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Über Fachkräfte

by Peter Löcke //

Fachkraft, Hilfskraft oder Ortskraft? Wer ist was und wer definiert das? Ich komme da langsam nicht mehr mit. Bei der Frage scheint es um die Arbeitskraft eines Menschen zu gehen und wie diese von anderen bewertet wird. Welch möglichen Nutzen hat die Arbeitskraft des Menschen für eine Gesellschaft respektive ein ganzes Land? Als Schreibkraft des Clubs der klaren Worte versuche ich mich dem Thema zu nähern.

Man landet unweigerlich beim Thema Migration, ein extrem polarisierendes Thema. Belasten Zuwanderer unser System oder sind sie eine Chance, ein Gewinn für Deutschland? Wie bei vielen Themen bewege ich mich in der Mitte. Das hat den Vorteil, beide Seiten verstehen zu wollen. Das hat den Nachteil, von beiden Seiten beschimpft zu werden, da ich in Diskussionen gerne die Gegenmeinung vertrete.

„Das ist mir immer wieder aufgefallen, dass Menschen aus unterschiedlichen Milieus, mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen, Sachen auch nur aufgrund ihres Erfahrungshorizonts bewerten können […].“

Genauso ist es. Hans-Georg Maaßen sagte das im Interview mit Markus Langemann zum Thema Migration. Als Clubkraft, die sich in unterschiedlichen Milieus bewegt, spricht mir dieser Satz aus dem Herzen. 

Man stelle sich akademische, gut betuchte Kreise vor. In ihrer Selbstwahrnehmung humanistisch, weltoffen, tolerant, bunt. Politisch korrekt, ergo links. Oftmals mittelbar oder unmittelbar für den Staat arbeitend. Die finanziellen Sorgen halten sich hier in Grenzen. Etwaige Probleme, die eine unkontrollierte Migration mit sich bringen, sind komplett aus dem eigenen Blickfeld. Die eigene Toleranz bestätigt man sich beim Besuch der Vernissage eines syrischen Künstlers, beim Schlemmen im griechischen Lieblings-Restaurant, beim Auslandsurlaub in Ägypten. Ironischer Weise sind es oft Kreise, die in einem besseren Viertel leben mit geringem Ausländeranteil und kaum Kriminalität. Mutti muss sich keine Sorgen machen, dass in der Turnhalle ihr wöchentlicher Pilates-Kurs ausfällt, weil dort nun Afghanen untergebracht werden.

Man stelle sich eine Familie vor, die in einem sozialen Brennpunkt lebt. Die in einer Gegend wohnt mit No-Go-Areas. Das Leben als Überleben, als ständiger, auch finanzieller Kampf. Hier ist Gewalt und Kriminalität nicht nur eine Zahl, nicht nur Statistik. Hier hat man Gewalt ständig vor Augen. Ständig vor Augen auch, dass es oftmals „erlebnisorientierte“ Jugendliche und Erwachsene nicht-deutscher Herkunft sind, die für diese Gewalt sorgen. War das in der eigenen Jugend nicht mal ganz anders? Hier hat Mutti Ängste, dass die 14-jährige Tochter gesund von der Schule nach Hause kommt.

Beide Lebenswirklichkeiten sind real, beide haben ihre Berechtigung. In beiden Wahrnehmungen lauert die Gefahr, dem eigenen Erleben eine Allgemeingültigkeit zu geben. Die eigene Perspektive wird absolut gesetzt. Gewalt, Kriminalität, Probleme durch unkontrollierte Migration? Wo denn? Das ist ein Extrem der subjektiven Wahrnehmung. Jeder Ausländer ist kriminell. Das ist das andere gefährliche Extrem des Tunnelblicks. Ich verurteile beide Extreme.

Welche der beiden Wirklichkeiten wird in den Medien abgebildet? Nur eine. Nur die erste Wirklichkeit. Darüber entscheiden nämlich Berliner Ortskräfte. Es ist polit-medialer Konsens. Alles andere wäre doch AfD-Sprech. Oder nicht? Sie sind für die Einhaltung des Asylrechts? Dann sind Sie mittlerweile gegen Ausländer. So ist es nicht verwunderlich, dass selbst Friedrich Merz, BlackRock Metal Fan und selbsternannter Oppositionsführer, Deutschland jüngst als Einwanderungsland erklärte. Der Fachkräfte wegen. Deutschland sei vergleichbar mit den USA. Nun ja, Herr Merz. Wenn ich in die USA reisen und das nächstgelegene Arbeitsamt aufsuchen würde, dann bekäme ich keine Green Card, sondern die rote Karte. Krankenversicherung, Wohnung, Bürgergeld? Eher unwahrscheinlich, was die Staaten angeht und zwar unabhängig davon, ob Demokraten oder Republikaner regieren.

