von Peter Löcke //
In der letzten Woche ging es um die Wurst. Darf man paniertes Gemüse Wurst nennen oder nicht? Mir persönlich ist es vollkommen Wurst, welcher Name auf der Verpackung steht. Ich möchte ein solches Produkt nur nicht essen. Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei? Stimmt. Deswegen verlasse ich das Thema Fleischersatzprodukte, bleibe aber bei ähnlichen Wurst Case Szenarien.
So wie es Fleischesser und Veganer gibt, so gibt es abstinente Menschen und solche, die dem Alkohol nicht abgeneigt sind. Saft oder Single Malt? Leider entscheide ich mich im Zweifel zu oft für den Alkohol. Nun bin ich auf der Online-Suche nach einer leckeren Spirituose falsch abgebogen und aus Versehen hier gelandet. Dort lachte mich direkt ein edler Whisky im für mich vertretbaren Preissegment von knapp unter dreißig Euro an. Das klingt doch gut. Die Herstellung? Erste Destillation, dann dreijährige Fassreifung, dann Extrahieren des Alkohols. Bitte was? Ich hatte richtig gelesen. So wie es fleischloses Fleisch gibt, so gibt es auch Hochprozentiges ohne Prozente. Welch eine Schnapsidee!
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Leben, essen und trinken lassen! Mein Problem ist ein Verständnisproblem. Ich durfte feststellen, dass bei nicht wenigen überzeugten Veganern und Abstinenzlern allein der Gedanke an Fleisch und Alkohol Abneigung bis Ekel auslöst. Dafür gibt es sicher gute Gründe und die respektiere ich. Warum aber muss das fleischlose Produkt wie Fleisch aussehen und warum muss das alkoholfreie Produkt an Alkohol erinnern? Das verstehe ich nicht. Wenn ich etwas nicht verstehe, gehe ich der Sache auf den Grund.
Möchte man etwas verkaufen, geht es immer um drei Dinge. Es geht um die Verpackung des Produkts, den Produktnamen und um den Inhalt. Das Erschreckende dieser Feststellung ist, wie unwichtig dabei der Inhalt geworden ist. Das merkt man nicht nur bei Wurst und Whisky. Das stellt man vor allem beim Verkaufsprodukt „Politik“ fest und damit zu zwei Meldungen der vergangenen Woche.
600.000 Euro für zwei Jahre Arbeit als Fotograf von Lars Klingbeil [1]. So lautet eine Ausschreibung des Bundesfinanzministeriums. Ja, das ist frech und instinktlos angesichts gleichzeitiger Appelle an die Bevölkerung, den Gürtel enger schnallen zu müssen. Und doch ist es üblich. Schließlich müssen hübsche Bilder für Imagekampagnen erzeugt werden.
Zwölf Millionen Euro für ebenfalls zwei Jahre als Werbeagentur für das Wirtschaftsministerium von Katherina Reiche [2]. Auch hier geht es nicht um Inhalte, es geht nur um sprachliche Verpackung. Ziel seien Glaubwürdigkeit und Wiedererkennbarkeit. Die Aufgabe der Agentur sei „die Entwicklung klarer und prägnanter Botschaften“. Die wirtschaftlichen Worst Case Szenarien sollen hübsch verpackt werden, damit der Endverbraucher Bürger sie dennoch als schmackhaft empfindet. Das wird die Aufgabe der potenziellen Agentur sein.
Der Drang nach hübscher Sprachverpackung wird besonders deutlich bei der Verabschiedung von neuen Gesetzen. Hatten diese früher noch einen nüchtern-neutralen Namen, so klingen heutige Gesetze wie Claims aus der Werbung. Verbesserungs- und Beschleunigungsgesetze wohin man schaut. Alles wird in der Theorie besser und schneller. Zuletzt wurde im Bundestag der Gesetzentwurf zu einem Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz [3] verabschiedet. Das klingt hübsch. Endlich klappt es mit der Energiewende. Oder handelt es sich in Wahrheit nur um einen weiteren Etikettenschwindel zur Sedierung der Bevölkerung?
