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Wie lange noch?

von Antje Maly-Samiralow //

Drei Jahre lebt sie nun schon hier, tut, was man in Häusern wie diesen Leben nennt, exerziert die Rudimente ihres einstigen Daseins: Essen, Trinken, Schlafen. Das war es im Wesentlichen, sieht man von den wenigen lichten Momenten ab, in denen sie das Gefühl beschleicht, sie selbst zu sein, in denen sie sich daran erinnert, wer und was sie einmal war: eine schöne, stolze, kräftige und auf ihre Art kluge Frau, die fünf Kinder groß gebracht, Haus, Hof und Garten versorgt und im Winter Pullover für die ganze Familie gestrickt hat. Sie war keine sonderlich Gottesfürchtige Frau, auch wenn der Dorfpfarrer ihr bei passender Gelegenheit ans Herz gelegt hat, sich doch öfter sehen zu lassen, nicht nur an Weihnachten und zu Beerdigungen. Auf ihre Weise hat sie ein Gottgefälliges Leben geführt, hat stets mehr gegeben als genommen, geschweige, dass sie etwas eingefordert hätte. 

Wenn in der Nachbarschaft eine Wöchnerin mit sich, dem Neugeborenen und ihrer überforderten Mischpoche zu kämpfen hatte, kochte sie Hühnersuppen und trug sie über die Straße. Wenn eines ihrer vielen Enkel krank wurde und die jeweils dazugehörende Mutter nicht verfügbar war, übernahm sie die Pflege, legte Wadenwickel an, versorgte Hautpusteln und später manch heftigen Liebeskummer. Dann buk sie den ein oder anderen Lieblingskuchen, machte hauchdünne Pfannekuchen, die sie mit selbstgemachter Himbeermarmelade bestrich. So hat sie viele Wunden gepflegt und geheilt. 

Sie kann sich nicht erinnern, in jungen Jahren je krank gewesen zu sein. Das hätte sie sich weder leisten können noch wollen. Nicht dran zu denken, was geschehen wäre, wenn sie auch nur eine Woche im Bett zugebracht hätte. Wer hätte die Hühner versorgt, wer die Bohnen, Erbsen und Birnen eingemacht, wer hätte gekocht, gewaschen, gebügelt und die steinernen Fußböden gebohnert, damit es am Samstag gut und sauber roch im Haus und der Sonntag Sonntag sein konnte, Bratenduft aus der Küche inklusive.

Irgendwann, da war sie auch schon hoch in den Fünfzigern, die Kinder längst aus dem Haus, die Enkel in alle Winde verstreut, alle weit draußen in der Welt, da zogen die ersten Wolken auf, wurde es ihr manchmal schwer ums Herz. Sie nahm es hin, wusste sie doch, dass die Fünfziger kein Leichtes sind im Leben einer Frau. Also ertrug sie ihre Gemütslagen, die ihr mehr als ihrem Mann zu schaffen machten. 

Er war ein duldsamer Mann, ein wirklich guter Mann, der nie die Stimme erhob, egal wie schnippisch und garstig sie ihm begegnete. Er war klug genug, keinen Streit vom Zaun zu brechen. Wenn die ganz schlimmen Launen über sie kamen, ging er in seine Werkstatt und schnitzte ihr etwas Hübsches. Das hat ihre Launen ein wenig besänftigt, wenn auch nur vorübergehend. Mit den Jahren gingen die Launen, so wie sie gekommen waren. Ihr Haar wurde schütterer, ihr Leib dafür kräftiger. Sie war noch immer gut zu Fuß, ging noch immer in den Garten und in die Nachbarschaft und immer häufiger zum Friedhof. Dort saß sie mit den anderen Alten des Dorfes und sprach über dies und jenes, über die alten Zeiten und die neuen, an denen sie keinen rechten Gefallen finden konnten, zu schnell, zu laut zu anders. 

Ihr Mann ist schon lange nicht mehr bei ihr. Im Regal stehen seine Schnitzereien sauber in Reih und Glied neben seinem Foto. Die Fotos der Kinder und Enkelkinder stehen auf dem Sideboard, weit weg, so weit es eben geht in dem achtzehn Quadratmeter kleinen Zimmer, dass seit nunmehr drei Jahren ihr Zuhause ist. Viel konnte sie nicht mitnehmen. Das Krankenbett nimmt ja schon so viel Platz ein, den Rollator musste sie im Zimmer parken. Auf dem Flur stehe er im Wege, hieß es, und überhaupt hätten alle Bewohner die Gegenstände ihres privaten Gebrauchs, und dazu zählte nun mal auch der Rollator, in ihrem eigenen Zimmer unterzubringen. 

