Hör mal zu, du Arsch. Ich schreibe lieber als beruflich erfolgreich zu sein. Falls ich mich irgendwann umorientiere, dann sicher nicht, indem ich tausend Euro für dein doofes Online-Seminar ausgebe.“

Wie Sie sehen, neige ich zu kurzen Wutanfällen. Dann beruhige ich mich und finde schnell zurück auf eine sachliche Ebene. Auch jetzt. Nicht das Du ist das eigentliche Problem, denn das Du bedeutet Nähe und Nähe ist etwas Schönes. Das Problem ist das aufgezwungene Du, die erzwungene Nähe. Jeder Zwang ist unangenehm. Jeder Zwang ist übergriffig. Das auferlegte Du gleicht der AHA-Regel des RKI. Nur mit umgedrehten Vorzeichen. Ein gesetzlich vorgeschriebener Abstand kann ebenso unmenschlich sein wie eine sprachlich vorgeschriebene Nähe. Jeder Mensch soll selbst und frei entscheiden dürfen, welche Distanz sich gesund für ihn anfühlt.

Es gibt Hoffnung. Der eigentliche Impuls für diese Kolumne war nämlich eine kurze wie schöne Begegnung vor einem Bahnhof im tiefen Ruhrgebiet. Auf meinen Zug wartend, dabei eine Zigarette rauchend, sprach mich ein offensichtlich obdachloser Mensch an. So weit so normal im besten Deutschland aller Zeiten. Nicht normal war, wie er es tat.

„Entschuldigen Sie bitte. Ich möchte Sie wirklich nicht belästigen. Könnte ich Ihnen eine Zigarette abkaufen?“

Dabei lächelte er mich unsicher an, behielt schamhaft einen Respektsabstand von etwa einem Meter ein. In seiner ausgestreckten schmutzigen Hand lag ein 50 Cent-Stück. Ich war berührt ob so viel Manieren und Höflichkeit. Das bin ich nicht mehr gewohnt. Ich war dermaßen perplex, dass ich dem Unbekannten aus lauter Dankbarkeit meine ganze Schachtel schenkte. Als ich meine Worte wieder fand hatte ich zwei Fragen an den Obdachlosen.

„Sie haben nicht zufällig eine Zigarette für mich?“ Er lachte laut und gab sie mir.
„Sie sind nicht zufällig der uneheliche Sohn von Louis van Gaal?“ Die Frage verstand er nicht. Dennoch lächelte er weiter. Wir waren uns menschlich sehr nah.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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11 Antworten

  1. Na ich weiß nicht, ich kann mich dem nicht anschließen. Ich kenne das nicht. Ein aufgezwungenes Du. Vielleicht bin ich da anders. Ich Duze niemanden aufs Geratewohl und schon gar nicht ältere Herrschaften. Im Bekannten und Freundeskreis würde ich es merkwürdig finden wenn wir uns Siezen. Ich glaube Lisa Eckart sieht das ähnlich wie Sie Herr Löcke. Solange der Umgang trotzdem Respektvoll ist, ist es für mich nicht so wichtig ob es Du oder Sie ist. Tatsache ist aber auch das selbst wenn ich das Du angeboten bekomme von Personen die ich jahrelang gesiezt habe, es mir schwer fällt ins Du zu verfallen. Für mich gibt es wichtigeres im Moment.

  2. Meine Großmutter (Jahrgang 1900) wurde desöfteren von einem unserer Nachbarn als “Oma” angesprochen und geduzt. Ich erinnere in liebevollem Respekt für sie, wie sie darauf stets energisch und selbstbewusst antwortete: “SIE sind nicht mein Enkel, für Sie bin ich immer noch Frau Winkelmann.” Das “du” ist ein Angebot, das man jemandem machen kann aufgrund einer gemeinsamen Erfahrung. Und es gehört zur gelungenen Kommunikation, dass der andere es ablehnen darf, weil es ihm möglicherweise zu weit geht. Ich habe im Berufsleben stets gute Erfahrungen damit gemacht, Frau Stallbörger zu sein. Das schafft in diesem Umfeld eine Distanz, die in meinen Augen wichtig ist. Vielen Dank für diesen Beitrag, Herr Löcke!