Genug zum Thema Migration. Vielleicht noch etwas Glossiges über ein ernstes Thema. Der Mensch als Arbeitskraft. Nach seiner Arbeit wird der Mensch bewertet. Je nach Job erhalte ich unterschiedlich viel Geld und unterschiedlich viel soziale Anerkennung. Das geht bis in den Tod hinein. Schließlich wird nicht nur Karl Müller beerdigt. Es ist der Oberstudienrat Dr. Karl Müller, der laut Todesanzeige unter die Erde kommt.

Bin ich als Schreibkraft Hilfs- oder Fachkraft? Ich gehe die Frage wissenschaftlich, also mathematisch-physikalisch an. Wie schaut es mit meiner eigenen Arbeitsleistung aus? Arbeit ist Kraft mal Weg. Oh je. Das Tippen von Buchstaben erfordert wenig körperliche Anstrengung. Zudem hält sich, vor dem PC sitzend, mein Bewegungsradius in Grenzen. Das sieht nicht gut für mich aus. Leistung? Leistung ist Arbeit geteilt durch Zeit. Oh je. Ich habe mir ein weiteres Mal ins Knie geschossen. An manchen Tagen fließt die Feder, an anderen Tagen kommt auch nach stundenlangem Schreiben nur Müll heraus. Wie gut, dass mich der Herausgeber in der Währung Euro und nicht in der Einheit Watt bezahlt.

Apropos Watt. Den Berliner Ortskräften attestiere ich einen erheblichen Fachkräftemangel, wenn ich mir diverse Lebensläufe und die nichtvorhandene Berufserfahrung anschaue. Hier braucht es dringend mehr Migration. Diesen politischen Hilfskräften aus Hauptstadt-Ortskräften möchte ich folgende Gleichung zurufen:

Ihr da Ohm. Watt Volt ihr denn!

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Foto: Amerikanische Fachkraft aufgenommen in N.Y., unweit der Brooklyn Bridge am 28.10.22

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9 Responses

  1. Mein Erleben der Migration orientiert sich in einem gehobenen Stadteil von Grosstadt x natürlich an der glücklichen Seite ihrer Schilderung. Nur deshalb sind alle Freunde und Bekannten so entspannt. Endlich gibt’s wieder genug Putzkräfte, die man sich leisten kann. Syrer, Afghanen und Schwarzafrikaner. Auch unsere grünstichigen Nachbarn (die einzigen in der Gegend, die mit einem Kamin gegen den Gasmangel anheizen) beschäftigen jetzt eine dunkelhäutige Fachkraft. Nur 8 Euro die Stunde, wo doch sonst unter 12 nix mehr geht. Sie haben die beiden Mädels aus Polen verdrängt, die excellent putzten, aber zu teuer wurden. Auch Adis, Schwarzafrikaner der ersten Stunde, gemütlich wie Onkel Tom, gut Deutsch sprechend, seit zwanzig Jahre hier am Ball bei einer großen Reinigungsfirma, bangt jetzt um seinen Job. Er wird langsam zu teuer, mit all dem Sozialklimbim, der ihm zusteht.
    Von den 70 Tausend Ukraine Flüchtlingen in der Stadt sehen wir so gut wie nix. Mal einen Ford Mustang mit einem jungen Mann an der Tankstelle, der seine drei Frauen anschreit. Oder erst gestern den ersten Maserati Geländewagen, hab ich hier echt noch nie gesehen, obwohl es vor Porsches und Mercedes hier nur so wimmelt, mit vier Flüchtlingen aus der Ukraine. Ein Mann mit seiner sehr blonden Frau und zwei Jungs. Wo die wohl wohnen? Ach sagt meine Frau, doch im Quartier Y, da zahlt die BuReg doch 55 Euro am Tag für das Zimmer dazu.
    Wir selber heizen mit elektrischer Fußbodenheizung. Sie war vor zwanzig Jahren der Hit. Wurde dann im Laufe der Jahre teuer, als der Preis pro KWatt Stunde für Nachtstrom von 12 auf 24 Cent stieg, und ist jetzt wieder der Hit, wo wir doch alles mit Strom machen sollen. Oder doch nicht? Weils auch nicht genügend Strom gibt? Ricarda sieht das ja Gottseidank anders.
    Anyway, wir spüren hier sehr wenig von den Unbillen der Welt. Nur als Trump hier zu Besuch war, und die Antifa dem Olaf aus dem Ruder lief, mussten wir mal einen Tag mit dem Baby nach B. zu den Schwiegereltern flüchten. Wir wohnen in der Nähe des Unterbringungsorts von Trump und es wimmelte vor Polizei und Chaoten.
    Aber sonst ist alles ruhig hier.

