von Peter Löcke //
„Ich möchte ein Spiel spielen.“ Fans von Horrorthrillern denken bei diesem Satz automatisch an John Kramer und die Spielfilmreihe Saw. Der Killer Saw bzw. Jigsaw hat in blutigen Cineasten-Kreisen Kultstatus. In dieser Kolumne bleibt es unblutig.
Ich möchte nur Brettspiele spielen. Vielleicht erleben diese bei drohendem Blackout eine Renaissance. Man kann ja nicht ewig auf das dunkle Display seines smarten Telefons schauen. Und weil nicht wenige Menschen die analoge Kommunikation verlernt haben, könnten Spiele hilfreich sein. Als Brückentechnologie zur Rückerlangung der Sprechfertigkeiten, wenn Sie so wollen. Ein schönes Gesellschaftsspiel im Kreis der Familie, während auf den Straßen das Chaos herrscht. Chaos und Anarchie sind romantisch, wie ich spätestens nach der Lektüre von Habecks Kinderbüchern weiß. Statt Brot und Spiele gibt es dann Spiele ohne Brot bei Kerzenschein. Also habe ich mich in verstaubten Kellergefilden auf die Suche gemacht und bin fündig geworden.
Monopoly? Ich erinnere mich. Das kapitalistische Spiel, das ewig dauert. Mir war schon früh im Leben klar, dass ich es nie in die Schlossallee schaffen würde und stattdessen mit einer Mietswohnung in der Badstraße vorliebnehmen muss. Trotzdem erschrecke ich beim Studieren der Spielkarte. Die Badstraße hat einen Grundstückswert von 1200 Deutscher Mark? Die gesamte Straße? Das sind nur gut 600 Euro. Was ist mit den Betriebs- und Nebenkosten und vor allem mit Strom? Finden Sie mal eine 60 Quadratmeter-Wohnung für das Geld. Und ich rede hier von der Warmmiete einer Wohnung und nicht dem Kauf des gesamten Wohnblocks. Nun gut. Die Preise sind halt gestiegen. Vermutlich wird Monopoly ohnehin verboten, weil es um Kolonialismus, Patriarchat, Privateigentum und Häuserkämpfe geht. Apropos verboten. Political Correctness gab es bereits in den Achtzigern.
Risiko! Dort liegt mein Lieblingsspiel. Ich war in Kindertagen stolzer Besitzer der politisch unkorrekten Risiko-Version. Ich durfte noch Gebiete erobern und Gegner vernichten. In späteren Varianten sollten Länder wie Irkutsk dann befreit und die gegnerischen Armeen aufgelöst werden. Außerdem kam es in der sprachbereinigten Auflage zu diplomatischen Verhandlungen. Wie langweilig! Unter Freunden haben wir durchgehend Sekt oder Selters gespielt. Das heißt: Weltmacht oder gar nichts. Imperium oder weniger als Irkutsk. Was steht wohl heute auf den geheimen Auftragskarten? Vermutlich sind die Karten identisch. Die Ukraine muss gewinnen! Oder auch: Wenden Sie sich für weitere Instruktionen an den amerikanischen Spielleiter! Das wussten bereits die Erfinder des Spiels, denn die Ukraine liegt auf dem Risikobrett im blaugefärbten Europa und ist mit Abstand das größte Land. Seltsam. Sehr seltsam. Nur nicht aufregen. Ich möchte mich nicht ärgern.
Mensch, ärgere dich nicht! Wer kennt es nicht? Die Mutter aller Brettspiele. Welch paradoxer Name. Wenn ich zum zehnten Mal vorm Sieg stehe, nur noch eine geschummelte Eins würfeln muss und dann gekegelt werde, könnte ich in die Tischkante beißen. Natürlich möchte ich gewinnen und anschließend meinen Triumph bei einer Belohnungszigarette im Freien auskosten. Dem Menschen zu sagen, er solle sich nicht ärgern, funktioniert nicht. Nicht-Botschaften funktionieren nicht. Wenn Sie einem kleinen Kind ständig erklären, wovor es alles keine Angst haben muss, wird es irgendwann vor allem Angst haben. Wenn Politiker und Medien mir wiederholt zurufen „Nur keine Panik“, bekomme ich was? Panik. Möchte mich jemand penetrant beruhigen, werde ich unruhig. Ich werde es nie verstehen, warum es dennoch versucht wird. Nie im Leben.