  3. Lieber Herr Löcke,

    vielen Dank für diese, wieder einmal, sehr gelungene Kolumne. Ja, dieses Thema verfolgt uns auch und wir haben auch schon Firmen angeschrieben und uns gegen diese dauernde Duzerei an jeder Ecke verwahrt. Und wenn man schriftlich geduzt wird, geböte es wenigstens die Höflichkeit, das “Du” großzuschreiben. Aber noch nicht einmal das. Hier gibt es ein “In-Lokal”, wo man am Eingang von einem Girlie gefragt wird, wie man angesprochen werden möchte. Ist das schon ein Bonus? Oder ist es nicht selbstverständlich, als lebensälterer Mensch von jungen Leute gesiezt zu werden? Heute wohl nicht mehr. Es hängt Alles mit Allem zusammen. Eigentlich vermeide ich so harte Begriffe, aber es zeichnet sich leider ein Niedergang der Kultur ab. Viel hängt mit den sog. sozialen Netzwerken zusammen, dem Fernsehprogramm, das man praktisch vergessen kann. Wie dort in Vorabendfilmchen kleine Kinder mit ihren hilflols erscheinenden Eltern sprechen, ist schon bezeichnend. Hinzu kommen die “Neubürger”, die natürlich ihre Art zu leben mitbringen und sich, nicht immer, wenig um unsere Regeln kümmern. Die StVO beispielsweise scheint nur noch ein Blatt Papier zu sein. Aber was hilft das Klagen, man muss sich im Zweifelsfall auch hier behaupten können.

    Schöne Grüße.

    1. Das ‚Du‘ in der Regel klein geschrieben wird nervt mich meist noch mehr als überbordend per ‚Du‘ angesprochen zu werden.

      Fatal ist hierbei, dass es speziell von denen (falsch) vorgemacht wird, die es besser wissen sollten.

  4. Lieber Herr Langemann,
    liebe/r Kommentarleser/innen,

    herzlichen Dank für diesen wundervollen Beitrag.
    Einem meiner Vorredner kann ich nur beipflichten: Ihre Website und Mailings sind EINE INSEL der Erholung in den heutigen Zeiten der im wahrsten Sinne des Wortes verrückten Leitmedien, „Wissenschaft“ und Politik.

    Das Thema „Du“ hatte ich diese Woche Dienstag erst beruflich. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht machte ich meinen Mandanten, einen Betriebsrat, darauf aufmerksam, dass die (unternehmensseitig bereits geschehene) innerbetrieblich verpflichtende Einführung des generellen „DU“ mitbestimmungspflichtig (§ 87 I Nr. 1 BetrVG) war und ist und er auch heute noch „dieses Fass aufmachen“ könne, weil Mitbestimmungsrechte nicht verwirken (verfristen).

    Sie bringen es in Ihrem Beitrag auf den Punkt:
    Im einseitigen Überstülpen einer „DUz-„Kultur“ ist Zwang enthalten und der tut nicht gut, sondern kann traumatisierten. Insbesondere bereits Traumatisierte, die mir nicht selten in der beruflichen Praxis begegnen und in der Regel unerkannt sind, zeigen da eine sehr niedrige Frustrationstolleranz.

    Zum Du gehört das INDIVIDUELLE Einverständnis aller an der Kommunikation Beteiligten.

    Wenn das DU für Mitarbeiter/innen, Kolleg/inn/en und Vorgesetzte jeweils INDIVIDUELL zwanglos okay ist, dann ist das Du okay.
    Wenn aber nur ein/e Kommunikationsteilnehmer/in mehr Distanz präferiert, dann ist das nicht nur okay, sondern für jeden respektvollen Menschen Programm.

    Ich wünschte, ich hätte ihre Begegnung am Bahnhof selbst erlebt.
    Als „Noch-Nie-Raucher“ komme ich direkt ins Grübeln, ob ich die soziale Komponente des Rauchens nicht doch unterschätze.

    Aber in Zeiten hinterhältig versteckter Vergiftung der Bevölkerung (Schulmedizin (insbesondere „Impfung“)) und Nahrungsmittel-Großkonzerne sowie womöglich Trinkwasserversorgung und chemische Wetterbeeinflussung) achte ich dann doch lieber weiterhin auf ein möglichst giftfreies Leben, soweit ich es selbst gestalten kann.
    Zur Erklärung:
    Dank des coronamaßnahmenbedingt bei mir geweckten Forschungsdrangs habe ich mittlerweile die Elementarbiologie entdeckt, wonach es nach meiner laienhaften Zusammenfassung vor allem drei krankhafte Zustände geben soll: Verletzung, Vergiftung und Traumatisierung. Alles andere dürfte Scharlatanerie sein.
    Noch konnte ich das nicht widerlegen, aber ich bin ja auch nur Laie auf diesem Gebiet.

