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Demission ohne Demut

Kommentar von Markus Langemann

Friedrich Nietzsche hatte ein bekennend gestörtes Verhältnis zur Demut, Anne Spiegel würde ich aus der Ferne betrachtet das Offensichtliche attestieren. Ihr scheint der Begriff gar fremd.

Die Demut, dem Volk als Familienministerin dienen zu dürfen, wissend und akzeptierend, dass dies nur ausschließlich im Vollbesitz der mentalen und physischen Kräfte möglich und selbstverständlich ist, war ihr entweder nie bekannt oder gehörte zu ihrem moralischen Balastabwurf, um an politischer Höhe zu gewinnen.

Die Staatsdienerin war schwach und bediente sich des Hochmutes aus der ihr anvertrauten Machtfülle des Amtes, ihren Arbeitgeber, das Volk, zu belügen. Sie nahm nicht, wie das Protokoll später aufdeckte, aus dem Urlaub heraus an Sitzungen teil, wie sie die Öffentlichkeit glauben machen wollte.

Die Überforderung durch familliäre Belastung und die Last der Verantwortung des Amtes standen ihr wie kaum einem anderen deutschen Politiker zuvor in Leuchtbuchstaben auf der Stirn.

Frau Spiegel ist in Person so eine Art Lackmustest für den Zustand der Gesellschaft, zugleich ein wandelnder Themenplan für die nächsten TV-Talkshow-Theater. Von „Doppelbelastungen von Frauen“ über den „Sinn von Proporzbesetzungen in Führungspositionen“ bis hin zur „moralischen Deformation durch Machtgewinn“ und zu der Frage „Haben wir in der Regierung dieses Landes tatsächlich das bestmögliche Führungspersonal eingestellt?“.

Die Diskussion zur Bedeutung der aus der Mode gekommenen Demut wäre wohl nicht dabei. Dabei könnte mal eine ARD-Themenwoche „Demut“ eine gute Idee sein.

Demut hat, wie Egon Bahr einmal sagte, eben auch viel mit Einsicht zu tun. So gesehen ist Demut im Politikbetrieb dieser Tage ein weiteres Fremdwort, dessen Bedeutung die Berliner Lappen erst nachschlagen müssten.

Im siebten Kapitel der Regeln des heiligen Benedikt über die Demut heißt es: „Ganz sicher haben wir dieses Herab- und Hinaufsteigen so zu verstehen: Durch Selbsterhöhung steigen wir hinab und durch Demut hinauf.“

Auch wenn die Demut durch eine ausschließlich unterwürfige Interpretation der Kirche schwer gelitten hat, allein deswegen für große Teile der hedonistischen Gesellschaft weniger gefragt ist, haben die Benediktiner mit dieser Regel einen funktionierenden humanistischen Kompass in ihren Abteien installiert.

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12 Antworten

  1. Die Selbstkritik hat viel für sich, gesetz den Fall, ich tadle mich, so hab ich erstens den Gewinn, daß ich so hübsch bescheiden bin. Zum zweiten denken sich die Leut, der Mann ist lauter Redlichkeit. Auch schnapp ich drittens diesen Bissen vorweg den andern Kritiküssen. Und viertens hoff ich außerdem auf Widerspruch, der mir genehm. So kommt es dann zuletzt heraus, daß ich ein ganz famoses Haus. Wilhelm Busch.
    …das ist ja NICHT die notwendige und gemeinte Demut…
    Menschen, die für politische Aufgaben qualifiziert wären, gehen nicht (mehr) in die Politik…ich sehe leider nur sehr wenige – wenn überhaupt – Politiker mit dem für ihr Amt erforderlichen fachlichen und menschlichen Format und Rückgrat…Berufspolitiker…wes Brot ich eß, des Lied ich sing…realitätsferne Utopien im Zielfokus – derweil etablieren sich in deren Windschatten wie ein Krebsgeschwür Strukturen eines Schnüffelstaates, die schließlich eine Marionette des Kremel irgendwann nur noch “freischalten” muß…wann wacht die Gesellschaft endlich auf?

  2. Wir haben es hier mit spätrömischer Dekadenz in allen seinen Facetten und in höchster Ausprägung zu tun.
    Geschichte wiederholt sich. Europa wird untergehen, ebenso wie das Römische Reich. Da ist nichts mehr
    zu retten.

    Eine Nation kann ihre Narren überleben, und sogar die Abtrünnigen.
    Aber sie kann den Verrat von innen nicht überleben.
    Ein Feind vor den Toren ist weniger furchterregend, denn er ist bekannt und trägt seine Fahne offen vor sich her. Doch der Verräter bewegt sich frei unter denen, die sich innerhalb des Tores aufhalten, und sein durchtriebenes Flüstern dringt durch alle Gassen und bis in die Hallen der Regierung selbst.
    Marcus Tullius Cicero

  3. Wichtig ist doch eine realistische Selbsteinschätzung. Und da man selbst manchmal betriebsblind ist (das geht zumindest mir so), braucht es auch einen guten Freund/die eigene Frau etc., die das eigene Ego manchmal puscht und manchmal bremst.
    Für einen Menschen mit mangelndem Selbstbewusstsein ist Demut etwas Ungesundes. Für eine Frau wie Anne Spiegel, die unter Selbstüberschätzung und Hybris leidet, wäre Demut etwas sehr Gesundes.
    Am Ende ihrer letzten Pressekonferenz tat mir Anne Spiegel fast leid. Na ja, fast. Da versucht Sie in einer Täter-Opfer-Umkehr Ihr politisches Amt zu retten. Da ringt Sie den Tränen nahe nach Worten und erntet Mitleid bei der ihr wohlgesonnenen Presse. Wie menschlich die Anne Spiegel doch ist! Ist das nicht schön? Und dann verrät Sie sich zum Ende hin mit den Worten, dass Sie noch einen “Abbinder” braucht. Einen griffigen Slogan also, um Ihren Hollywood-Auftritt mit einer kernigen Botschaft abzurunden.
    Traurig, wenn das eigene Leben zu einer einzigen In-Szenierung verkommt und nichts mehr authentisch ist. Generation Selfie. Manchmal erinnert mich das Ganze an den alten Loriot-Sketch “Ein Klavier. Ein Klavier.”

