Mensch oder Maschine?

von Peter Löcke //

Hier schreiben Menschen. 

Das garantiert der Herausgeber des Clubs der klaren Worte mit seinem Namen. Mit diesem Gütesiegel bewirbt Markus Langemann seine publizistischen Angebote. Als Kolumnist bin ich Teil dieses Angebots. Ein noch zeitgemäßer Teil oder ein aus der Zeit gefallener Anachronismus? Die Frage beschäftigt mich. Die Frage ist weder rhetorisch gemeint noch möchte ich ungelenk nach Komplimenten fischen. Im Gegenteil. Ich liefere Ihnen Argumente, warum es sinnvoll wäre, meinen Arbeitsplatz zu rationalisieren, um mich und andere Autoren durch künstliche Intelligenz zu ersetzen. Am Ende entscheidet immer der Kunde, Käufer & Leser, also Sie. Bitte denken Sie mutig, ehrlich und ohne Rücksicht auf eventuell verletzte Gefühle über folgende Frage nach.

Mensch oder Maschine?

Mensch befragt Maschine. Markus Langemann lud ein „Ding“ zu einem zeitlich versetzten Doppel-Interview namens „Himmel & Hölle“ ein. Die teuflischen wie göttlichen Antworten der Künstlichen Intelligenz ChatGTP lösten ein enormes Feedback aus. Genau das, Reichweite & Resonanz, erhofft sich ein jeder Publizist. Als ChatGTP in die Rolle des Maschinen-Mephisto schlüpfte, gefror mir angesichts der diabolischen Kälte der Aussagen das Blut in den Adern. Die Antworten der gleichen Maschine als Bot-Gott lösten entgegengesetzte Gefühle aus. Sie waren voller Poesie und zu Tränen rührender Schönheit. Nicht nur mir erging das so. Im Netz etwa las ich neben vielen dankbaren Antworten die Reaktion eines Pfarrers, der sich vornahm, die KI-Antworten als kommende Predigt zu verwenden. Er könne nicht besser formulieren, was sich hinter göttlicher Güte verberge. Ein wenig fühlte ich wie der Geistliche. Niemals könnte ich meine Gedanken und Gefühle besser ausdrücken können als diese KI. Die Maschine erschien mir menschlicher als der Mensch, göttlicher als Gott und teuflischer als der Teufel.

Hier schreiben Maschinen.

Wäre also dieses Motto nicht DAS publizistische Qualitätsmerkmal der Gegenwart? Denken wir einen Schritt größer. Braucht es noch Künstler und Genies, die einmalige literarische Meisterwerke und zeitlose Symphonien erschaffen? Mit noch besserer KI könnten die Goethes und Mozarts der Neuzeit überflüssig werden. Bei der Eingabe entsprechender Parameter dürfte das Maschinen-Output von einzigartiger Schönheit und Genialität sein. Neben qualitativen gibt es auch pragmatische Gründe, mich und meine Zunft durch eine Maschine zu ersetzen.

Bei KI handelt es sich um ein Kosten sparendes Geschäftsmodell. Ich verrate Ihnen ein Geheimnis. Neben menschlicher Wertschätzung erhalte ich von meinem Arbeitgeber auch eine finanzielle Entlohnung. Rein wirtschaftlich gedacht müsste mein Brötchengeber mich also freistellen. Perfekte Texte bei geringeren Kosten! Was spricht dagegen? 

Was spricht überhaupt noch für den Menschen?

Nicht viel. Eine Antwort darauf findet man in seltenen Momenten beim Schach. Im Schachsport hat künstliche Intelligenz bereits seit einigen Jahren den Siegeszug angetreten. Die besten Großmeister der Welt sind längst chancenlos gegen die besten Schach-Engines. Maschine schlägt Mensch! Als interessierter Zuschauer sind sie enttäuscht, wenn ihr Lieblingsschachspieler laut Engine die falsche Entscheidung trifft. Da sitzt ein Magnus Carlsen vor dem Schachbrett und macht statt des von der Maschine AlphaZero vorgeschlagenen perfekten Zuges einen anderen Zug, den AlphaZero tadelt. Wie kann Magnus Carlsen nur? Hat der wohl beste Spieler der vergangenen Dekade neben dem Schachbrett gerade ein zweites Brett vor dem Kopf? Das kommt vor. Das passiert selbst Genies. Doch manchmal passiert Merkwürdiges. Dann trifft ein Großmeister eine vermeintlich falsche Entscheidung. Doch kurz danach erkennt die Maschine, dass sich der menschliche Fehler als einmalig genial erweist und der Großmeister das Spiel gewinnen wird. Für diese Momente schaue ich gerne Schach. 

