Tortenschlachten

von Peter Löcke //

„Die Torte im menschlichen Antlitz ist einer der bedeutendsten Einfälle des internationalen Humors.“ [1]

Diese Meinung teile ich nicht, aber wer bin ich schon, meinem unerreichten Idol zu widersprechen? Das Zitat stammt von Loriot. Objektiv betrachtet hat Loriot selbstverständlich Recht. Menschen finden es seit jeher komisch, wenn Person A Person B eine Torte ins Gesicht schmeißt. Dann klopft sich der Zuschauer vor Lachen auf die Schenkel und erfreut sich über den tortenverschmierten Gesichtsverlust des lächerlich aussehenden Opfers.

Das weiß auch die Filmbranche. Auf die Spitze trieb es die US-amerikanische Abenteuerkomödie „Das große Rennen rund um die Welt“, Originaltitel „The Great Race“ [2]. Im Filmklassiker aus dem Jahr 1965 gab es eine mehr als drei Minuten lang andauernde Tortenschlacht [3]. Der Running Gag der Szene bestand darin, dass der ganz in Weiß gekleidete Tony Curtis das aus dem Ruder geratende Tortenmassaker als einziger optisch überlebte, bis es ihn am Ende doch noch erwischte. Danach war die Szene zu Ende. Szenenwechsel auch hier.

Ist also alles witzig oder was, wenn es um Torten geht? Nicht im politischen Bereich. In der politischen Realität stellt eine Tortentat ein Attentat dar. Dann ermittelt der Staatsschutz und alle Parteien mit Demokratiegütesiegel solidarisieren sich mit dem Opfer. 

Das zeigte zuletzt der Vorfall um Christian Lindner [4] bei einem Wahlkampfauftritt in Greifswald. Hut ab! Der FDP-Politiker reagierte auf die Atten-Torten-Tat einer linken Aktivistin ähnlich stilvoll wie Tony Curtis. Statt sich winselnd auf den Boden zu werfen, leckte sich der liberale Spitzenkandidat genüsslich die Finger ab und setzte seine Rede lässig fort. So muss das sein, denn schließlich weiß ein Lindner, dass er sich am Drehort eines Films befindet. Der Titel des Films heißt „Das große Rennen um die Bundestagswahl“.

Bei aller berechtigten Empörung bot die Filmszene in Greifswald mehrere komische Elemente. So schmiss die Aktivistin leider nur eine Pseudotorte aus Rasierschaum statt Schwarzwälder Kirsch. Diese Sorte hätte ich bevorzugt. Außerdem soll die Attentäter-Torterin zur Linken-Jugendorganisation gehören und 34 Jahre alt sein. Da frage ich mich doch, ab welchem Alter man in den erwachsenen Bereich der Partei wechselt. Den größten Humor jedoch bewiesen die anwesenden Personenschützerinnen. Ich bin wahrlich kein spontaner Mensch. Dennoch besitze ich eine schnellere Reaktionszeit als die Bodyguards von Christian Lindner.

Seis drum. Ich möchte nicht empathielos erscheinen. Bei politischen Attentaten mit Torten gibt es immer ein Opfer. Mit diesem Opfer verbrüdert oder verschwestert man sich gefälligst. Auf der anderen Seite gibt immer einen Täter oder eine Täterin. Dieser Täter wird gesellschaftlich geächtet und gegebenenfalls juristisch angeklagt. Das sollte Gesetz unter allen Demokraten sein. So einfach ist das. Oder nicht?

Nein. So einfach ist das nicht. Manchmal wird das Opfer zum Täter erklärt und der Täter zum Opfer. So geschehen 2016 in Kassel [5, 6].

Damals griffen zwei linke Aktivisten des Peng Collectivs die AfD-Politikerin Beatrix von Storch an. Einer schmiss die Torte, der andere hielt das Attentat für die Nachwelt auf Kamera fest. Anschließend waren sich nahezu alle Medien einig. Der Skandal lag nicht im Tortenwurf. Der Skandal lag darin, dass das Opfer von Storch den Namen des als Clown verkleideten Täters veröffentlichte. 

Es handele sich doch nur um ein „Dialogangebot für Rechtsextreme“. Spöttisch verteidigte der Täter seine Tat, für die er von Tagesschau & Co gefeiert wurde. Wirklich berühmt wurde der Aktionskünstler allerdings erst im Januar 2024. Da wechselte er die Torte mit einer Tastatur. Da wechselte er vom Aktivisten zum Journalisten. 