Das Gute ist, dass immer mehr Menschen die verschiedenen Etikettenschwindel in jedem Gesellschaftsbereich durchschauen. Verpackung schlägt eben nicht Inhalt. Ich kann Männer Frauen nennen und zu einer Frau Mann sagen, ich kann Ämter in Agenturen verwandeln und einen Hausmeister zum Facility Manager befördern, doch am Ende zählt der Inhalt. Mein Weihnachtsgeschenk kann ich noch so bunt verpacken – wenn der Beschenkte es öffnet und im Inneren befindet sich nur heiße Luft, wird er enttäuscht sein und wütend auf mich.
Apropos wütend? Ein drohender EU-Überwachungsstaat verängstigt viele Menschen. Stichwort Chat-Kontrolle, in der ÖRR-Werbung verkauft als Kampf gegen Kinderpornographie. Aufgrund der öffentlichen Empörung rudert man zurück. Das wäre ja so „als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen“ meint Jens Spahn [4].
Zeitgleich kommentiert Spahns Chef und Bundeskanzler Friedrich Merz die Modernisierung des Bundespolizeigesetzes [5]. Endlich sei auch „präventive Telekommunikationsüberwachung“ möglich.
Was soll man zu diesem leicht durchschaubaren Orwellsprech des Kanzlers sagen? Vielleicht folgendes: Die CDU und das Kanzleramt benötigen dringend eine Werbe-Agentur für eine bessere Kommunikation und zwar ab sofort und nicht erst ab Januar 2026. Die ändert zwar nichts am Inhalt, doch immerhin wird dann nicht mehr der Verstand des Bürgers beleidigt. Alles hat ein Ende, auch Regierungen und beleidigende Leberwürste.
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Quellen

2 Antworten
Gefundenes Fressen gefunden!
Dies war ganz und gar köstlich!
Die Werbung hat die Politik schon lange erobert. Clinton gewann seinen ersten Wahlkampf Mitte der Neunziger mit One – to- One Communication, vulgo Direct Marketing. Die auf Politik spezialisierten PR Agenturen schossen gleichzeitig ins Kraut und verdienten sich eine Goldene Nase mit der Verpackung von unerfreulichen Botschaften, die man am liebsten dem politischen Gegner anhängt. Nach dem Jahr Zweitausend zog man in Deutschland langsam nach. Die Konsumbürger und die Stimmbürger kennen sich also gut mit dem Ettikettenschwindel aus, sowohl bei den Waren als auch in der Politik. In beiden Fällen konsumieren sie allerdings das, was man ihnen vorsetzt. Wenn auch belustigt und mit Widerwillen. Für die Politik stimmt das nicht ganz. Sie wählen dort „die Falschen“, weil immer mehr Menschen immer weniger im Beutel haben, um die schönen Waren zu kaufen. Und noch einen Unterschied gibt es: In der Warenwelt herrscht noch leidlich Konkurrenz, in der Politik nicht mehr. Dort hat sich das weite Oligopol der Mitte, „unsere Demokratie“ oder „die Zivilgesellschaft“ genannt, herausgebildet, das seinen Status mit allen Mitteln verteidigt. Und noch einen Unterschied gibt es: Jede Werbeagentur warnt ihren Kunden, wenn das Produkt nicht hält, was die Werbung verspricht. Die Schere darf hier nicht zu weit auseinander gehen. Das ist in der Politik eigentlich genauso. Deshalb ist dieser „Gute-Laune-Sprech“ der PR-Profis auch zum Scheitern verurteilt. Gestern Abend mühte sich die ARD-Tagesschau gefühlt zehn Minuten, dem Publikum dieses „Neue-Grundsicherung-Gesetz“ als eine Revolution zu verkaufen, obwohl es nur – mit Verlaub – ein lauer Furz ist. Wetten, da geht der Schuss nach hinten los. Eigentlich arbeiten die Regierungsmedien und ihre Helfer jeden Tag für „die Falschen“. Sie haben es nur noch nicht bemerkt. P.S.: Zielpersonengenaue Direkt Marketing – Kampagnen wie in den USA, scheitern übrigens in Deutschland am Datenschutz!