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Ser insolidario

por Peter Löcke //

„Das kriegen wir nur mit Datensolidarität. Dieses Gesundheitsdatennutzungsgesetz ist gelebte Datensolidarität.“

Was genau ist Datensolidarität? Ich weiß es nicht. Falls Sie es wissen, schreiben Sie es gerne in die Kommentare. Das Zitat stammt von Janosch Dahmen. Er sagte es in seiner Rede zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. In der betreffenden Bundestagsdebatte am 14. Dezember ging es um die kommende digitale Patientenakte. Falls Sie denken, dass es den Staat nichts angeht, wie Ihr Stuhlgang ist, sind das übertriebene Befürchtungen und außerdem sind Sie egoistisch. Seien Sie gefälligst solidarisch. Schließlich dienen Ihre persönlichen Daten der Forschung und Forschung rettet Leben. So die Janosch-Logik. Herr Dahmen ist zumindest konsequent. Er war seinerzeit der leidenschaftlichste Befürworter einer Impfpflicht. Sie erinnern sich? 

Das kriegen wir nur hin mit einer Impfpflicht. Seien Sie kein egoistischer Impfverweigerer. Das Gesetz zur Impfpflicht ist gelebte Solidarität. 

Es vergeht kaum ein Tag, an welchem nicht irgendwo von irgendwem Solidarität eingefordert wird. Vielleicht teilen Sie mein Problem. Ich halte mich bereits für solidarisch. Wirkliche Solidarität kommt von innen. Ich muss nicht dazu aufgefordert oder gar verpflichtet werden. Meine Solidarität gilt den Ausgegrenzten, den Mutigen und all jenen Menschen, die ihre Menschlichkeit nicht verloren haben. Meine Solidarität ist nicht parteigebunden. Ich mache es an einem konkreten Beispiel, dem Parteitag der SPD, fest. Der war, so durfte ich lesen, geprägt von Solidarität.

Völker hört die Signale! Zum großen Finale der SPD-Selbstbeweihräucherung wurde die Internationale gesungen. Gemeinsam im Chor, die Hände solidarisch in die Luft gestreckt. Nur hat das in meinen Augen nichts mit Solidarität zu tun. Dabei handelt es sich um Gruppendynamik und Kadavergehorsam. Das Volk hört sehr wohl die Signale, spürt und leidet unter den Folgen der Ampel-Politik. Wenn die SPD das nicht wahrhaben möchte, leidet sie unter einer Signalstörung. Es gab genau einen Moment, in welchem mich dann doch ein tiefes Gefühl der Solidarität durchströmte. Da kommt Mareike Engel auf die Bühne, ihres Zeichens Sachsens JuSo-Chefin. Sie hat als einzige im Saal das Rückgrat, den wachsenden Unmut in der Bevölkerung anzusprechen und den Kanzler zu kritisieren. Dementsprechend wurde Sie ausgebuht. Solch mutigen Menschen fühle ich mich verbunden. Da bin ich gerne solidarisch. Freiwillig, ohne Aufforderung, ohne Symbolik und Zeichensetzung.

Ständig werden irgendwelche Zeichen gesetzt und anschließend gibt es Aufforderungen, sich der Zeichensetzung anzuschließen. Zeigen und hissen Sie außerdem eine Flagge, denn dort haben Sie eine große Auswahl. Das geht mit einem Klick in Ihrem Online-Profil und Whattsapp-Status. Solidarisieren Sie sich mit Europa, der Ukraine, Israel, der Regenbogenflagge oder auch mit dem Bild von fünf Spritzen. Dann weiß das Gegenüber direkt, mit wem er es zu tun hat.

Seit wann ist Solidarität zu einem Icon und Statussymbol geworden? Der Hype um Solidarität ist nicht nur albern und oberflächlich, sondern auch gefährlich. In jedem Appell zur Solidarität steckt ein gefährlicher Subtext, eine verborgene indirekte Botschaft. Die gefährliche Übersetzung von „Seien Sie solidarisch!“ lautet:

Seien Sie gehorsam. Gehorsame Menschen stellen keine kritischen Fragen. Wer nicht gehorsam ist, wird solidarisch ausgeschlossen.

Das Wort Solidarität ist zu einem Euphemismus verkommen. Kommen wir zum Meister dieses rhetorischen Trickbetrugs, zu Olaf Scholz. Es gibt kaum eine Stellungnahme, in welcher der Kanzler nicht zur Solidarität alias zu blindem Gehorsam aufruft, gerne verpackt in Metaphern. Unterhaken, wir müssen uns jetzt alle unterhaken! Nur eines von vielen Beispielen. Doch kaum eine Sprachbild entlarvt die Lüge so sehr wie das „You’ll never walk alone“, das Olaf Scholz seinem Volk regelmäßig versichert. Es ist die moderne Form von „Ich liebe, ich liebe doch alle, alle Menschen“ von Erich Mielke. Bleiben wir in diesem Bild.