Alle hatten sie so eine Gehhilfe, alle liefen sie im rechten Winkel gebeugt über den Seniorenporsche, wie man das hier nannte. Selbst als sie noch so gut gehen konnte, dass sie den Rollator eigentlich nur draußen gebraucht hätte, wenn sie allein unterwegs war und sich auf ihren Spaziergängen ausruhen wollte, wies man sie an, sich auf den Fluren und in den Gemeinschaftsräumen des „Heims für die besten Jahre des Lebens“ nur mit Rollator zu bewegen. Wegen der Sturzgefahr hieß es und den damit verbundenen Versicherungsrichtlinien. Verstanden hat sie das nie, und weil sich alle Heimbewohner daran hielten und sie keine Kraft hatte, zu erklären, dass und warum sie den Rollator doch eigentlich nur zur Not bräuchte, hat sie sich an dieses Gefährt gewöhnt. 

Heute wäre sie froh, wenn sie ihren Rollator noch benutzen dürfte. Der ist einem Rollstuhl gewichen. Dafür hat sie jetzt ein bisschen mehr Platz im Zimmer. Und weil sie den ganzen Tag im Rollstuhl verbringt und die Nacht im Bett, wurde der große Ohrensessel, das einzige Möbel, das sie mit hierher nehmen durfte, der Sessel, in dem schon ihr Vater gesessen hat, soweit sie sich erinnern kann, sein liebes gutes Leben lang, verräumt, wohin, hat man ihr nicht gesagt. Die Pflegerinnen fanden es praktischer, weil sie sie so besser versorgen konnten, und ihre Kinder mochten das alte Möbel ohnehin nie leiden. Sie hatten ihr seinerzeit beim Einzug in dieses Zimmer neue Möbel gekauft. Auch einen Fernsehsessel wollten sie ihr schenken, einen, den man per Knopfdruck in die Waagerechte und auch sonst in allerlei Positionen verstellen konnte. Aber sie hatte auf dem alten abgewetzten Ohrensessel bestanden. Jetzt ist auch der weg. 

Wie spät mag es wohl sein? Sie schaut auf ihr Handgelenk, doch die Uhr ist nicht da. Wo ist ihre Uhr? Sie drückt den Knopf, noch einmal und noch einmal. Nach einer halben Ewigkeit hastet die Pflegerin herein. Es ist Schwester Anna, eine von den netten. Aber Anna weiß auch nicht, wo ihre Uhr geblieben sein kann. Sie sucht sie, schaut unter dem Bett nach und in den Schubladen, aber sie kann sie nirgends finden. Dann entschuldigt sie sich, weil zwei Kolleginnen krank und noch so viele Bewohner, die allesamt schlechter dran seien als sie, zu versorgen sind. Anna drückt ihre Hand und verspricht, sie in einer Stunde zum Essen zu holen. 

Dann muss es wohl später Nachmittag sein. Punkt 17:30 gibt es Abendessen. Ja, es muss spät am Nachmittag sein. Sie schaut aus dem Fenster in die Kastanie, die ihre letzten Blätter hergegeben hat. Sie schaut bis im fahler werdenden Licht auch Äste und Zweige des einstmals majestätischen Baums in der Dunkelheit aufgehen. 

