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Indian champagne

von Antje Maly-Samiralow //

Versehen mit einem Fragezeichen wäre dies die perfekte Frage für eine der dieser Tage ins Kraut schießenden Quizsendungen. Und ich wette 1:1000, dass keiner der prominenten Rategeister die Antwort wüsste, ohne dass sie als Multiple Choice Angebot daher käme. 

Und selbst dann würden die ewig blauäugigen Schauspielfrauen und die schon länger nicht mehr lustigen Komödianten auf eine besondere Cuvée tippen, vergoren aus Trauben, die nur auf den Terrassen von Assam gedeihen, die aufgrund ihrer natürlichen Nachbarschaft zu Indiens Teeplantagen eine feinherbe, jenen, in der Morgenröte aufsteigenden Aromen der Teeblüten entliehene Note aufweisen, die sich auf das Eleganteste mit den fein strukturierten Gerbstoffen des Pinot Noir und den Zitrus Akzenten der Chardonnay Traube zu einem Aromen Cocktail vereinen, der in seiner exotischen Extravaganz nur auf dem Subkontinent zu finden ist.

Tja, glatt daneben! Bei indischem Champagner handelt es sich ganz profan um abgekochtes Wasser. Es gehört zur Routine von Ayurvedakuren und dient der Reinigung (Synonym für Entschlackung, Entgiftung, Detox) des Körpers. Ich meine mich zu erinnern, es auf Indienreisen gereicht bekommen zu haben, nach Konsultationen von in der ayurvedischen Medizin kundigen Menschen, die ich aufsuchte, wenn ich in einem abgelegenen Dorf wegen eines üblen Durchfalls gestrandet war oder von anderen Reisekrankheiten heimgesucht wurde. In einigen Praxen wurde mir ein Glas heißen Wassers auch nach einer erschöpfenden und belebenden Ölmassage kredenzt.

Während meiner ersten Panchakarma-Kur stand eine Thermoskanne mit abgekochtem Wasser auf dem Zimmer, die, sobald ich sie geleert hatte, neu befüllt wurde. Außer auf meinen Konstitutionstyp sowie die seinerzeit durcheinander geratene Ordnung meiner Dosha-Verhältnisse abgestimmte Kräutertees trank ich ausschließlich heißes Wasser.

Nun, was hat es mit dem so gar nicht prickelnden Getränk auf sich und warum schreibe ich darüber? Eine solche Ayurvedakur hat zutiefst reinigenden Charakter. Das spürt man, das sieht man und andere spüren und sehen es auch. Letzteres ist für Frauen ein unschlagbares Argument, ersteres auch. Gerade wenn man der Vata-Pitta-Fraktion angehört, zu Unruhe, Ungeduld und Reizbarkeit neigt, kann eine das überschießende Vata oder das verbrennende Pitta regulierende Kur dafür sorgen, dass man ruhiger und ausgeglichener wird und am Ende der Tage zufriedener und besser zu leiden ist. 

Dass und warum gute Ayurvedakuren der Gesundheit zuträglich sind, beginnenden Zipperlein den Garaus machen, bevor sie sich zu Krankheiten auswachsen und schon manifeste Störungen lindern und gar beheben können, führe ich jetzt nicht im Detail aus. Das ist eine andere, eine längere Geschichte und die gehörte auch in eine andere Rubrik als das Feuilleton.

Dass dem so ist, habe ich jedenfalls mehrfach erleben dürfen. Nun ist eine solche Kur aufwendig und langwierig. Drei Wochen dauert eine Panchakarma-Kur idealerweise, auch wenn sowohl in Indien und auf Sri Lanka als auch hierzulande verkürzte Varianten angeboten werden. Und dann haben diese Behandlungen natürlich ihren Preis. Also warum nicht diejenigen Therapiebausteine übernehmen, die man leicht in den Alltag integrieren kann? Gedacht, gekocht, getrunken!