Wie sieht die Realität im Fußballstadion aus? Da stehen die einfachen Leute mit wenig Geld auf den billigen Plätzen, der Stehtribüne des Lebens. Sie singen „You’ll never walk alone“. Sie versichern ihrem Team Solidarität. Wir lassen euch auch in schlechten Zeiten nicht im Stich. Das ist die Botschaft. Es ist eine Solidarität ohne Aufforderung, freiwillig aus Liebe zu Ihrem Verein. Da steht nicht der Präsident des Fußballclubs mit einem Mikrophon am Mittelkreis und fordert sie dazu auf. Das ist der große Denkfehler in der Metapher des Olaf Scholz. 

Sollte der Kanzler irgendwann in ein Stadium der Wirklichkeit zurückgelangen und das Fußballstadion der Realität betreten, wird er folgendes feststellen. Die Fans  sind nicht so dumm wie er glaubt. Sie sehen mit eigenen Augen: Die Regierungsmannschaft spielt miserabel, ist abgestiegen und steht nun in der zweiten Liga im Tabellenkeller. Zudem haben sich die Preise auf den billigen Plätzen verdoppelt. In genau diesem Moment „You’ll never walk alone“ zu singen, ist eine schlechte Idee. Die parfümierte VIP-Lounge der Pressetribüne mag mitsingen. Bei den einfachen Leuten wird längst ein anderes Lied gesungen. Man hört es jede Woche in Deutschlands Stadien. Der unsolidarische Song geht so:

„Wir ham die Schnauze voll. Wir ham die Schnauze voll. Wir ham, wir ham … wir ham die Schnauze voll.“

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10 Respuestas

  1. Jetzt werde ich mir untreu und füge doch noch etwas hinzu:

    Wie schön, dass es das Verb „schwurbeln“ gibt (seit 1987)* und es samt seiner abgeleiteten Substantive so sehr in Mode gekommen ist (seit 2018)*, denn „gelebte Datensolidarität“ ist ein Paradebeispiel für „Geschwurbel“. Man könnte es sehr gut im Deutschunterricht verwenden, wenn es dereinst wieder aufwärts geht mit der Bildung und solch wichtigen Dinge in der Schule thematisiert werden.

    Jedenfalls ist es aus meiner Sicht eine sehr lohnenswerte Methode, alle Abwertungen, Diffamierungen usw. einfach umzukehren auf diejenigen, welche sie äußern. Dann bekommen die Äußerungen nämlich Sinn. Klappt fast immer. Sakia Esken ist zum Beispiel ein typischer „Covidiot“. Eine Covidiotin ist sie außerdem, aber jeder Mensch hat das Recht darauf, nicht diskriminiert zu werden, auch sie. Außerdem bin ich prinzipiell gegen Diskriminierung, also werfe ich sie in einen Topf mit allen Covidioten, auch den männlichen, und nicht nur den weiblichen. Das ist übrigens auch ein Art gelebter Solidarität, finde ich.

    *siehe Verlaufskurve „schwurbeln“ beim Digitalen Wörterbuch der deutscher Sprache: → https://www.dwds.de/r/plot/?view=1&corpus=zeitungenxl&norm=date%2Bclass&smooth=spline&genres=0&grand=1&slice=1&prune=0&window=3&wbase=0&logavg=0&logscale=0&xrange=1946%3A2023&q1=schwurbeln

  2. Zugegeben: Ich will Streit anfangen. Und das über eine heilige Kuh, die
    Solidarität. Denn ich kann es einfach nicht mehr ertragen. Die Sache an sich
    sicher – sie ist weiterhin aller Ehren wert -, aber das Wort ist bis zur Unkennt-
    lichkeit abgegriffen. Die ehemals heilige Kuh der Arbeiterbewegung hat ihre
    eingezäunte Weide verlassen, steht überall herum und glotzt einen mitleid-
    heischend an: Seid solidarisch, bitte! Man kommt nicht an ihr vorbei, hupen darf man nicht, sonst setzt es grünen Spinat.
    Solidarität wird unablässig eingeklagt: Nach innen – auf jedem Parteitag,
    Gewerkschaftskongreß, Kirchentag oder jeder Verbandstagung – wird sie
    ständig beschworen, besonders wenn die Delegierten zu kritisch diskutieren.
    Nach außen wird sie überall gefordert: Nach vorne, um zukünftige Genera-
    tionen oder wenigstens die Jugend solidarisch zu behandeln, zurück zu den
    Senioren gewandt, zur Seite mit dem jeweils anderen Geschlecht, neuerdings
    „die andere Solidarität” genannt, nach Süden mit den armen Brüdern und
    Schwestern der Dritten Welt, nach Osten erst recht mit allen Opfern des
    Kommunismus und auch nach Norden mit den Robbenbabys und überhaupt
    um uns herum mit Mutter Natur und ihrer Familie (gegenüber Bruder Hase
    und Schwester Ameise, Tante Heide und Onkel Wald), und endlich auch nach
    oben mit der schwindenden Atmosphäre ist Solidarität einzuüben.
    Solidarität in uns, um uns und um uns herum. Gibt es denn nirgends ein
    solidaritätsfreies Plätzchen? Das klingt inzwischen wie die Funktionsmusik in
    Kaufhäusern und Hotels.

