Wer entscheidet, was Wahrheit ist?

von Diana-Maria Stocker//
Von der Stasi zur Stawa - Meinungsfreiheit unter Vorbehalt

Das politische Quartett Merz, Söder, Klingbeil und Esken haben sich vergangene Woche geeinigt. Zwar muss der Koalitionsvertrag noch parteiintern abgesegnet werden. Doch nach der Unterzeichnung dürfte sich Merz wohl zum Kanzler wählen lassen – sofern alles reibungslos läuft, vermutlich Anfang Mai.

Er regiert dann das Land unter Maßgabe einer Koalitionsvereinbarung, die er in Teilen selbst nicht so ernst nehmen kann. Gemeint ist die Neigung des Kanzlers in spe zu Falschbehauptungen. Er hat im Wahlkampf etwas versprochen, was nun nicht mehr gilt. Die sogenannte Schuldenbremsen-Lüge, mit der Merz Wählerstimmen erlangte – vor allem von jenen, die aus Sorge um die Staatsverschuldung auf ihn setzten. Ausgerechnet dieser Koalitionsvertrag enthält einen Abschnitt, der sich mit dem Kampf gegen Falschinformationen befasst. Darin heißt es:

„Gezielte Einflussnahme auf Wahlen sowie inzwischen alltägliche Desinformation und Fake News sind ernste Bedrohungen für unsere Demokratie, ihre Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.“[1]

Was bedeutet das aber nun für Politiker, Journalisten und Bürger, die ihre Meinung äußern wollen? Menschen, die meinen, dass könne man doch wohl mal sagen dürfen. Dass das aber mittlerweile nicht so ohne weiteres möglich ist, zeigen manch etablierte Medien unverhohlen und stellen Kabarettisten an den Pranger, die Dinge sagen, die mancher nicht (mehr) hören will. Wie zuletzt der Spiegel.[2] Schnell wird satirische Kritik zur Diskriminierung umgedeutet. Bürgern, die politische Äußerungen und fragwürdige Gesetzgeber als schwachsinnig empfinden und ihren Unmut kundtun, drohen schwere Konsequenzen. Wir reden hier von harter Kritik oder auch mal einer Schwachkopf-Bezeichnung, aber in keiner Weise von realen Bedrohungen.

So manch kritisierter Politiker geht mit juristischer Gratwanderung und moralisch zweifelhaften Methoden gegen diejenigen vor, die ihn mit ihren Steuern bezahlen. Und es wird daraus sogar ein einträgliches Businessmodell mit Anwaltskanzleien entwickelten.[3]

Wo endet Meinungsäußerung, wo beginnt gezielte Manipulation? Wer entscheidet, was eine Falschinformation ist – und wer definiert, was als „die Wahrheit“ gilt?

Die Corona-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, wie eng Regierung und große Medienhäuser zusammenarbeiten – und wie formbar „Wahrheit“ sein kann. Der damalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat mehrfach die Impfung als nebenwirkungsfrei deklarierte. [4] Dass die Impfung zum Teil jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen hat, hat er als „schäbige Desinformation“ abgetan.

Heute sagt er, er habe nie geglaubt, dass diese Impfung nebenwirkungsfrei wäre. [5] Noch dazu sprach die Regierung von einer „Pandemie der Ungeimpften“ – eine Erzählung, die breite Zustimmung in den Medien fand und zur gesellschaftlichen Ausgrenzung kritischer Gruppen beitrug. Diese Personen wurden teils öffentlich diffamiert, sozial isoliert und wirtschaftlich geschädigt. Heute versucht sich Lauterbach peinlich und wenig staatsmännisch aus seinen offensichtlichen, da dokumentierten Lügen und Manipulationen herauszuwinden. Trägt er Verantwortung für diesen Schaden. Nein. Zumindest bis jetzt nicht.