    Machen Sie weiter so, Herr Langemann, mein monatlicher „Abo-Beitrag“ ist Ihnen weiterhin sicher.

    Herzliche Grüße
    Ihr Alexander Roth.

  5. Sehr schöne, Hoffnung schenkende, zum Nachdenken anregende Geschichte und Begebenheit, die 2 ganz entscheidende, uns Menschen auszeichnende, aber scheinbar fast verlorengegangene Eigenschaften menschlichen Miteinanders, aufzeigt.
    1. Den gegenseitigen Respekt voreinander
    und
    2. Geben ist seliger denn Nehmen
    Wo sind all die positiven Eigenschaften hin, oder was oder wer hat UNS Diese geraubt, die UNS doch als die besondere, ganz oben stehende Spezies sämtlicher Lebewesen auf dieser Erde, auszeichnen?
    Vielen Dank für Ihren schönen und wertvollen Beitrag Hr. Löcke!

  6. Gemeinschaft macht das Du möglich, aber nicht nötig.
    Das Sie wahrt stets die gute Distanz und macht den Respekt vor- und füreinander deutlich!

    Auch ich hatte vor kurzem eine schöne Bahnhofsbegegnung. Eine (deutlich jüngere) Frau hatte mich wegen einer Auskunft angesprochen, wir waren ins Gespräch gekommen, eine ganze Strecke miteinander gefahren und haben uns im nächsten Bahnhof (HBf HH) noch für einen Kaffee zusammengesetzt, da wir auf unsere nächsten Anschlüsse warten mussten. Während des ungewöhnlich nahen, intensiven und fast schon vertraulichen Austausches und der Vereinbarung, den Kontakt auch auf die große Entfernung fortzuführen, fragte sie mich, nachdem wir uns namentlich schon vorgestellt hatten und ich meine Visitenkarte gegeben hatte, ob sie DU sagen dürfe. Beinahe hätte ich dem nachgegeben, aber da ich sie mochte und inzwischen auch schätzte, habe ich “Nein” gesagt.
    Sie war zwar überrascht, aber meine anschließende Begründung hat sie nicht nur eingesehen, sondern richtiggehend erfreut und sie bedankte sich für meine Klarheit, Ernsthaftigkeit und Standfestigkeit – was mich wiederum überraschte.
    Wir sind nach wie vor im Kontakt – respektvoll und zugewandt. Mal sehen, was wird.

    PS: Aber ich gestehe, als junger Mann, also vor 40 Jahren, konnte ich nicht verstehen, dass sich nicht jedermann gleich duzte, vor allem, wenn man sich (einigermaßen) gut verstand.
    Später habe ich dann begriffen, welch wunderbare Möglichkeit der respektvollen Begegnung – und auch der Distanz – die deutsche Sprache mit dem Sie ermöglicht.
    Und noch viel später habe ich erfahren, dass die Englischsprachigen mit dem “You” nur scheinbar alle einander duzen. Sie haben andere sprachliche Möglichkeiten, den Respekt vor- und die Distanz untereinander deutlich zu machen. Das haben die (meisten) Deutschen bisher nicht verstanden.

    Schlimm finde ich es heute, wenn man sich dem Du so gar nicht entziehen kann, weil es einfach so Usus ist, wie z.B. im Verein oder unter Motorradfahrern. Ich würde manch einem Menschen schneller nahe kommen und das Du in Erwägung ziehen, wenn wir uns zunächst mit einem respektvollen Sie begegnen würden.
    Und das Zurücknehmen des Du und der Wechsel zum Sie gleicht ja der Häresie unter Gläubigen, man macht sich zum Aussätzigen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das schon jemals geschafft hätte, trotz mehrmaliger Gelüste in dieser Richtung.