Menschliche Schwächen machen das Leben lebenswert und liebenswert. Das Unperfekte macht es perfekt. Dazu gehören falsche Züge, falsche Töne und falsche Buchstaben. Das kann mir keine Maschine bieten. Aber auch das ist nur meine Meinung. Wie ist Ihre Meinung?

Mensch oder Maschine? 

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

Beitrag teilen:

5 Antworten

  1. Schon aus Prinzip bin ich dafür, dass Menschen hinter den Dingen stehen. Wobei es sicherlich sinnvoll ist, bestimmte Dinge, v.a. mit Wiederholungscharakter, von Maschinen erledigen zu lassen.
    Eine KI ist, entgegen ihrer Bezeichnung, nicht intelligent. Sie greift auf sämtliche Daten zu mit denen sie gefüttert wurde, kann also entsprechend sinnvolle oder sinnvoll erscheinende Antworten geben. Jedoch kann sie nichts neues kreieren. Kreativität, Innovation kann nicht von Maschinen kommen. Diese hätten sich die Frage nach Gott oder Teufel sicherlich nicht selbst gestellt. Wozu auch? Maschinen haben keine Interessen. Es sind Maschinen. Auch wenn sie noch so hochentwickelt sind, wurden sie doch von Menschen entwickelt und programmiert. D.h. es wird immer kreative Kraft brauchen um Neues zu erschaffen.
    Und bzgl. des Schachspiels: Ich könnte mir vorstellen, dass der geniale Zug des Schachgroßmeisters eben genau das war: genial. Von der Maschine lediglich aus Unkenntnis, da vermutlich vorher nicht dagewesen bzw. nicht im Repertoire der Maschine vorhanden, als Fehler betitelt.

    Und ja, Menschen machen Fehler, haben Schwächen, sind kreativ, emotional, … Maschinen können dies nur vorspiegeln, sofern sie entsprechend programmiert sind.
    Sie sind in dieser Hinsicht, meiner Ansicht nach, nicht echt.

  2. Am attraktivsten scheint mir die Perspektive, ohne großen zeitlichen Aufwand eine einigermaßen ausgewogene, nicht einseitig beeinflusste Information durch die sogenannte KI zu erhalten. Wenn ich hier in den USA Nachrichten im TV erhalten möchte, kann ich mir aussuchen, ob Parteipropaganda von den Demokraten oder den Republikanern erhalten möchte. Immerhin besser als bei uns, wo ich arbeits-und zeitintensiv ins Internet gehen muss, um etwas Anderes als Regierungspropaganda geboten zu bekommen.
    Ein Medium, das alle Sichtweisen auf ein Thema berücksichtigen muss und neutral zusammenfasst wäre die Rettung aus der Misere unserer Mainstream-Medien. Wobei die Versuche, dies zu hintertreiben natürlich nicht nachlassen würden.

  3. Lieber Herr Löcke, danke für Ihren Artikel.
    Es ist frustrierend als Mensch einfach mal so durch eine “Maschine” ausgetauscht zu werden. Gut, die Maschine wurde ja auch nur mit menschlichem Wissen und Kreativität “gefüttert” und kann so auch nur solches wieder ausgeben. Die Frage bleibt dabei, wird die Maschine menschengleich immer die richtigen Zusammenhänge verknüpfen? Oder auch mal nur vorläufige Ergebnisse liefern, wenn noch andere einflussnehmende Informationen ausstehen? Wie wird sie mit menschlicher Intuition mithalten wollen? – Also, so ganz traue ich einer Maschine noch nicht und denke aber, sie wird mal eine wichtige Rolle in unserer Zukunft spielen.
    Um mir diese Maschinenrolle besser zu verdeutlichen, fällt mir dazu der Einsatz von Synthesizern in der Musik ab etwa den 70er Jahren ein. Die helle Begeisterung der Musiker, Emmerson, Lake and Palmer, Pink Floyd, Tangerine Dream, Klaus Schulze, Karlheinz Stockhausen, um nur mal einige Größen aus den Anfängen des Syntesizers zu nennen. Und auch die Begeisterung der jungen Zuhörer rund um den Globus und diese fragten sich nicht, wie die neuen Klänge wohl in den Ohren der älteren Mitbürger klingen würden; sie liebten das Neue und die ungeahnten Möglichkeiten mit dem neuen Instrument.
    Ob wir uns auch mal so für die KI begeistern können werden?