Als ehemalige Redakteurin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erlaube ich mir hier eine persönliche Anmerkung: Ich war erschüttert, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen die politische Linie in der Corona-Berichterstattung kritiklos übernommen haben. Unvergessen der hetzerische ARD-Kommentar von Sarah Frühauf. [6] Doch sie war nur eine von nicht wenigen. Spätestens nach dem öffentlich gewordenen Corona-Strategiepapier aus der Staatskanzlei von Horst Seehofer, hätte klar sein müssen, dass hier strategisch Angst geschürt werden sollte – abseits von rein sachlichen Informationen. [7] Ein ordentlicher wissenschaftlicher Diskus wurde verhindert, da es nur eine Corona-Wahrheit zu geben schien. Zahlreiche Experten, die sich kritisch zu Impfungen oder Maßnahmen äußerten, wurden öffentlich diskreditiert, ausgegrenzt – und bis heute nicht rehabilitiert.

Was wäre heute mit diesen kritischen Stimmen? Welche Konsequenzen hätten sie nach Maßgabe der neuen Koalitionsvereinbarung zu befürchten? Und: Welche Konsequenzen haben jene zu erwarten, die – unter dem Deckmantel des Staates oder mit Medienmacht – Tatsachen verzerren oder verfälschen?

Das Spiel um Deutungshoheit und Wahrheit geht auch nach der Pandemie weiter. Recherchenetzwerke wie Correctiv, sogenannte Faktenchecker oder die Plattform Volksverpetzer sehen sich als Verteidiger der Wahrheit. Doch wie verlässlich sind sie?

Ein prominentes Beispiel: Die vermeintliche Berichterstattung Correctivs über ein privates Treffen in einem Hotel in Potsdam im November 2023. Der ein oder andere Teilnehmer ist dabei zwar kritisch zu sehen, doch die Plattform präsentierte dieses Treffen als rechtsextreme Verschwörungstruppe, die eine Massendeportation plane. In weiten Teilen erwiesen sich die Vorwürfe jedoch als unbelegt. Gerichtlich wurde später bestätigt, dass die Darstellung von Correctiv in Teilen falsch war. Konsequenzen? Keine. Die Organisation wird weiterhin staatlich gefördert. [8]

Auch unter der neuen Regierung werden Faktenbieger und Falschinformanten, wie der links populistische Güllewagen des ÖRR Jan Böhmermann weiter ihre Verleumdungen als Satire verkaufen.

Zur Erinnerung: Arne Schönbohm, ehemaliger Präsident des BSI, geriet 2022 ins Visier, als Jan Böhmermann ihn in der ZDF-Sendung Magazin Royale wegen angeblicher Russlandnähe verunglimpfte. Die Vorwürfe stützten sich auf seine frühere Verbindung zum umstrittenen „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“, blieben aber unbelegt. Schönbohm wurde daraufhin seines Amtes enthoben und versetzt – ohne Beweise für ein Fehlverhalten. [9]

Bislang gab es für Jan Böhmermann keine rechtlichen oder disziplinarischen Konsequenzen für die Verbreitung der unbelegten Vorwürfe gegen Arne Schönbohm. Trotz medialer Kritik an der journalistischen Sorgfalt seiner Sendung und der politischen Folgen für Schönbohm selbst, blieb Böhmermanns Beitrag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk folgenlos. Weder das ZDF noch staatliche Stellen leiteten Schritte gegen ihn ein. Und das ZDF, ist sich keiner Schuld bewusst. Nach einer Verurteilung Böhmermanns vor dem LG München I im Dezember 2024 geht das ZDF in Berufung. [10]

Und genau hier liegt das Problem: Wer bestimmt, dass eine Lüge doch nur Satire sei und daher alles darf. Darf man die eigentliche Wahrheit vertuschen und sie als Desinformation umdeuten, vermeintlich zum Wohl der Bevölkerung? Wer hat die einzig wahre Wahrheit?

Der neue Koalitionsvertrag sieht eine „staatsferne Medienaufsicht“ vor – unter „Wahrung der Meinungsfreiheit und auf Grundlage klarer gesetzlicher Vorgaben“ – und das in Deutschland, einem Land, in dem Staatsanwaltschaften den Weisungen der Justizministerien unterliegen. [11]  36 Jahre nach der Staatsicherheit (Stasi) gibt’s wohl nun bald die Staatswahrheit (Stawa).