Spiel des Lebens? Da liegt der verstaubte Karton im Keller. Ich habe das Spiel, warum auch immer, nie gespielt. Vielleicht sollte ich mir zunächst die Gebrauchsanweisung durchlesen. Gibt es eine solche Anweisung? Was ist das Lebensziel und wer gewinnt? Das Leben wird vorwärts gespielt und rückwärts verstanden. Das ist eine meiner wenigen Erkenntnisse. Momentan ist das Leben todernst wie noch nie. Das kann nicht die Lösung sein. Nur kommt die Freude nicht von allein.
Wollen Sie ein lustiges Spiel spielen, um etwas Freude in ihr Leben zu bringen? Dafür brauchen Sie kein Brett. Gehen Sie einfach in das nächstgelegene Spiele-Geschäft, solange es noch hell draußen ist. Ein gut sortiertes Kaufhaus tut es auch. Suchen Sie den Verkäufer auf und bitten ihn um folgendes: „Ich hätte gern ein Geduldspiel. Aber Zack Zack.“
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Eine Antwort
Guten Abend Herr Löcke, wieder einmal grandios geschrieben. Das mit der Geduld ist so eine Sache. Ich spiele Sie jeden Tag, die liebe Geduld. Seit meiner Tarlovzysten OP. ok. Nun will ich mal nicht kleinlich sein, die meisten ätzenden Beschwerden haben sich weitestgehend verkrümelt, aber der Tennisball den ich noch in der rechten Beckenhälfte habe, der mich zwingt entweder zu laufen oder zu liegen oder nur mit einem Sitzring klar zu kommen im Auto, auf dem Küchenstuhl, die Harnblase die noch nicht so richtig funktioniert, das verlangt mir einiges ab. Aber ich bin noch am Leben und wie es ausschaut hat mein Neurochirurg keinen Nerven im Rückenmark bzw. im Plexus Sakralis verletzt, sonst sässe ich wohl jetzt im Rollstuhl. Es sind die Nachwehen die mich trotzalledem jeden Tag fordern. Und ich fordere mich selbst. Ja Kerzenschein und Brettspiele so kenn ich das aus der Kindheit an Weihnachten mit unserem Vater. Der Ofen war geheizt und über Gas oder Öl hat sich niemand den Kopf zerbrochen. Briketts wurden im Sommer in den Keller geschippt. Ach ja die gute alte Zeit. Naja nicht ganz. Es war halt der Osten oder Dunkeldeutschland wie ich es mir später von einigen westdeutschen Kollegen scherzhafter Weise anhören musste. Ah Du bist aus Dunkeldeutschland? Nun das Problem habe ich dann ja wohl nicht mehr. Dann sitzen wir alle im Dunkeln oder bei Kerzenschein. Ich habe mich schon mit reichlich Kerzen eingedeckt. Aber ob die Beleuchtung dann noch anheimelnd ist in einer sonst kalten Wohnung, warten wir es ab und üben uns in Geduld…. oder in Wut, Verzweiflung und Tobsuchtsanfällen. Ich glaube mich kann seit meiner Erkrankung nix mehr so schnell aus der Ruhe bringen, das Schlimmste ist hoffentlich überstanden und es geht zumindest in dieser Hinsicht bergauf. Ich bin ja nicht gehässig, aber insgeheim wünsche ich der Ampel und noch einigen Hintermännern die Pest an den Hals und wenn das nicht reicht so wenigstens Tarlovzysten und Arachnoiditis und nur einen Operateur in ganz Europa und gaaaanz viel Geduld auf der Suche nach der richtigen Diagnose….. in diesem Sinne, Aufrecht bleiben.