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Kommentar von Peter Löcke

Der Krieg in der Ukraine ist beendet. Zumindest in den Köpfen der Menschen, in der öffentlichen Wahrnehmung, ist er beendet. Medial abgelöst wurde er durch einen anderen Krieg, den in Nahost. Das ist der perfekte Zeitpunkt, um eine Messe zu feiern. Nur ist hier kein Gottesdienst gemeint. Gemeint ist eine Weltausstellung, die sich den Wiederaufbau der Ukraine auf die Fahnen geschrieben hat: Rebuild Ukraine! (1) 

Die Veranstaltung findet am 14. und 15. November 2023 im polnischen Warschau statt. Genau genommen handelt sich um eine Fortsetzungsmesse, denn sein erfolgreiches Debüt feierte „Rebuild Ukraine“ bereits im Februar. Was benötigt man für den Aufbau eines Landes? Neben Visionen, Logistik & und Know-how braucht es Baustoffe und Energie. Sehr viel Energie. Dementsprechend ist das ukrainische Energieministerium Schirmherr des Events, das an zwei Tagen neben Messeständen auch Vorträge zu bieten hat. Doch lassen wir den Feldherrn und Präsidenten der Ukraine, sprechen. Wolodymyr Selenskyj bewirbt die Veranstaltung in gewohntem Pathos.

„Der Wiederaufbau der Ukraine wird das größte wirtschaftliche Projekt unserer Zeit in Europa. Es wird bereits auf Hunderte von Milliarden Dollar geschätzt. Und mit dem Bedarf an einer Modernisierung der ukrainischen Infrastruktur unter Berücksichtigung der Sicherheitshilfen sprechen wir von mehr als einer Billion US-Dollar. Infrastrukturfonds werden eine große Anzahl von Projekten in den Flughäfen und dem Bau neuer Straßen und Brücken unterstützen. Immobilienfonds werden einen Markt mit Hunderten von Millionen Quadratmetern neuer Wohnungen, Büros, Logistik- und Industrieparks vorfinden. Banken und Finanzinstitute können in den riesigen Markt der Kreditvergabe für all diese Projekte der Ukraine eintreten. Versicherungsgesellschaften können neue Versicherungsangebote machen, die die Besonderheiten unserer Region und unsere Risiken berücksichtigen.“

Klotzen statt kleckern! Wenn auch auf fremden Terrain – die Ukraine lädt ein und die wirtschaftliche Welt folgt dieser Einladung. Vertreten sind auch 64 deutsche Firmen, um sich, ihre Ideen und Produkte an Ständen zu präsentieren (2). Es herrscht Goldgräberstimmung. Da dürfen das Habeck-Ministerium BMWK sowie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nicht fehlen. Die beiden Bundesbehörden organisieren in Kooperation mit der Agentur für Wirtschaft & Entwicklung (AWE) einen deutschen Gemeinschaftsstand (3, 4).

Nun ist die Ukraine ein kriegsgebeuteltes Land. Man mag also den wirtschaftlichen Wiederaufbau als einen Akt der solidarischen Menschlichkeit empfinden. Warum kritisiere ich eine solche Veranstaltung dennoch? Warum empfinde ich das Event „Rebuild Ukraine“ gar als zynisch?

Da wäre zunächst einmal der Zeitpunkt. Meines Wissens tobt in der Ukraine immer noch ein Krieg mit vermeintlich ungewissem Ausgang. Gab es jemals einen Krieg, bei welchem parallel öffentliche Industriemessen über das Kriegsgebiet stattfanden? Industriemessen also, bei welchen sich kleine Unternehmen wie Big Player präsentieren, um in der Nachkriegszeit möglichst große Stücke, mindestens aber ein paar Krümel des zu erwartenden Kuchens zu erhaschen? Das ist zynisch. So zynisch wie der zweite Grund.