Der Name des Aktivisten ist Jean Peters. Beim Täter & Tortenschmeißer handelt es sich um Jean Peters, den Hauptautoren der Fantasy-Geschichte von Correctiv rund um das Geheimtreffen von Potsdam. 

Alles witzig oder was? Wer ist Täter, wer ist Opfer? Das hängt manchmal vom eigenen Weltbild und auch vom eigenen Sinn für Humor ab.

Neben schwarzem Humor bevorzuge ich den Humor von Loriot und Jack Lemmon. Jack Lemmon war neben Tony Curtis der zweite Protagonist im Filmklassiker „The Great Race“. Von Kopf bis Fuß mit Torte eingeschmiert, sehnte er sich in der berühmten Filmszene nach mehr Rum. Er wollte nur noch mehr Rum in den Torten, um den unerträglichen Zustand für sich erträglicher zu machen. Und was hätte der unerreichte Loriot mit einem Lächeln gesagt? Vielleicht folgendes:

„Politische Schlammschlachten sind wie Tortenschlachten. Eine einzige Tortur.“

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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5 Antworten

  1. Kann man einen Veganer mit Argumenten überzeugen, daß sein Tun unsinnig ist?
    Die ganze Landwirtschaft ist auf Tierzucht aufgebaut. Daher kommt der Mist, mit dem die Pflanzen wachsen und die Kühe fressen das Gras der Wiesen, die wieder gut fürs Regensammeln sind. Tierkadaver als Wirtschaftszweig für deren Beseitigung.
    Alternative: Veganer zum Grasen auf die Weide treiben.
    Nur Kommunisten und Katholiken verloren bei den entscheidenden Reichstagswahlen keine Stimmen.
    Dutzende “Glaubensgemeinschaften” sind entstanden, alle Anti-Gemeinschaft-Müll. Zerstöretrisch.

    1. Lieber Herr Kugler, ich bin kein Veganer oder Vegetarier. Aber die Veganer darauf zu reduzieren, daß sie die Funktionsweise von industriell betriebener Landwirtschaft nicht verstehen können oder wollen, geht an der wahren Motivation von ehrlichen* Veganern vorbei. Die massenhafte “Produktion” von Fleisch, Milch und Eiern erzeugt im Leben der betroffenen Tiere teils unendliche Qual, bei dessen Anblick, falls er ihn überhaupt erträgt, sich der Nichtvegetarier regelmäßig tief erschüttert abwendet, um vielleicht spontan gefasste Vorsätze zur respektvolleren (vor dem Leben) Auswahl seiner Lebensmittel dann mehr oder weniger erfolgreich wieder weitgehend zu verdrängen.
      *) ein ehrlicher Veganer ist für mich einer, der nicht nur eine Modeströmung folgend im “Milieu” mit schwimmen möchte

    2. Lieber Herr Kugler,
      Ihre demonstrative Nulltoleranz gegenüber Andersdenkenden bzw. Handelnden ist schon beinahe bemitleidenswert. Achtsamkeit gegenüber Umwelt und Mitgeschöpfen scheint Ihnen fremd. Das ist OK, jeder ist frei in seinen Entscheidungen und dafür letztendlich auch verantwortlich. Kann man einen fundamentalen Karnivoren ebenfalls mit Argumenten überzeugen, daß sein Tun nicht nur unsinnig ist sondern viele Schäden verursacht? Artensterben, Lebensraumzerstörung und viele sogenannte Zivilisationskrankheiten stehen im direkten Zusammenhang mit hohem Fleischkonsum. Wenn Sie die Vegetarier und Veganer zum Grasen auf die Weide getrieben haben, könnten Sie anschließend einen Besuch im Großschlachthof einplanen. Sie werden sich dort sicher sehr wohl fühlen. Wünsche Ihnen alles Gute

  2. Der Tortenwurf ist immer auch ein Zeichen von Ohnmacht. Man greift zu einem unterschwelligem Mittel der Gewalt mit größtmöglicher Erzeugung von Aufmerksamkeit. Dialog wäre vielleicht besser, genauso wie gegenseitiger Respekt oder Wunsch nach Wahrheitsfindung im gegenseitigen Austausch. Dazu braucht es den Willen aller Beteiligten, vielleicht sogar die Bereitschaft, anzuerkennen, nicht Recht zu haben, den eigenen Irrtum für möglich zu halten.

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