Da reckt sie den Kopf gen Himmel und fragt: „Wie lange noch?“

14 Responses

  1. Leider gab es solche entwürdigenden Maßnahmen schon lange vor Corona.
    Ich bin Physiotherapeutin und arbeite seit 30 Jahren mit alten Menschen in Heimen oder bei ihnen zu Hause. Corona war nur die Spitze des Eisberges. Die wenigsten Bewohner im Heim bekommen regelmäßig Besuch von Angehörigen. Die Kinder sind selbst eingespannt und / oder weit weg oder es gibt gar keine Angehörigen mehr.
    Das Leben im Heim besteht zum großen Teil aus Langeweile neben Schlafen, Pflege und Essen und mit Glück ein bisschen Betreuung. Das Arbeitspensum der Pflegerinnen ist hoch. Die ausgebildeten Schwestern sind die wenigste Zeit bei den Bewohnern, da die administrativen Aufgaben sehr zeitintensiv sind. Für das Betten machen, Getränke reichen und die Betreuung wurden neue Berufe mit geringeren Lohnkosten kreiert bzw billigeres, da ungelerntes, Personal eingestellt. Gerade das ist aber die Zeit, in denen Pflegende und Bewohner Zeit für Gespräche hätten.
    In diesem Zeittakt ist für das Zwischenmenschlich sehr wenig Platz bzw wird sich die Zeit nicht genommen, da die Arbeitsbelastung tatsächlich sehr hoch ist.
    Den Preis bezahlen wir, weil wir es als selbstverständlich hinnehmen, dass unsere Gesellschaft auf Erwerbstätigkeit und Privatisierung aufgebaut ist. Wir erfahren durch die Erwerbstätigkeit persönliches Prestige und Bezahlung. Soziale Sorge für Kinder, Alte und Menschen mit Handicap wird selbstverständlich erwartet und natürlich nicht bezahlt. Zusätzlich begann in den 80gern die Privatisierung. Zunächst wurden die Krankenhäuser privatisiert, danke Herr Kohl, später dann immer mehr Bereiche der medizinischen Versorgung, danke an Herrn Schröder und Herrn Fischer. Rot / Grün hat damals die die größten sozialen Einschnitte initiierten, die sich die Konservativen nie getraut haben. Ich habe Mitte der 80ger ein Praktikum im Altenheim gemacht und wir hatten viel Zeit uns um die Bewohner zu kümmern!
    Es gab mal einen Entwurf zu ethischer Pflege. Der wurden von den Kostenträgern an höchster Stelle abgelehnt, da es sehr personalintensiv und damit sehr teuer wäre. Solange wir die etablierten Parteien wählen wird sich daran nichts ändern, da die Nutznießer eine sehr große Lobby haben und sich dumm und dusselig an privatisierten Heimen und Krankenhäusern verdienen.
    Den Schaden tragen wir Familien bzw die, die auf den Stationen arbeiten, da unsere Belastung durch Arbeit und Familie sehr hoch ist und wir andererseits unser Herz verschließen müssen um die Grausamkeiten nicht zu sehen in die wir unsere Angehörigen geben bzw die wir als Arbeitende auf den Stationen sehen.
    Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich niemandem Schuld gebe. Jeder gibt sein Bestes, trotzdem lebt der Großteil der Alten unter entwürdigenden Bedingungen, meine Beispiele dafür würden Bücher füllen.

    Meine Lösung? Ein ehrlicher Gesellschaftsvertrag zwischen denen, die soziale Arbeit leisten (Kinder aufziehen, sich um alte oder behinderte Angehörige) kümmern und den Erwerbstätigen. Warum kann ich nicht das Geld bekommen wenn ich mich um einen Angehörigen kümmere, das ein Heimplatz kostet und buche mir dann die nötige Hilfe dazu? Warum fühlen sich junge Mütter heutzutage genötigt ihre Kinder, mit zum Teil unter einem Jahr, in Fremdbetreuung zu geben?

  2. Es wird noch schlechter, Wetten?
    Wenn man sieht, was in den Schulen, die letzten Jahre produziert wurde und wird.
    Nicht nur in Deutschland. Die Gesellschaften wandeln sich allgemein, aus unserer Sicht, zum schlechten hin.
    Wer ist Schuld?
    Internet, Computerspiele, Handy, Medien…..

    Was kann eine Gesellschaft dagegen tun? Nichts!
    Jeder kann bei sich anfangen, aber die breite Masse wird man nicht erreichen.

    Vielleicht gibt es ja ein “großes Ereignis” damit die Kreatur Mensch wieder zu sich findet.
    Wenn man rückblickend die Menschheitsgeschichte betrachtet, hege ich wenig Hoffnung auf Besserung.

  3. Es ist ein berührender Artikel, keine Frage, und er beschreibt sicher unser Zusammenleben, unsere Achtung, unseren Respekt, unsere eigenen Verantwortung. Und darin besteht das Dilemma; nehmen wir die alte Dame, über die der Artikel berichtet. Sie hat ihr Leben lang getan, für andere. Dabei vergaß sie ihre Verantwortung für sich selbst. Bin ich ein Leben lang für andere, nur für andere, da, sind es alle gewohnt und niemand gibt den wenngleich auch nicht eingeforderten Dank und Respekt, ein sich selbst erhaltendes System. Wie wäre es also, an andere genau so intensiv zu denken wie an sich selbst? Denke ich an meine eigenen Notwendigkeiten und Interessen, sehe ich zudem vielleicht sie auch bei anderen und bin dann da, wenn es notwendig ist. Eine permanente Hilfe entmündigt nicht nur mich selbst, sondern auch die Person, der die Hilfe übergestülpt wird.

