Nicht die Bohne!

von Peter Löcke //

Montagmorgen. Ein Routine-Termin beim Hausarzt steht an. Mit einem Coffee-to-go in der Hand sitze ich in der Regionalbahn und fühle mich wie Don Quijote. Wie ich wusste der Ritter von der traurigen Gestalt nicht mehr, ob er in einem Roman lebt oder in der Realität. Der Zug setzt sich pünktlich in Bewegung. Das Internet funktioniert. Das überrascht mich positiv. Beim News-Surfen lande ich direkt bei meinem treuen Gefährten Sancho Pansa. Wie erlebte der Knappe Robert Habeck die letzten Tage? So wie ich sie erlebt habe. Dichtung und Wirklichkeit sind kaum mehr zu unterscheiden im besten Deutschland aller Zeiten.  

Die Versorgung in Deutschland sei gefährdet. Der Rechnungshof rechnet mit Habeck ab. Als Reaktion rechnet Habeck mit dem Rechnungshof ab. Damit war zu rechnen. Anschließend reitet Habeck klimaneutral mit Rosinante in die USA, um den Amerikanern die Leviten zu lesen. Oder reiste er mit dem Regierungsflieger an? Unwichtig. Wichtig war die unfrohe Botschaft, die Habeck als Gastgeschenk im Gepäck hatte. 

„Solve the fucking problems.“

Ritter Robert ermahnt den wenig beeindruckten Gastgeber, dass er hinterher hinke bei der Rettung des Weltklimas. Nur Deutschland ist auf Kurs, der Rest des Planeten nicht. Nach so viel Wirklichkeit und zurück in Deutschland brauchte es aus Sicht des deutschen Wirtschaftsministers Poesie in Form von Visionen. Habeck möchte Deutsche in der Zukunft auf den Mond schießen. Das finde ich lustig, denn in der Gegenwart verhält es sich umgekehrt. Im Hier und Jetzt wollen viele Deutsche Habeck auf den Mond schießen. Metaphorisch betrachtet.

Das Netz fällt aus. Ich schaue aus dem Fenster. Der Zug steht irgendwo in der Prärie. Er steht ebenso wie die Flügel der Windräder, die ich beim Anblick aus dem Fenster betrachte und die die einst schöne Landschaft verschandeln. Don Quijote hatte es gut vor 400 Jahren. Er musste nur gegen Windmühlen kämpfen und nicht gegen Windräder.

Nach einer Viertelstunde setzt sich der Zug wieder in Bewegung. Keine Durchsage, woran es lag. Dafür lese ich eine Ansage des Papstes, nachdem auch das Internet wieder funktioniert. Der Brückenbauer will Brücken bauen, indem er zu Verhandlungen aufruft. Der Zeitpunkt erscheint ungünstig, nachdem ganz Deutschland vom Geheimplan der Zerstörung der Krimbrücke erfuhr. Schon zu Jahresbeginn äußerte der Pontifex die Verschwörungstheorie, dass es nur zwei Geschlechter gäbe. Seitdem boxt der Papst im Kettenhemd gegen Politiker und Medien. Nun gut. Ende März kommt es zu den traditionellen Ostermärschen. Dann machen die Veteranen  der Friedensbewegung den päpstlichen Fehler wett und skandieren gemeinsam: 

Pershing statt Petting! Taurus statt Titten! Atomkraft nein danke, Atomwaffen ja bitte!

Apropos Fehler. Der Hashtag Fehlerchen  macht auf X die Runde. Von Lauterbach über Seehofer bis zum ehemaligen Kanzleramtschef Braun gesteht die Politprominenz Fehler in der Coronapolitik ein. Dieses gleichgeschaltete Zurückrudern ist sicher nur Zufall. Nun, wo zwischen Frühstück und Mittagessen ein großes Verbrechen aufgearbeitet wurde, kann man endlich wieder zur Tagesordnung übergehen. Aufarbeitung wird überbewertet. Arbeit an sich wird überbewertet.

Das weiß ich endlich dank Katharina Stolla. Die junge Dame ist Bundessprecherin der Grünen Jugend. Ohne Fleiß viel Preis! Halbe Arbeit bei doppeltem Lohnausgleich! So habe ich die bei Markus Lanz getätigten Aussagen interpretiert. Vielleicht habe ich Frau Stolla auch nur falsch verstanden. 

„Wir wollen nicht krank werden durch Arbeit, denkt meine Generation.“ 

Das war es, was Sie wirklich sagte. Es käme auf einen Erstversuch hinsichtlich Arbeit an. Das war es, was ich dachte, als ich mir den Lebenslauf von Katharina Stolla angeschaut habe.

Der Zug hält erneut. Glücklicherweise hält er an meinem Zielbahnhof und nicht wie zuvor in der Prärie. Smartphone aus, denn ich habe den Kaffee auf angesichts der konsumierten Nachrichten. Mein Becher Coffee to go ist ebenfalls leer und ich brauche dringend einen neuen. Den genieße ich dann in aller Ruhe sitzend in einem Café. Von dort aus kann ich auch den Arzttermin absagen. Ich weiß doch selbst, dass ich ungesund lebe und mein Blutdruck zu hoch ist. Stattdessen googel ich nach Don Quijote, um meine Erinnerung aufzufrischen. Was erfahre ich auf Wikipedia über die Abenteuer meines gefühlten Idols?

Meist enden die Episoden damit, dass Don Quijote durch rohe Gegner verprügelt wird, jedoch gegen Unschuldige wenig ruhmreich als Ritter von der traurigen Gestalt siegt.

Dann möchte ich doch nicht Don Quijote sein. Schließlich gilt mein Kampf den rohen Gegnern und meine Liebe den Unschuldigen. Ich möchte mutig sein und als Ritter von der glücklichen Gestalt gegen Windräder kämpfen. Mich ängstigt rein gar nichts mehr. Kein Lauterbach, kein Habeck, kein Krieg, kein Virus, kein Streik der deutschen Bahn wirft mich aus derselben. Mich kann nichts mehr schockieren. Also schalte ich frohen Mutes erneut mein Smartphone ein, um zu erfahren, was es ansonsten Neues gibt. 

Drohender Kaffee-Engpass! Massiver Anstieg der Preise!

Ich stehe unter Schock. Ab jetzt wird es persönlich.

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Eine Antwort

  1. Immer wenn man denkt, dass alle verrückt sind, ist es spätestens Zeit sich selbst in den Blick zu nehmen. Das ändert nichts an der Wirklichkeit, geht es doch, ganz banal, um Wahrheitssuche. Der Wahrheit zumindest nahe zu kommen ist eine Form von Selbstermächtigung, man wird quasi „Souverän“, groß geschrieben. Was an Aberwitz rund um uns passiert, ist nicht mehr als ein Grundrauschen und sollte uns nicht zu sehr in Wallung bringen, denn eigentlich haben wir Besseres zu tun. Uns austauschen , zuhören , Gemeinschaft leben, Gemeinwohl fördern. Utopien? Manchmal ja, manchmal nein. Ich bin für ja, aber wir machen das.

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