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La ballade de gens heureux

von Antje Maly-Samiralow // 

Es gibt Ohrwürmer, die schrauben sich für ein, zwei Tage in Gehör und Gehirn. Die hat man morgens aufgeschnappt und zwitschert sie so vor sich hin. Meist bleiben sie mir in etwa so lange. Aber seit nunmehr vier Wochen tönt es tagein, tagaus:
„La ballade de gens heureux“ und ich mag es gar nicht mehr eintauschen dieses frische und leichte Lied. Ich habe es in einer Brasserie aufgeschnappt, wo man nichts anderes zu hören bekommt als gute, abgehangene Chansons, allesamt aus einer Zeit, als das Leben trotz aller Härten noch leicht war, leicht erschien, sich jedenfalls leichter anfühlte. Wie es herauskam, war ich noch Kind, gerade in der zweiten Klasse. Da fühlte sich alles leicht an. Da schien die Sonne gefühlte 365 Tage im Jahr. Gut möglich, dass mich das Lied an diese unbeschwerte Zeit erinnert und dass es deshalb nicht mehr weichen mag.

Den Text habe ich seinerzeit nicht verstanden. Aber das war auch nicht nötig. Gute Musik funktioniert genauso: Die vom Künstler intendierte Stimmung formt sich in Klang und Wort, und wenn er den richtigen Ton trifft und der Rhythmus mitreißt, bedarf es eigentlich keiner Worte. Dann summt, pfeift oder trällert man je nach Vorliebe und Talent. So richtig verstehe ich den Text noch immer nicht. Mein Französisch reicht für eine Pastis-Bestellung und für eine anständige Danksagung, für recht viel mehr aber auch nicht. Irgendwie glaubte ich, in den „gens heureux“ honorige oder anständige Leute erkennen zu können, in jedem Fall gute Leute. Naja, genaugenommen geht das ja auch so zusammen. Glückliche Leute können eigentlich nur anständige Leute sein; behaupte ich jetzt einfach mal.

Und wie Gérard Lenorman sie besingt und ihnen gleichsam huldigt den ach so verschiedenen „gens heureux“, so leicht und versonnen, wirkt auch er, der Künstler zufrieden und glücklich. Es gibt übrigens eine noch ein bisschen leichtere, in jedem Fall spritzigere Version der Ballade: Ein Duett mit der dixi, jazzy ZAZ. Kaum zu glauben, dass der einst fast schüchtern anmutende Lenorman in Gegenwart der quirligen und Funken sprühenden ZAZ zu Höchstform aufläuft, Pirouetten dreht und swingt, was das Zeug hält. Die beiden haben einen Spaß auf der Bühne und feuern sich gegenseitig an, dass es eine Freude ist, ihnen zuzuhören und zuzusehen. Trotzdem mag ich die Originalversion lieber. Vielleicht weil die Stimmung von damals ein Lebensgefühl wach ruft, das die Coverversion – zumindest in mir – nicht zu entfachen vermag. Das ist ja das Problem mit der Nach- und Umsingerei. Es gibt richtig gute Coverversionen von vielen Songs. Aber es geht nichts über das Original, an dem man sich nur versuchen kann.

Für mich ist „La ballade de gens heureux“ gerade das ultimative Sommerlied. Ich bin gespannt, wann und durch welchen Song der Ohrwurm abgelöst werden wird. Ich tippe mal auf den Spätsommer, wenn die Blätter welken, die Spinnen ihre Netze auswerfen und der Spätsommerblues unweigerlich Land und Menschen heimsucht. 

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