  4. Das war auch mein erster Gedanke. Wie gerne suchen wir den Fehler im Aussen, um uns selbst reinzuwaschen.

  5. Mein Onkel (87, ungeimpft) war 2022 vorübergehend in einem Pflegeheim untergebracht. Während dieser Zeit wurde er bei den Routinekontrollen positiv auf Covid 19 getestet und danach auf seinem Zimmer isoliert. Seinen Aussagen zufolge kamen nur Pflegekräfte in Vollmontur rein (er nannte es “wie die Astronauten”), zum testen und zum Essen bringen. Er durfte weder besucht werden, noch raus, um spazieren zu gehen. Bei meinen regelmäßigen Anrufen stellte ich fest, dass er in diesen 14 Tagen zunehmend psychisch abbaute. Dabei war Covid nicht das Problem, denn er hatte nur Erkältungssymptome und leichtes Fieber.
    Mein Nachfragen auf der Station ergab, dass er einen Tag vorher das erste mal negativ getestet wurde und er erst raus darf, wenn das Gesundheitsamt zugestimmt hat und das Zimmer einer Komplettreinigung unterzogen wurde. Das wäre frühestens am nächsten Tag der Fall. Paradox am Rande: seine “Mitinsassen” wären auch großteils positiv getestet und jeder liegt isoliert auf seinem Zimmer. D.h. trotz dieser sogenannten “Eindämmungsmaßnahmen” hatte sich der Virus verbreitet. Und obwohl kaum einer mehr den anderen anstecken konnte, da fast alle infiziert waren, wurde an dieser “Isolationshaft” festgehalten. Die Pflegekräfte waren zwar genervt, setzten jedoch diese menschenverachtenden Vorschriften um. Ich übertreibe sicher nicht, wenn ich sage, dass diese Maßnahmen für viele alte Menschen das Todesurteil bedeuten.
    Ich wohne fast 1000 km von meinem Onkel entfernt, zog jedoch den Gedanken in Erwägung ihn da rauszuholen. ….
    …. etwas Besseres als den Tod finden wir allemal (Bremer Stadtmusikanten)

  6. Ich könnte vom Leben meiner Mutter ein ähnliches Schicksal beschreiben. 10 Kinder aufgezogen, ihre Interessen und Bedürfnisse immer hinter die der Kinder gestellt. In ein Seniorenheim gekommen am 2.1.2020 im Alter von 95. Im März weggesperrt wegen Corona. Besuch nur im Freien und Unterhaltung nur über einen Zaun etwa 30 Meter von Mama entfernt und für eine Zeit von etwa 10 Minuten möglich. Welch ein Wahnsinn, Mamas Augen waren schon schlecht und noch schlechter hörte sie. Nach gefühlter Ewigkeit war endlich wieder Besuch möglich, mit Anmeldung, Eintrag in eine Liste und natürlich nur mit Maske, auch in ihrem Zimmer. Wir hatten einige schwerere Diskussionen mit den Pflegekräften und der Pflegedienstleitung, setzten uns aber letztendlich durch, zumindest in ihrem Zimmer, keine Maske zu tragen. So kam ihr letzter 96. Geburtstag im Oktober 2020. Sie war glücklich, daß sie ihre Kinder um sich haben durfte und wir feierten in einem Gasthaus mit dem Gefühl, daß sich jetzt wieder alles zum Guten wenden würde. Aber es kam, wie es kommen mußte. Mitte November erhielten wir die Nachricht, daß Mama an Corona erkrankt war. Es sollte ursprünglich nur eine!! Person zu ihr kommen dürfen. Ich sagte ihnen, daß wir uns das auf gar keinen Fall gefallen lassen würden. Da sie sozusagen im Sterben lag, akzeptierten sie das und so wechselten wir Geschwister uns ab und konnten sie jeden Tag betreuen. Je nach Zeit des Einzelnen entweder einen ganzen Tag oder Einer am Vormittag, einer am Nachmittag. Sie war wirklich schwerst erkrankt und fast verdurstet. Aber durch unsere Betreuung ging es wieder bergauf. (Das Personal war zu diesem Zeitpunkt total überlastet, bei jedem Eintritt in ein Corona-Zimmer mussten sie sich wie Außerirdische mit Taucherbrille, Haarnetz, Kunstsoff-Einmalanzug ect. bekleiden, um vielleicht auch nur einen Schluck Wasser zu reichen). Und so kam es, daß Mama wieder gesundete. Sie war zwar noch sehr schwach, hatte aber Corona überlebt. Zu dieser Zeit wurde uns gesagt, daß wir ab jetzt (es war kurz nach Weihnachten) nicht mehr kommen dürfen, da sie ja jetzt wieder gesund sei. Es dürfe jetzt nur mehr 1x die Woche, eine Person für eine halbe Stunde zu ihr kommen und das natürlich nur mit negativem Test. Leider verlor Mama dadurch jeglichen Lebensmut und verstarb am 30. Jänner 2021 alleine ohne ihre geliebten Kinder. WIR VERGESSEN NICHT UND VERZEIHEN NICHT !!!!!! Liebe Mama, ruhe in Frieden, wir sehen uns wieder!