    1. Sehr geehrter Herr Lauhöver,

      ich finde das “Sie”, gerade gegenüber ehrwürdigen älteren Menschen für angemessen und es zwingt sich mir auf.
      Ich war noch 20 und eine ältere Dame über 80, eine Großmutter eines Bekannten, wollte von mir am ersten Tag des Kennenlernens schon geduzt werden. Dieses “Du” wollte mir einfach nicht über die Lippen kommen, also hatte ich es durch Umschreibungen vermieden. Nach einigen Wochen und vielen schönen Gesprächen mit der Großmutter, war dann das “Du” gereift und wurde auch für mich sagbar.

      Ein spätes “Du” bekam ich vorm Standesamt von meiner zukünftigen Schwiegermutter angeboten. Nein, wir hatten nicht Hals-über-Kopf geheiratet! Wir kannten uns schon über 6 Jahre und es gab auch schon Enkelkinder. Bis dahin hatte ich die Frau mit Großmutter angeredet und auch das “Sie” möglichst umschrieben. Jetzt, einige Jahrzehnte später, ist sie für mich immer noch die Großmutter geblieben.

      Einmal musste ich im Berufsleben ein “Du” zurücknehmen. Ein Kollege, mit dem ich befreundet war (ich fütterte seine Fische, wenn er urlaubte), hatte sich die Unsitte angeeignet jeden Morgen mich lauthals über den großen betrieblichen Flur schreiend zu begrüßen.
      Das war mir sehr peinlich und ich hatte ihn erfolglos gebeten, das zu unterlassen.
      Zurück beim “Sie” unterblieben ab da alle Peinlichkeiten und ich konnte bei seiner Abwesenheit weiter Fischefüttern. Die Situation war dadurch geklärt worden.

      Viele Grüße auch an Herrn Löcke und Herrn Langemann
      Burghild

  7. Allein für die Themenwahl: Vielen lieben Dank! Denn sie rennt bei mir offene Türen ein. Die Penetranz, mit der mir inzwischen das ungefragte Du begnet, führte bisher jedenfalls nicht zur Abstumpfung, sondern im Gegenteil zu noch mehr Abstoßung. Vernünftig gesehen ist klar, dass die angesprochene Zielgruppe in der Mehrheit sein dürfte und Menschen wie ich und Peter Löcke in der Minderheit. Aber wenn es nach mir ginge, stellte ich die Form der Anrede zumindest zur Wahl.

    Stattdessen stellt man Dinge zur Wahl, die von Natur aus eher festliegen. Wie beim Gendern verarmt unsere schöne Muttersprache auch bei der Anrede. Was für eine Schande! Was für eine Respektlosigkeit! Respekt bezeugten dagegen unsere Lehrer in der Oberstufe, die ich als Klassenjüngster mir 15 begann: Wir freuten uns über den Vorschlag, weiter mit Vornamen angesprochen zu werden, fortan jedoch per Sie, und stimmten dem dankbar zu. Vorname und Sie ist eine schöne Zwischenstufe auf dem Weg zu mehr Vertrauen und damit Nähe, die zugleich hohen Respekt bekundet, auch heute noch! Es verlangt Einfühlung in die Situation und die Person, also ein wenig Aufwand, zumindest aber Übung. Was womöglich das Problem ist.

    Schon vor sicher 15 Jahren stürmte eine junge Neumieterin die Wohnung und auf mich als Hausmeister zu. Wir kannten uns nicht. Zwar war ich noch in den 40ern, aber ihre ausgestreckte Hand samt den überrumpelnden Worten „Ich bin die Moni!“ erwiderte ich instinktiv mit einem freundlichen Lächeln, dem Greifen der Hand und der Antwort „Und ich bin Herr Schneider.“ Nur das passte! Und ich lehrte sie es, nicht überheblich, vielmehr mit viel Respekt. Mieter siezt man, was sonst? Und selbstverständlich auch umgekehrt. Auch meine Nachbarn sieze ich, selbst über Jahrzehnte. Ausnahmen, die die Regel bestätigen, gibt es natürlich auch. Aber nur bei entsprechend besonderen Umständen. Eben darüber sinnierend erinnere ich erstaunt, immerhin schon einige Mieter geduzt zu haben, wenn die Umstände es erlaubten und die Chemie stimmte – aber seit Studententagen keine einzigen Nachbarn mehr, egal wie eng und gut man sich kannte.

    Ich kann also nur bestätigen: Nähe und Distanz erkennt man nicht an der Oberfläche, wohl aber etwas so Wichtiges wie, ich wiederhole es gerne: Respekt!

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