  4. Danke, für diese guten Fragen?
    Mir fiel eine Vorlesung in Kunstgeschichte ein , in der der Professor über Andy Warhol sprach . Andy Warhol, der Marylin Monroe, Elvis Presley in Fliesbanddrucken heraus brachte und damit eigentlich sagen wollte und wohl auch erreichen wollte,
    dass man zu der Erkenntnis kommt, wie stupide das ist. Erreicht hat er das Gegenteil. Er wurde damit berühmt.
    Was hat er denn so vorher gemacht , stellt sich die Frage. Er hat mit Tinte und Feder Schuhe gezeichnet. Wunderbare Schuhe,
    ein Schuh interessanter und schöner als der andere. Mit Schnörkel, ohne Schnörkel, filigran und einzigartig. So malte er
    ganze Papiere voll. Doch was war los ? Auf jedem Papier befindet sich mindestens ein fetter Tintenklecks ! meistens mehrere,
    ausgelaufen, waren sie nicht zu übersehen. Da haben wir ihn : den Patzer!
    Und das ist es . Wenn ein Kunstwerk keinen Patzer hat , ist es groß , imposant, perfekt, doch es fehlt etwas, es fehlt das Menschliche, es fehlt das Herz. Der Patzer ist das eigentlich berührende, durch ihn werden wir zu individuellen Wesen.
    Auch gehört zum Menschlichen der Suchende. Und auch der ist bei KI nicht zu finden.

  5. Beides. Die Frage ist, werden wir die Maschine mißbrauchen oder werden wir sie konstruktiv einsetzen? Ganz klar ist die Unumkehrbarkeit des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts, unklar ist, ob wir Menschen diesem gerecht werden. Das war allerdings schon bei der Erfindung von Pfeil und Bogen der Fall. Die durch die künstliche Intelligenz zu erwartende Produktivitätssteigerung können wir im besten Fall nutzen für eine allgemeine Arbeitszeit Verkürzung auf 25 Wochenstunden, die Betreuung von Kindern und Alten und Gebrechlichen käme zurück in die Familien, andere unbezahlte Tätigkeiten in der Gesellschaft und in der Natur würden staatliche Aufgaben übernehmen und bisher zentralistische Strukturen könnten dezentralisiert werden. Das würde eine erhebliche Einsparung in den staatlichen Haushalten bedeuten und die Senkung von Abgaben ermöglichen. Ein Verdiener oder eine Verdienerin in einer Familie würde genügen, egal, ob nun Mann und Frau sich die 50 Wochenstunden teilen oder oder nicht, jeder könnte selbst bestimmen wie. Z.Z. erbringen 17 Millionen Arbeitende für 83 Millionen Einwohner in Deutschland die Leistungen, die unser Land am Laufen halten, jeder Zwölfte arbeitet im öffentlichen Dienst. Wie wäre es, das auf jeden Sechzigsten zu reduzieren? Dann könnte auch jeder Arbeitende die überproportional höheren Sozialleistungen der Beamten bekommen. Es wird erkennbar, das die 25 Wochenstunden gewiss keine Utopie sind. Fraglich ist jedoch, ob die herrschende Klasse es zu lassen möchte, dass breite Teile der Bevölkerung Zeit und Energie zum Denken bekommen oder die hintergründige Leibeigenschaft aufrechterhalten wollen. Tom Hogdkinson schrieb das lesenswerte Buch „Anleitung zum Müßiggang“. Sehr lesenswert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Herzlich Willkommen auf dieser Plattform des kultivierten Austauschs von Argumenten.

Wir haben verlernt Widerspruch aushalten zu können. Hier darf auch widersprochen werden. Ich möchte Sie bitten, dabei wertschätzend und höflich zu bleiben. Beleidigungen und Hasskommentare werden künftig ebenso entfernt, wie Wahlaufrufe zu Parteien. Ich behalte mir vor, beleidigende oder herabsetzende Kommentare zu löschen. Dieses öffentliche Forum und die ihm innewohnende Möglichkeit Argumente und Meinungen auszutauschen, ist der Versuch die Meinungsfreiheit – auch die der anderen Meinung – hoch zu halten. Ich möchte hier die altmodische Tugend des Respektes gepflegt wissen.

„Kontroversen sind kein lästiges Übel, sondern notwendige Voraussetzung für das Gelingen von Demokratie.” Bundespräsident Dr. h.c. Joachim Gauck a.D., vor nur 5 Jahren in seiner Rede zum Tag des Grundgesetzes.

de_DEGerman