  4. Wir müssen da ja gar keine religiösen Bezüge herstellen und es ist nicht die Demut allein die da völlig abhanden gekommen ist, bei Machtpolitikern, in Regierungen.
    Hier die Bevölkerung als Verfügungsmasse – dort eine elitäre Kaste welche nach Belieben verfügt und nun im Rausch dieser ” New World Order ” selbst ermächtigt herrscht.
    Dass sie für UNS zu arbeiten haben ist völlig und in jeder Hinsicht aus deren Köpfen verschwunden – eher haben die lange schon die Einstellung dass WIR demütig deren Herrschaft zu dulden hätten – aus basta.
    Nie zuvor hatte der Demos der bestimmen sollte weniger zu bestimmen, das durchaus gutgemeinte Projekt ” Repräsentative Demokratie ” ist gescheitert – die Bevölkerung wird nicht geschützt, sie wird ausschließlich benutzt, nach Belieben beherrscht.
    Demut, Gewissen, Achtsamkeit, Rücksichtnahme, Respekt, Einfühlungsvermögen, Verantwortung, das ganze Spektrum einer Empathie…
    all das ist in den Köpfen dieser Herrscherkaste nicht mehr vorhanden, das sind nicht mehr Beweggründe deren Politik.
    Und der Demos ? – speziell der deutsche ? – erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange…

  5. Wer sich die Entwicklung in der Wertevermittlung in den letzten 30 Jahren ansieht (man muss noch nicht mal genau hinsehen, kurzes Hinblicken reicht, weil so offensichtlich), der braucht sich nicht zu wundern, dass es heute in jeder gesellschaftlichen und beruflichen Sparte, gerade in Familien und Partnerschaften nur noch eine Religion gibt: MEIN Wille geschehe!
    Und nach meiner Wahrnehmung kommt dieser Typus ganz besonders in ideologisch grün-rot gefärbten “Populationen” vor (Überschneidungen in gelb-schwarz gefärbte sind an der Tagesordnung).
    Und doch kann man sich dem ganzen Ich-Irrsinn entziehen, indem man ganz einfach das tut, was gut für alles und jeden ist. Ist machbar!

  6. Was will man denn erwarten wenn man von einer Rige Armer Irrer regiert wird.
    Einem Kanzler der die Spritpreise nicht kennt.
    Einem Gesundheitsminister der zu Ostern das nächste Killervirus ankündigt.
    Einer Emilia Fester die hysterisch im Bundestag rum kräht.
    Ganz ehrlich so hätte ich in 39 Berufsjahren meinen Job machen müssen… ich wäre nicht weit gekommen.
    Demut und Respekt auch Respekt vor anderen Meinungen sind wahrscheinlich zum rudimentären Kulturgut verkommen, an das sich wahrscheinlich eines schönen Tage nur noch wenige erinnern können.
    Aber Hochmut kommt vor dem Fall.

  7. Aus einer vor Kurzem erfolgten Jünger-Lektüre dazu der 73. Psalm:

    (…)
    3 Denn ich ereiferte mich über die Ruhmredigen, da ich sah, dass es den Frevlern so gut ging. 4 Denn für sie gibt es keine Qualen, gesund und feist ist ihr Leib. 5 Sie sind nicht in Mühsal wie sonst die Leute und werden nicht wie andere Menschen geplagt. 6 Darum prangen sie in Hoffart und hüllen sich in Frevel. 7 Sie brüsten sich wie ein fetter Wanst, sie tun, was ihnen einfällt. 8 Sie höhnen und reden böse, sie reden und lästern hoch her. 9 Was sie reden, das soll vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das soll gelten auf Erden. 10 Darum läuft ihnen der Pöbel zu und schlürft ihr Wasser in vollen Zügen. (…)

  8. Dieser Kommentar sollte zur Pflichtlektüre
    für Politiker jeder Partei erhoben werden,
    und jede Partei sollte diesen Kommentar
    Ihrem Programm voranstellen!

  9. “In Demut achte einer den anderen höher als sich selbst”. Mein Konfirmationsspruch. Eigentlich seltsam, dass ich den nach etwa 45 Jahren spontan parat habe. Nun denn: ich glaube nicht, dass die Mehrheit dieser Gesellschaft mit diesem alten Spruch etwas anfangen kann. Dafür müssen wir erst noch viel tiefer fallen.

  10. Demut ist ein Begriff, der mir schon lange und immer mal wieder durch den Kopf geistert als in dieser Gesellschaft weitgehend abhanden gekommene charakterliche Eigenschaft, die wieder zu beleben und zu fördern der sogenannten entwickelten Welt sehr gut zu Gesicht stünde. Daher ist Anne Spiegel nur ein Spiegel der großen Problems, ein ziemlich treffender allerdings! Und der Kommentar rennt bei mir ganz weit offen stehende Türen ein. Von daher vielen Dank dafür, an diesem Spiegel die fehlende Demut zu beleuchten!

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