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Heimatfilme & Kriegsfilme

von Peter Löcke //

Blühende Landschaften und sauberes Wasser über einem stets blauen Himmel. Kitschige, idyllische Bilder in einer intakten Welt. Retardierende Handlungen über Themen wie Freundschaft, Liebe und Familie. Alles sehr flach, sehr vorhersehbar. So vorhersehbar wie das Happy End nach ein paar Intrigen und Widrigkeiten im Mittelteil. Ich spreche von Heimatfilmen. Es gibt wohl kaum ein Filmgenre, das mich weniger fasziniert und interessiert. Eigentlich. Vielleicht war das arrogant von mir. Warum schauten vor allem früher so viele Menschen Heimatfilme? Eine Spurensuche.

Es gibt hundert Jahre alte Propaganda-Vorläufer wie den Volksfilm. Das schon. Es gibt außerdem den modernen Heimatfilm der 1970er Jahre. Der ist etwas freizügiger im Zuge von Flower Power und der sexuellen Revolution. Das schon. Der traditionelle deutsche Heimatfilm jedoch wurde direkt nach dem zweiten Weltkrieg gedreht. Das Genre wurde 1947 geboren und hatte seine Blütezeit in den 1950er Jahren, unmittelbar nach dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte also. Das wiederum finde ich äußerst faszinierend. Ist das nicht ein vermeintlicher Widerspruch? Schließlich spiegelte die gezeigte heile Heimatfilm-Welt so gar nicht die kaputte Welt des Nachkriegs-Deutschlands wider.

Deutschland nach der unsäglichen NS-Zeit. Es war die Zeit der Scham und Schuld, die Zeit der Aufarbeitung und Entnazifizierung, aber auch die Zeit der Trümmerfrauen. Ein moralisch wie tatsächlich zerstörtes Land musste Stein für Stein wieder aufgebaut werden. Nützt ja nix. Zur bescheidenen Nachhaltigkeit waren die Menschen durch die Wirklichkeit gezwungen. Das war nicht nur ein Werbe-Slogan. Bis heute ist meine vom WDR als Umweltsau diffamierte Mutter nicht in der Lage, selbst kaputteste Dinge wegzuschmeißen. Es gab keine Diskussionen über Frauenquoten, 30-Stunden-Wochen, gendergerechter Sprache oder die Rettung einer fernen Zukunftswelt. Die Menschen hatten andere, existenzielle Sorgen im Hier und Jetzt. Die Rettung der Gegenwartswelt stand im Vordergrund. Ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, ein Minimum an Wohlstand und Würde. Das Leben war beschwerlich und wurde angetrieben von der Hoffnung und dem Traum einer hoffentlich besseren Welt für sich und die Nachkommen. Irgendwann.

„Meine Kinder sollen es einmal besser haben.“ 

Diese Welt, diese utopische bessere Welt, nach der sich die Menschen sehnten, wurde ihnen in den Heimatfilmen gezeigt. Je länger man darüber nachdenkt, umso mehr kommt man zur Erkenntnis, dass es eben kein Widerspruch ist, dass die Blütezeit des Heimatfilms in den 1950iger Jahren lag. Es war nur eine logische Folge.

Wann ließ das Interesse nach, ab wann wurden kaum noch Heimatfilme gedreht? In den 1960igern. Deutschland erntete die Früchte seines Wirtschaftswunders. Ein modernes Küchengerät, ein Fernseher, ein erster Urlaub in Italien. Es waren kleine wie große Dinge, die als Luxus empfunden werden. Genau zu einer Zeit also, als der schöne, idyllische Traum sukzessive Realität wurde, wollte niemand mehr diesen schönen, idyllischen Traum auf der Leinwand sehen. Ich finde das faszinierend. Sehnt sich der Mensch immer danach, was er nicht hat? Sieht er es als selbstverständlich an, wenn er es dann hat?

Im Jahr 2023 gibt es kaum noch Heimatfilme auf deutschen Leinwänden. Stattdessen Kriegsfilme in einer Realitätsdauerschleife. Und die Kriege rücken näher. Auf die vielen Kriege gegen den Terror folgte der Krieg gegen das Virus. Auf den Krieg in der Ukraine folgt nun ein sich anbahnender Bürgerkrieg in Frankreich. Auch auf deutschen Straßen wie zuletzt in Essen spricht man mittlerweile von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Über jeden einzelnen Krieg schwebt ein medialer Informationskrieg, ein Krieg um die Meinungshoheit. Wer ist Opfer, wer ist Täter, wer ist Schuld? Ist es die Migrationspolitik, sind es nicht integrationswillige gewaltbereite Migranten oder sind es böse Rechtsextreme, die generell Ängste und Ressentiments gegen Ausländer schüren? Je nachdem, wie Ihr persönliches Urteil ausfällt – Sie werden Medien finden, die Sie in ihrem Urteil bestärken. Zumindest noch, denn die Zensur respektive der Schutz vor falschen Botschaften und falschen Bildern schreiten von Tag zu Tag voran.