  2. Mein Augenmerk: Jeder Mensch/Emigrant ist eine individuelle Persönlichkeit mit einer historischen Vergangenheit, und entstammt einer zugehörigen Kultur die ihn geprägt hat. Tolerant und die eigenen Werte gewissenhaft, vorbildhaft zu leben ist für mich wichtig. Obgleich es mir in diesen Zeiten besonders schwer fällt mir selber treu zu bleiben, versuche ich meine Überzeugungen zu leben. “Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten werdet ihr sie erkennen.” finde ich eine gute Botschaft. Gute Vorbilder sind wichtig.

  3. Unterschiedliche Wahrheiten als Normalzustand zeigen mir, dass das Wollen von Wahrheit nicht an erster Stelle steht. Das schadet uns als Gesellschaft, denn eine Demokratie kann ohne Wahrheit nicht funktionieren.

  4. Watt und ob die Ohm wollen, das bleibt ver Schollen.
    Und watt wirr unten wollen – semmel und brollen.

  5. In der Mitte ist man aktuell ganz schön weit rechts?! Die Einhaltung von Grundrechten, des Nürnberger Kodex oder der Gewaltenteilung zu fordern, kann einen ja schon in Schwierigkeiten bringen, weil man bemerkt, wo man es nicht mehr in der Ordnung gefunden hat. Machen wir weiter so! Selbst denken, offen die eigene Meinung äußern.
    Sie haben Unterhaltung und Nachdenklichkeit in eine großartige Verbalartistik gebracht. Herzlichen Dank

  6. Wieder mal grandios geschrieben und so wahr. Als es 2015 mit den syrischen Flüchtlingen los ging, war ich auch zwiegespalten ob die Parole wir schaffen das so fruchtet. Dann gab es die Unterbringung zumeist von jungen Familienvätern in meiner unmittelbaren Nachbarschaft. Die meisten von denen sind friedfertige auch integrationswillige die über kurz oder lang ihre Familien nachgeholt haben. Es haben sich wirklich Freundschaften entwickelt und wenn man sich intensiver damit befasst hat, kam man zu dem Schluss was würde ich in so einer Situation machen? Würde ich nicht auch flüchten? Ich bin den Leuten hier immer mit Respekt begegnet und sie mir auch. Die meisten von denen ernähren ihre Familien inzwischen selbst, teilweise arbeiten auch die Frauen. Es gibt aber auch die, die 2015 gekommen sind und immer noch kein Deutsch sprechen und auch gar nicht arbeitswillig sind, weil die Hängematte ja da ist. Oder soviel Nachkommenschaft das das Kindergeld aus reicht. Es ist also durchaus schwierig einen Tunnelblick zu haben. Nicht jeder ist ein Schmarotzer und Verbrecher. Es gibt hochintelligente Leute die sich hier ein neues Leben aufgebaut haben, natürlich zunächst mit Starthilfe. Ich finde das muss man anerkennen. Aber es gibt eben auch die andere Seite. Neuerdings rennt so ein Mufti im weißen Kittel rum, seine Frau in komplett schwarzer Burka, diese Menschen lassen dann ab und zu doch den Verdacht in mir aufkommen ob wir von Islamisten unterwandert werden. Es ist mir suspekt und ich gehe denen aus dem Weg. Aber es ist schon so das wir Tür und Tor geöffnet haben für alle die vielleicht nichts Gutes im Schilde führen. Es ist und bleibt ein schwieriges Thema. Tja wenn uns Deutschen mal soviel gegeben würde im fremden Land. Wer auswandern will braucht etliches an Kohle um nicht unter zu gehen.

  7. Hach, welch köstlicher Verbalschmaus. Ich verehre Ihre Wortwahl-Kunst, gleich im Stil des Herrn Langemann. Es geht tatsächlich ohne Anglizismen, ja sogar ohne lateinische Verkomplizierungen. Rein Deutsch und das gelingt Ihnen hervorragend.
    Bin ich durch meinen Kommentar nun mainstreamkonform in die Nazi-Ecke gerutscht?

    1. ja, Wortspiele mit ausschließlich der deutschen Sprache sind mir auch ein Schmaus!
      Ich spreche mehrere Sprachen und habe einen Migrationshintergrund – das Denglish ist für mich ein Indikator für das verwässern der Kultur, was sehr schade ist mEn.

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