    Was wenn wir die heilige Kuh Solidarität aus dem allgemeinen Verkehr
    ziehen und sie wieder dahin stellen, wo sie hingehört: Als aktives und freiwil-
    liges, und damit politisches Einstehen für andere, die es dringend brauchen.

    …danke, Herr Löcke für ihre unermüdliche Arbeit.

  3. Ich habe schon vor Monaten Widerspruch bei meiner Krankenkasse gegen das Anlegen einer elektronischen Krankenakte eingelegt. Zur Nachahmung empfohlen.

      1. Würde mich auch interessieren. Vermutlich eher noch gar nicht, zumindest nicht inhaltlich, alldieweil damals noch eine Rechtsgrundlage fehlte und erst recht deren praktische Umsetzung bei den Ausführungsorganen. Jedenfalls eine gute Idee!

        1. Meine Tk hat erwidert es bestehe noch keine Rechtsgrundlage für eine opt-out Möglichkeit. Kein Problem dann schreibe ich sie vierteljährig an.

  4. Sie schreiben mir aus der Seele. Die Schnauze habe ich ebenfalls voll, nicht von meiner Mannschaft, auch wenn sie mich in regelmäßigen Abständen verzweifeln lässt. In der Tat können gewisse Werte nicht von oben verordnet werden, sie kommen freiwillig von innen. Was mich betrifft, ich besitze seit Ewigkeiten kein Auto mehr, fahre Rad und Bahn, sofern letztere denn fährt. Ich lebe Umweltbewusstsein also schon lange bevor es zur Staatsdoktrin unter dem Deckmantel des positiv besetzen Begriffs des “Klimaschutzes” erklärt wurde. Genauso verhält es sich mit der Solidarität. Ich halte mich eigentlich auch für solidarisch. Aber es stimmt, bei dieser neuen eiskalt kalkulierten Definition von Solidarität würde ich mich auch als radikal unsolidarisch und verantwortungslos bezeichnen. Das gleiche gilt natürlich für alle erdenklichen Formen der verdeckten Umerziehung. Danke für den Beitrag und Glück auf, lieber Herr Löcke, nächste Saison geht es wieder gegen den HSV:-)

  5. Der nachstehend genannte Text kursiert als Vorlage für einen Widerspruch zum Thema Patientenakte, vermutlich
    wurde das korrekt verfasst, prüfen möge das bitte jeder für sich.

    Widerspruch elektronische Patientenakte

    Señoras y señores,

    hiermit widerspreche ich dem Anlegen einer elektronischen Patientenakte von meiner Person.
    Das Bundesverfassungsgericht hat eine Beschwerde und einen Eilantrag gegen Regelungen zur elektronischen Patientenakte abgewiesen.
    Als Begründung wurde genannt, dass die Akte für Patienten freiwillig sei.
    Daher weise ich ausdrücklich darauf hin, dass ich keine elektronische Patientenakte haben möchte.
    Zudem weise ich auf § 335 SGB V in der Fassung des PDSG hin:
    (3) Die Versicherten dürfen nicht bevorzugt oder benachteiligt werden,
    weil sie einen Zugriff auf Daten in einer Anwendung nach § 334 Absatz 1, Satz 2 bewirkt oder verweigert haben.
    Die von der Bundesregierung vorgesehene Möglichkeit des Opt-out/ Wider-spruchs, nachdem die ePA angelegt wurde, findet in meinem Fall keine Anwendung, da die Akte nicht angelegt werden darf.

  6. Da stimme ich mit ein, ich habe nämlich auch die Schnauze voll. Als es noch funktioniert hat mit der sog. Solidarität, dass viele Menschen in unser Sozialsystem einzahlten und damit auch den Schwachen halfen, hat es durchaus Sinn gemacht. Dieses Prinzip wird gerade umgekehrt. Immer weniger Menschen müssen für viele aufkommen. Das nimmt den wenigen Menschen die Kraft, den Mut und die Zuversicht. Es hat System, immer wieder ein neues Spiel zu erfinden um die Menschen in Angst zu versetzen und was ist jedesmal die Quintessenz: Möglichst viel Kapital vom Volk herauszupressen. Corona, Klima, Krieg. Bin schon auf das nächste Szenario gespannt. Die Notlage, irgendwo und irgendwie verursacht, vielleicht der Sack Reis der in China umfällt, wird Deutschland den Rest geben. Nein, ich bin kein Pessimist.

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