Wasser (einen Liter oder mehr) in einem ordentlichen Topf zum Kochen bringen und etwa zehn Minuten köcheln lassen. Den Deckel lasse man im Idealfall weg. Anschließend füllt man alles in eine Thermoskanne und trinkt den Indischen Champagner über den Tag verteilt möglichst heiß. Warum heiß? Nun, warmes Wasser regt den Stoffwechsel an und kurbelt das an, was zeitgemäß als Detox beschworen wird, am Ende des Tages aber ganz altmodisch die Reinigung des Körpers unterstützt. Wenn man dem Wasser ein paar Scheiben Ingwer beigibt, erhöht das die reinigende Wirkung. Wer keinen Ingwer mag, kann auch andere Gewürze und Kräuter in den Topf werfen. Ich mag meinen Champagner pur oder mit Ingwer. An kalten Wintertagen gönne ich mir auch schon mal eine extra Strange Zimt. Der wärmt, verleiht eine unaufdringliche Süße und sorgt für gutes Raumklima, also in dem Raum, in dem er leise vor sich hin köchelt.

Der in München niedergelassene Arzt Dr. Ulrich Bauhofer, der als Pionier der ayurvedischen Medizin in Deutschland gilt, reicht desweilen in seiner Praxis Indischen Champagner. Dr. Bauhofer zufolge hilft heißes Wasser gegen Stress und besänftigt das Gemüt, schützt vor Heißhungerattacken und sensibilisiert das Geschmacksempfinden. Lauter gute Gründe, regelmäßig heißes Wasser zu trinken.

Wie effektiv dieser Sud Stoffwechsel und Reinigung in Schwung bringt, merkt man spätestens, wenn die Blase häufiger und deutlich dringlicher drückt. Während ich diese Zeile schreibe, trinke ich die erste Tasse des gerade abgekochten Wassers. Was soll ich sagen? Es schmeckt vorzüglich, leicht süßlich und so weich, wie nur Wasser schmecken kann, das lange genug gekocht hat. Insgeheim hege ich natürlich die sanfte Hoffnung, dass der regelmäßige Konsum Indischen Champagners und die damit einhergehenden Reinigungsdurchläufe das ein oder andere Gläschen französischen Champagners rehabilitieren. 

Dr. Bauhofer würde das so sicher nicht unterschreiben. Aber Genuss in Maßen ist ein Gesundheits- und Lebenselixier. Auch das gelegentliche über die Stränge schlagen würde ich als lebens- und liebenswert betrachten, zumal in guter Gesellschaft. Dann gibt es anderntags eben einen ganz großen Topf heißen Wassers. Wohl bekommt‘s!

8 Responses

  1. Ach, wie dringend unsere Gesellschaft eine Doppel-Panchakarma-Kur braucht!
    Mit unbegrenztem Genuss von Indischen Champagner;)
    Das könnte die Rettung sein…:)

  2. Ich habe keinen Kommentar.
    Sitze gerade im Flieger über den Alpen gen Florida
    Herzliche Grüsse

  3. Es geht doch nichts über ein gutes Weizenbier in einem zünftigen Biergarten.Gerade kleine bayerische Brauerein sind hier führend. Dazu noch ein Blick auf die Berge, was braucht die Seele mehr.

  4. Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es beim ayurvedischen Champagner tatsächlich um das lange Abkochen, nicht darum, dass er so heiß wie möglich getrunken werden soll. Das höchstens vom Kaphatyp, aber eher nicht vom Pittatyp. Und ich nehme dafür gefiltertes Wasser. Nicht das B*****-gefilterte, sondern das aus einem elektrisch betriebenen Dreifachfiltersystem, bei dem schon das Basismodell einige hundert Euro kostet (zB S****Y) . Dann kommt auch tatsächlich Champagnerfeeling auf.

  5. Interessiere mich seit mehreren Jahren für Naturmedizin im weitesten Sinne, aber davon habe ich nie gehört. Vielen herzlichen Dank dafür.
    Bei der Gelegenheit möchte ich Ihnen auch mein Dank für Ihre mehr als wertvolle Arbeit aussprechen.
    Es wäre wünschenswert, dass es viel mehr Juralisten gebe, die die Wahrheit ins Auge fassen.
    Ich habe das Gefühl, als ob immer mehr Menschen aufwachen , es geht mir aber nicht schnell genug.
    Yours sincerely
    Mariola Wittling

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