Während für die Ukraine Wiederaufbaumessen stattfinden, verkommt Deutschland zu einer wirtschaftlichen Trauermesse. Und dennoch werden Scholz, Lindner, Habeck, Pistorius und zuletzt Annalena Baerbock nicht müde, der Ukraine die vollste Unterstützung zu garantieren. Mehr noch. Die militärischen und finanziellen Hilfen sollen massiv ausgebaut werden (5). In den Worten der deutschen Außenministerin: „No matter what my German voters think.“

Die Ukraine als Veranstaltungsmesse. Deutschland als Konkursmasse. Das ist mehr als nur eine subjektive Empfindung. Das lässt sich fast täglich an Fakten belegen beim Querlesen der Horrormeldungen. Daher ein paar frische nackte Zahlen.

22,4 Prozent. Das ist der Anstieg der Regelinsolvenzen gegenüber dem Vorjahresmonat laut Statistischen Bundesamt. Nun gut. Laut Studien von Modellathleten könne der Trend evtl. aufgehalten werden. (6) 

3,25 Milliarden Euro. Das sind die für Arbeitsminister Hubertus Heil „überraschend“ durch Bürgergeld und Geflüchtete entstandenen Mehrkosten. Nun gut. Hubertus sucht sein Heil in einem Maßnahmenbündel, einem „Jobturbo“, damit sich Arbeit wieder lohnt. (7)

60 Milliarden Euro. Die darf man laut Bundesverfassungsgericht zum Schock der Ampel nicht einfach zweckentfremden. Nun gut. Es bleibt die Hoffnung, dass Karlsruhe sich auch bei anderen Themen an seine eigentliche Bestimmung erinnert. Gerne bei einem weiteren gemeinsamen Abendessen mit der Regierung. (8)

7,5 Milliarden Euro. Damit unterstützt der Bund den angeschlagenen Konzern Siemens Energy. Nun gut. Bürgschaft klingt schlechter als Sondervermögen, aber immerhin besser als das unschöne Wort Schulden. (9)

Apropos Siemens. Die sind ebenfalls auf der Messe Rebuild Ukraine vertreten. Einen Stand hat die in Schweden ansässige Siemens Energy, drei Stände gar „Siemens Ukraine DP“. Das ukrainische Siemens kümmert sich u.a. um intelligente Energiesysteme und digitale Gesundheitslösungen. Es herrscht Goldgräberstimmung in der Ukraine.

Der Wiederaufbau Deutschlands genießt keine Priorität. Rebuild Germany muss sich noch etwas gedulden.

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Eine Antwort

  1. Die Bundesregierung hat gerade erfahren, wie hart Bauchlandungen sein können. Bei mir ist da keine Schadenfreude, denn die Schuldigen werden nach ihrem unvermeidlichen Karriereende sanft aufgefangen werden. Viel mehr als eine Blamage und eine großzügige Pension wird ihnen nicht passieren – außer es sind noch Straftatbestände aufzuarbeiten. Den Schaden hat unsere Gesellschaft, wobei es nicht allein um Geld geht. Der Sittenverfall in unserer politischen Landschaft, der u.a. durch fortlaufende Rechtsbrüche der Bundesregierung seit 2015 immer weiter vorangeschritten ist, hat den Bundeskanzler und seine Getreuen wohl glauben lassen, es ginge immer so weiter. Viel zu lange haben Gerichte, Parlament und große Teile der Öffentlichkeit mitgemacht. Sie sind Rattenfängern wie etwa Yuval Harari hinterhergelaufen und haben deren menschenverachtende Irrlehren aufgesaugt und sind wohlig im Angesicht des blanken Greta, Lisa, Bill und Christian Schreckens erschauert. Gerade die, die sich selbst als Intellektuelle sehen, haben sich vielfach komplett aus der Wirklichkeit verabschiedet. Da ist dieser Messe Auftritt in Warschau keine Ausnahme. Entweder die Nomenklatura in Berlin kommt zur Besinnung oder der Björn wird den Laden irgendwann übernehmen. Seine Partei, zumindest solange sie noch nicht an der Macht ist, bietet der Unzufriedenheit weiter Teile der Bevölkerung eine Plattform. Die aus Grünen, SPD, FDP und CDU/CSU bestehende Sozialistische Einheits Partei 2.0 ist leider der Meinung, dass diese Unzufriedenheit eine rechtsradikale Verirrung ist. Ob die neue Wagenknecht Partei oder eine Parteigründung aus der Werteunion etwas bewegen werden, wird man sehen. Ein Funken Hoffnung bleibt.

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