      1. Das war auch mein erster Gedanke. Wie gerne suchen wir den Fehler im Aussen, um uns selbst reinzuwaschen.

  7. Ein ganz berührender Artikel, vergleichbare Situationen habe ich erlebt, als ich für ein Jahr Nachtbereitschaft in einem Seniorenheim gemacht habe. Wie wenig Achtung bekommen die Menschen in unserer Gesellschaft ,egal ob sie zu jung ,zu alt oder zu wenig produktiv aufgrund von Handicaps sind. Wir bauen Heime und Tageseinrichtungen und schließen sie vom Leben aus. Ich würde mir viel mehr Projekte wie Mehrgenerationen Wohnen z.B. auf Bauernhöfen wünschen. Tiere tun den Menschen gut und jeder kann seinen Fähigkeiten entsprechend mit eingebunden sein. Und das Wissen was die ältere Generation mitbringt, wie man Lebensmittel haltbar macht, backt, kocht etc geht nicht verloren. Es gibt Beziehungen zu jedem Menschen und nicht ein förmliches Dienstleistungsverhältnis. Selbstbestimmung und nicht Fremdbestimmung z.B. bei den Zeiten wann geschlafen oder gegessen werden muss. Viele ältere Menschen haben ja einen anderen Tag/ Nachtrhythmus der nicht mit Hilfe von Medikamenten zugunsten der Arbeitszeiten der Mitarbeiter verändert werden sollte.
    Kinder werden nicht bis zu 9 Stunden( was ja fast dem kompletten Tag eines Kindes entspricht und länger ist als ein Arbeitstag den sich Erwachsene zumuten)in Kindergärten abgeschoben, sondern nehmen Teil an der Ernte, der Versorgung der Tiere und allen Dingen die ein Leben mit unterschiedlichen Menschen zu bieten hat. Sie erleben sinnhafte Tätigkeiten und nicht sinnlose Beschäftigungsangebote. Ja, jeder muss einer Arbeit nachgehen, Geld verdienen mit seinen Steuern alles am Laufen halten, aber die Lebensqualität bleibt doch oft auf der Strecke und wir identifizieren uns nur noch über unser Einkommen.Und die Zeit mit seinen Kindern und seinen Eltern/Großeltern ist doch unwiderruflich verloren, jeden Tag den man sie fremdbetreuen lässt. Und es gibt doch kaum etwas Schlimmeres als sich nutzlos, als Belastung für Angehörige oder abgeschoben zu fühlen. Es ist ganz sicher sehr schwer zu händeln, wenn man Angehörige mit Demenz hat, ich sehe auch das man Hilfe braucht um die 24 Stunden Betreuung auf möglichst viele Schultern zu verteilen, sonst verliert man seine eigene Kraft und wird krank.
    Aber grundsätzlich könnte man die Art wie wir gerade leben doch mal überdenken und vielleicht im ganz Kleinen anfangen, die Menschen die einem begegnen wieder als solche zu sehen. Jeden der einem entgegenkommt mit einem Lächeln zu überraschen und einem freundlichen Gruss zum Beispiel.

  8. Das rührt mich zu Tränen. Genauso geht es meiner Mutter. Das ist hier so exakt beschrieben und leider kann ich Sie nicht so oft besuchen, da ich selbst schwer krank bin. Meine Mutter ist allerdings schwer dement und ich weiß nicht ob sie noch lichte Momente hat. Ich kann nur sagen, das ich manchmal denke wenn ich sie so sehe, wie lange noch dieser Quälkram.

  9. Wie lange noch, frage ich mich inzwischen schon als 60-jährige. Wie lange geht die Zerstörung des bisher gekannten, teilw. für gut befundenen, noch weiter? Wie wird sich die kommende Generation unter diesen Umständen entwickeln? Etwas kürzer treten ist sicher nicht verkehrt, aber für wen/was wird das bis Bisherige aufgegeben???

  10. Leider alles sehr lebensnah. Manchmal empfinde ich auch eine leichte Wehmut, da ich die 70 überschritten habe und mich frage, wie lange kannst du noch autonom bleiben.
    Danke für sen bewegenden Artikel.

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