Quellen

[1] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag_2025.pdf, 12.4.2025, S.123

[2] https://www.spiegel.de/kultur/dieter-hallervorden-und-co-die-das-wird-man-doch-noch-sagen-duerfen-fraktion-a-f9890225-d99e-4381-bcde-1bcc96ccd13, 12.4.2025

[3] https://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=125123 13.4.2025

[4] https://x.com/Karl_Lauterbach/status/1426323236019650564, 12.4.2025

[4] https://www.facebook.com/ArnoEnnersAfD/videos/lauterbach-bei-anne-will-zum-thema-nebenwirkungen-und-sch%C3%A4bige-desinformationen-/2399738430193071/, 12.4.2025

[5] https://www.nachdenkseiten.de/?p=130217, 13.5.2025

[6] https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tagesthemen/video-949037.html, 12.4.2025

[7] https://fragdenstaat.de/dokumente/412chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://clubderklarenworte.de/wp-content/uploads/2021/02/Wie-wir-Covid19-unter-Konrolle-bekommen.pdf-wie-wir-covid-19-unter-kontrolle-bekommen/ S.13 ff, 12.4.2025

[8] https://www.cicero.de/innenpolitik/meistgelesene-artikel-2024-marz-correctiv-widerlegt-sich-vor-gericht-selbst, 12.4.2025
[8] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/ulrich-vosgerau-afd-correctiv-potsdam-rechtsextremismus, 12.4.2025
[8] https://www.nzz.ch/feuilleton/ein-jahr-nach-dem-geheimplan-text-von-correctiv-der-wind-hat-sich-gedreht-ld.1865586, 12.4.2025
[8] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/ulrich-vosgerau-siegt-vor-olg-hamburg, 12.4.2025
[8] https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OLG%20Hamburg&Datum=23.07.2024&Aktenzeichen=7%20W%2078%2F24, 12.4.2025

[9] https://www.focus.de/politik/deutschland/schoenbohm-anwalt-keilt-gegen-faeser-und-stellt-zwei-brisante-fragen_id_204238291.html, 12.4.2025
[9] https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OLG%20Hamburg&Datum=23.07.2024&Aktenzeichen=7%20W%2078%2F24, 12.4.2025

[10] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/arne-schoenbohm-jan-boehmermann-zdf-berufung-aussagen-unterlassung 13.4.2025

[11] In Deutschland sind Staatsanwälte gemäß § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) weisungsgebunden. Das bedeutet, dass sie den dienstlichen Anweisungen ihrer Vorgesetzten, einschließlich der jeweiligen Justizminister, nachkommen müssen. Diese Regelung erlaubt es Justizministern, auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Einfluss zu nehmen, was immer wieder Anlass zu Diskussionen über die Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden gibt. https://www.gesetze-im-internet.de/gvg/__146.html, 12.4.2025

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5 Antworten

  1. Die Frage ist ja einfach zu beantworten !
    Gesinnungspolitik und Mainstreammedien, oder anders gesagt, die Leute dahinter.
    Dabei geht es nicht einmal mehr um Fakten, Quellennachweise und Moral, sondern nur noch darum unbequeme Wahrheiten zu verhindern und andere Meinungen (selbst wenn Faktenbasiert und beweisbar) zu unterdrücken.
    Meinungslenkung und Framing ist schon lange an der Tagesordnung ! Covid, 9/11, Israel oder der UKR-Krieg sind beste Beispiele dafür

  2. Diese Richtung ist erschütternd und wie bei vielen Angelegenheiten gibt es zwei Sichtweisen. Was, ganz konkret, kann ich als Bürgerin tun, wenn ich gegen die Stawa- Bildung bin bzw. die Richtlinien mitbestimmen möchte?

  3. Hallo,
    anscheinend ist es schon nicht mal mehr erlaubt diesen Beitrag auf Facebook zu teilen. Es erscheint dann nur “403 forbidden”. Schade, ein wirklich toller Beitrag.
    Viele Grüße
    Marion Horstmann

  4. Lieber Herr Langemann,
    die Idee mit den Fragen an Ki zu Gott und dem Teufel finde ich großartig, das Ergebnis macht mich fassungslos.in seiner Einfachheit!
    Danke und herzliche Grüße
    Ernst Barth

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