Sind Sie wie ich diese schrecklichen Bilder müde und zwar unabhängig von der Schuldfrage? Diese Bilder von massiver Gewalt aus der Ukraine, aus Marseille, aus Pariser Banlieues. Viele dieser Bilder sind weichgespült und vorgewaschen von einem eingebetteten Journalismus. Das Wissen darum, dass ich nur eine gefilterte Wahrheit serviert bekomme, macht es noch schlimmer. Müde bin ich vor allem der gewalttätigen Bilder und Filme, die ich tagtäglich im wirklichen Leben sehe. Ungefiltert auf deutschen Straßen, auf deutschen Bahnhöfen, in deutschen Fußgängerzonen. 

Gibt es Hoffnung? Ich befürchte, dass es noch schlimmer kommen muss, bevor es besser wird. Und dann? Dann werden die Menschen wieder anpacken. Trümmermänner und Trümmerfrauen. Ohne App und mit eigenen Händen. Nützt ja nix. Probleme wie Gendersprech und die Rettung der Klimawelt im Jahr 2050 rücken dann in den Hintergrund. Und am einzigen freien Abend, an dem der Mensch nicht todmüde ins Bett fällt, freut er sich auf einen Heimatfilm. Wer weiß, ob ich das noch erlebe?

Also nähere ich mich bereits jetzt dem vermeintlich kitschigen Heimatfilm-Genre an mit dem „Wunder von Bern“. Es muss ja nicht gleich „Grün ist die Heide sein“ sein. Der deutsche WM-Sieg von 1954 stellt zwar keinen Heimatfilm dar, das Ereignis fand jedoch zu dieser Zeit statt. Warum waren die Deutschen nur neun Jahre nach dem zweiten Weltkrieg so stolz auf Fritz Walter und Co, während sie neunzig Jahre nach Hitlers Machtergreifung deutsche Fahnen gegen Regenbogenflaggen eintauschen? Faszinierend.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

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2 Antworten

  1. Am Schluss staunt Mister Spock. Funkte jedenfalls cineastisch angeregt meine freischwebende Phantasie. Sein Staunen war übrigens genauso vorhersehbar, wie das Happyend im Heimatfilm, wenngleich einem ganz anderen Genre zugeordnet, nämlich der „Space Opera“. Das wusste ich gar nicht, sondern las es eben erst. Ehrlich gesagt bin ich auch gar kein Raumschiff-Enterprise-Fan, sondern war einer des genau zur gleichen Zeit produzierten Raumschiffes Orion. Aber das liegt am Alter respektive daran, dass Enterprise als Import erst einige Jahre später nach Deutschland schwappte, unmittelbar vor den Münchener Spielen. Bekanntlich wurde Spocks Wort dann ebenso Teil der Popkulltur wie das Bügeleisen, für dessen Verständnis, „Ach was!“, jüngere Leute vermutlich fragen müssen, und zwar wie üblich „das Internet“ oder aber ganz analog ein älteres Semester.

    An der Stelle ein weiterer kleiner freischwebender Schlenker: Star-Treks Weiterleben ist fraglich! Warum? Na wegen des gender-inkompatiblen Vorspanns: „Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, (…) mit seiner 400 Mann starken Besatzung (…)“ Ha, schönen Gruß von Winnetou! 400 Mann? Geht’s noch? „Das geht gar nicht!“ twitterte eben erst Sawsan Chebli in einem weniger glamourösen Zusammenhang, aber nach ihrer Ansicht sicher genau so treffend wie hier. Also unzutreffend. Nun gut, freischwebender Schlenker wie gesagt, zum Elschibiti-Quatsch.

    Zurück zum Text. In der Tat faszinierend, das angeschnittene Thema, äußerst faszinierend sogar. Denn der Vergleich der Gegenwart, dieser Zeit größter Verirrung, als Vorläufer einer Zeit, die wie bei der großen Verirrung vor 90 Jahren noch schlimmer werden könnte, dieser Gedanke schwirrt schon seit geraumer Zeit immer wieder in meinem Kopf herum. Weil sich viele Dinge genaus so und nicht anders anfühlen, wenn man nicht mitläuft, bis hin zu Fahnen und Kriegsgeschrei. Die Geschichte wiederholt sich, könnte man fürchten, müsste man eigentlich – hoffentlich, möchte ich anfügen, gemäß Marx’ens bekannter Bemerkung über Hegel. Denn als Farce wäre mir das vor uns liegende Stück Zeitgeschichte lieber und unterhaltsamer. Schließlich spiele ich darin mit und lache gerne.

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